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«Selbst 800 Kilometer entfernt tragen alle eine Schutzmaske»

«Selbst 800 Kilometer entfernt tragen alle eine Schutzmaske» «Selbst 800 Kilometer entfernt tragen alle eine Schutzmaske»

Die Einsiedlerin Vera Schädler traf zeitgleich in China ein, als das Coronavirus entdeckt wurde. Sie ist wohlauf; doch ihre Hoffnung auf einen Rückflug morgen Samstag hat sich zerschlagen.

VICTOR KÄLIN

Seit dem 11. Januar weilt Vera Schädler in China. Die Kommunikationsfachfrau begleitete ihre Cousine nach Chengdu, wo deren Tochter ein halbes Jahr an der dortigen Universität studierte. Bevor es zurück in die Schweiz gehen sollte, macht sich das Trio auf, das Riesenreich etwas näher kennenzulernen.

Grosses Glück

«Ein, zwei Tage vor meiner Ankunft in China wurde in Wuhan das Coronavirus entdeckt», berichtete die 39-Jährige am Dienstag, als ihr der Einsiedler Anzeiger nach Asien telefonierte. «Heute sind wir in der Stadt Guilin, rund 800 Kilometer südlich von Wuhan», erklärt Vera Schädler. «Wir sind weit weg.» Dennoch würden auch in dieser Millionenstadt alle Menschen eine Schutzmaske tragen – sie inzwischen auch, wobei das nicht selbstverständlich war: Sämtliche Masken sind ausverkauft. «Keine Chance, eine zu kaufen», sagt sie.

Trotzdem ging das Trio zum Bahnhof, da die Reise weitergehen sollte. «Wir hatten grosses Glück», erinnert sich Vera Schädler. «Hinter uns stand jemand mit einer Schachtel voller Schutzmasken. Und er schenkte uns 50 Stück! Das war mega nett.» Damit erübrigte sich auch die Frage, ob die drei Touristinnen die Schranken ohne Maske auch wirklich hätten passieren können. Hohe Disziplin der Chinesen

Die Auswirkungen des Coronavirus sind in dieser Region gemäss Einschätzung Schädlers nicht allzu offensichtlich: «Ich weiss nicht, ob das Virus in der Stadt bereits nachgewiesen worden ist.» Krankenautos, Quarantänezelte, Ganzkörpervermummte oder Menschenansammlungen bei Spitälern sind der in Zürich wohnhaften Einsiedlerin bisher jedenfalls nicht aufgefallen. Omnipräsent sind hingegen die maskierten Bewohner; ohne Atemschutz können die öffentlichen Verkehrsmittel nicht benutzt werden. «Und wer keine Maske trägt», wir von Passanten darauf angesprochen. «Die Disziplin der Chinesen ist sehr hoch», stellt die Schweizerin fest. «Die Leute sind ruhig. Es gibt keine Panik.» Geduldig lassen sich die Einheimischen (wie die Touristen) auch von den Behörden auf Fieber untersuchen – ein Prozedere, ohne das niemand zur Metro oder zum Zug durchgelassen wird. Informationen online suchen

Angst verspürt Vera Schädler nicht, selbst wenn sie die chinesischen Nachrichten nicht entschlüsseln kann. Sie informiert sich deshalb online, vor allem über Schweizer Zeitungstitel. Dass am Dienstag das Bundesamt für Gesundheit eine grosse Pressekonferenz gab, wusste Schädler im weit entfernten Guilin jedenfalls bereits, als sie der Anruf aus Einsiedeln erreichte. Eingeschränkte Möglichkeiten

In den ersten beiden Wochen nach dem Ausbruch des Virus gab es gemäss Schädler beim Reisen noch keine Einschränkungen. Inzwischen seien alle touristischen Attraktionen geschlossen; die öV-Verbindungen eingeschränkt und in Richtung Wuhan gänzlich gestrichen. «Unsere Möglichkeiten sind eingeschränkt », stellt Vera Schädler nüchtern fest. «Wir nehmen es Tag für Tag und schauen, was machbar ist.» Morgen Samstag soll es via Shanghai zurück in die Schweiz gehen. Die grösste Unsicherheit galt am Dienstag weniger dem Virus, sondern vielmehr dem Rückflug – man kann nie wissen, was in den nächsten Tagen noch passiert. «Wir sind aber zuversichtlich. Aufgrund der besonderen Umstände freut man sich schon ein wenig mehr als gewöhnlich, wieder nach Hause zu kommen.» *

Gestern Donnerstag meldete Vera Schädler: «Unser Rückflug mit der Swiss wurde mittlerweile annulliert. Wir wissen noch nicht genau, wie wir wieder nach Hause kommen. Sind jetzt am Organisieren. Hoffe, wir finden noch eine Lösung.»

Nächster Swiss-Flug am 9. Februar

Vi. Gestern Donnerstag flog die Fluggesellschaft Swiss vorläufig zum letzten Mal nach China. Bis am 9. Februar bedient die Lufthansa-Tochter die Destinationen Peking und Schanghai nicht mehr. Der gestrige Flug dient noch dazu, «Fluggästen die Möglichkeit zu geben, ihren geplanten Flug wahrzunehmen, sowie den Swiss-Besatzungen, in die Schweiz zurückzukehren ». Grund für diese Massnahme ist das Coronavirus. Der Mutterkonzern Lufthansa schreibt auf seiner Website, die Sicherheit von Reisenden und Angestellten habe oberste Priorität. Neben der Swiss ist auch der österreichische Lufthansa-Ableger Austrian betroffen.

Die Entscheidung der Lufthansa, die Flüge der ganzen Gruppe nach China einzustellen, wurde kommuniziert, nachdem es am Mittwoch an Bord einer Lufthansa-Maschine zu einem Corona-Virus-Verdachtsfall gekommen war. Die chinesischen Behörden stuften einen Passagier des Fluges LH780 von Frankfurt nach Nanjing als Risikofall ein. Gemäss Medienberichten soll der Mann zwar kein Fieber gehabt, aber gehustet haben. Für Schweizer bleibt derzeit keine andere Möglichkeit, als über Hongkong auszureisen.

«Wir wissen noch nicht genau, wie wir wieder nach Hause kommen»: Vera Schädler in Guilin.

Eine Impression aus der Einkaufsstrasse von Guilin – die Vermummung ist das Gebot der Stunde.

Diese Aufnahme zeigt den leer gefegten Flughafen in Guilin. Wo sonst Tausende von Einheimischen und Touristen durchgehen, herrscht fast Totenstille.

Fotos: Vera Schädler

Die Orte des Geschehens: Die Universität Chengdu, der Quarantäneort Wuhan, der ehemalige Aufenthaltsort Guilin, der vermeintliche Abflugsort Shanghai und die Stadt der Hoffnung Hongkong.

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