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«Es braucht unabhängige, mutige Stimmen in den Einbürgerungsbehörden»

«Es braucht unabhängige, mutige Stimmen  in den Einbürgerungsbehörden» «Es braucht unabhängige, mutige Stimmen  in den Einbürgerungsbehörden»

Patrick Sutter ist der Anwalt des Italieners, der in der Gemeinde Arth nicht eingebürgert wurde. Nachdem der Bundesgerichtsentscheid vorliegt, nimmt er Stellung.

JÜRG AUF DER MAUR

Die Gemeinde Arth verweigerte einem Italiener die Einbürgerung, weil er im Test unter anderem nicht wusste, dass im Tierpark Goldau Wölfe und Bären gemeinsam in einem Gehege leben. Das akzeptierte er nicht und ging vor das Bundesgericht. Dieses gab ihm recht und pfiff die Behörde und die Vorinstanz zurück. Nun nimmt Patrick Sutter, Schwyzer Anwalt und Uni-Dozent, Stellung. Er hat den Einbürgerungskandidaten vertreten und schlägt vor, dass in den Kommissionen künftig bis zu einem Drittel Eingebürgerte Einsitz nehmen sollten. Was ist zu tun, dass es nicht häufiger zu solch peinlichen Entscheiden kommt? Gemessen an der Zahl der Einbürgerungsgesuche sind solche Entscheide selten. Nichtsdestotrotz bleibt es jedes Mal von aussen betrachtet unerklärlich, wie sich eine Behörde derart verrennen und den Blick aufs Ganze verlieren kann.

Das heisst?

Es braucht primär unabhängige, mutige Stimmen innerhalb solcher Behörden, die in einer Gruppe die Kolleginnen und Kollegen auch mal zurechtweisen und sie dazu anhalten, sich wieder bewusst zu werden, dass es sich hier um eine Person handelt, die es verdient hat, unvoreingenommen und mit Respekt – und nicht primär auf ihre hier sogar noch konstruierten Fehler – geprüft zu werden. Es handelt sich also vielmehr um ein menschliches Problem, dass die Behördenmitglieder in Arth dieser Aufgabe nicht gerecht geworden sind, als dass der Entscheid des Bundesgerichts Anlass gäbe, das Gesetz zu ändern. Bringen solche Fragen im Einbürgerungsprozess überhaupt etwas?

Die Fragen sind eine Folge des Entscheids des Bundesgerichts vor rund 20 Jahren, dass die Einbürgerung ein Verwaltungsakt ist, der rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen muss, was insbesondere bedeutet, dass eine nachvollziehbare Begründung für eine Nichteinbürgerung gegeben werden muss. Die Behörden brauchen seither Kriterien für ihre Entscheidung. Deshalb sehen sie mündliche und schriftliche Tests vor.

Also sind nicht die Fragen an sich das Problem?

Die Behörden müssen trotz aller Formalisierung am Schluss auch noch eine Einordnung vornehmen, was die Antworten in den Tests wirklich über diese Person und ihre Integration aussagen. Hier hilft der viel zitierte «gesunde Menschenverstand», der in diesem Fall in Arth gänzlich auf der Strecke blieb. Dies machte das Bundesgericht sehr deutlich. Gäbe es sinnvollere Alternativen?

Man kann sich in den umliegenden Kantonen umsehen. Es gibt verschiedenste Formen des Verfahrens auf dem Weg zur Einbürgerung. Alle sind sie vertretbar, sofern sie eben nicht mit Willkür in der Anwendung verbunden werden. Die SP Schwyz fordert andere Einbürgerungsverfahren: Was wäre aus Ihrer Sicht ein Weg, den der Kanton Schwyz einschlagen könnte oder müsste?

Das ist eine politische Frage, die ich nicht beantworten kann. Wie ausgeführt, sind verschiedene Verfahren in der Schweiz anzutreffen, die allesamt bei korrekter Anwendung zu sachgemässen Entscheiden führen können. Im vorliegenden Fall war aber Willkür in der Anwendung gegeben.

Gerade wenn man es mit einer grösseren Behörde zu tun hat, wie in Arth, würde man sich wünschen, es würden auch Personen in die Behörde Einsitz nehmen, die sich primär dem Schutz der Verfahrensrechte der Betroffenen verschreiben. Also solche, die also stets darauf achten wollen, dass die Behörde die Einbürgerungswilligen korrekt behandelt und beurteilt und die anderenfalls ihre Amtskollegen zurechtweisen.

Konkret?

Man könnte sich zum Beispiel überlegen, dass mindestens ein Drittel der Mitglieder einer Einbürgerungsbehörde aus eingebürgerten Schweizerinnen und Schweizern bestehen muss, da sie die gesuchstellerische Perspektive gut kennen. Einem Kosovoalbaner gelang die Einbürgerung in Arth erst, als er eine Rechtsanwältin einschaltete. Ihm wurde vorgeworfen, er habe die Steuern nicht bezahlt. Hat Arth ein grundsätzliches Problem bei Einbürgerungen? Es gibt in Arth tatsächlich leider nicht nur diese von Ihnen erwähnten Fälle. Einbürgerungswillige sehen sich in Arth immer wieder mit unerwarteten «Abklärungsergebnissen » konfrontiert, die ihnen von der Behörde diffus und ohne konkrete Quelle unterbreitet werden, und aufgrund derer ihnen die Behörde nahelegt, man solle das Gesuch zurückziehen. Viele Personen tun dies, weil sie die Kosten eines Verfahrens scheuen.

Was bedeutet das für Sie?

Es ist wichtig, dass sich Arth nun nicht auf die geringe Anzahl von Gerichtsurteilen berufen kann, da es viele Personen gibt, die sich schliesslich für den Rückzug entschieden, obwohl sie gute Anfechtungschancen gehabt hätten.

Werden Einbürgerungswillige im Kanton Schwyz unter einen Generalverdacht gestellt? Nein, ich will auch klar festhalten, dass ich niemandem Fremdenfeindlichkeit unterstelle. Es ist eher ein komplettes Missverständnis bezüglich der Aufgabe einer Behörde, die in Arth diese Fälle hervorbringt. Mein Mandant wurde einer Straftat beschuldigt, die er nicht einmal theoretisch erfüllen kann. Mir scheint, dass alle Belege und Antworten eines Gesuchstellers in Arth nach dem Prinzip «was können wir ihm sonst noch vorwerfen » untersucht werden und die Vorwürfe dann so diffus gehalten werden, dass man sich gar nicht genau dazu äussern kann. Dies gilt immer dann, wenn sich die Behörde einmal entschieden hat, dass sie eine Person nicht einbürgern will.

«Der gesunde Menschenverstand blieb auf der Strecke»: Patrick Sutter, Anwalt und HSG-Dozent.

Foto: zvg

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