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«Es wird sich zeigen, ob in Zeiten von Corona der grüne Hype anhält»

Der Wahlkampf zu den Kantonsrats- und Regierungsratswahlen sei fad, findet der Schwyzer alt Politiker und Politkenner Toni Dettling.

JÜRG AUF DER MAUR

Täuscht der Eindruck, oder erleben wir einen extrem faden Wahlkampf? Das ist auch mein Eindruck. Es ist mehr eine Materialschlacht als eine politische Auseinandersetzung. Die Parteien rücken Köpfe in den Vordergrund und halten im Übrigen den Ball flach.

Bedauern Sie das?

Ja,klar. Denn die Demokratie lebt von der politischen Auseinandersetzung. Gerade im Wahlkampf ist dies matchentscheidend, weil sonst die Wahlbeteiligung immer mehr zurückgeht. Wo sehen Sie die Gründe für den Nichtwahlkampf? Es gibt wohl verschiedene Ursachen. Ein Hauptgrund ist die technische Entwicklung. Früher traf man sich im Säli und politisierte und informierte sich. Heute holt man sich die Infos im Internet oder tauscht sie via soziale Medien aus. Bei kantonalen Wahlen und Abstimmungen spielt auch das Fernsehen keine so grosse Rolle wie bei nationalen Urnengängen. Kurz, es findet keine breite Debatte statt. Die bisherigen Regierungsräte verweigern aber ihre Mitarbeit wie beispielsweise bei einem Tool wie Smartvote. Auf die Länge wird das nicht mehr möglich sein. Der Druck, dass auch die Regierungsräte Smartvote-Fragen beantworten, wird nach meiner Überzeugung immer mehr zunehmen. Wollen diese Kandidaten nicht einfach weniger Transparenz? Sie wollen mindestens den Ball flach halten. Das zeigt sich schon darin, dass es zwischen der FDP und der SVP zu einem Päckli gekommen ist. Sind für Sie die Regierungsratswahlen also schon gelaufen? Durch die gegenseitige Unterstützung der fünf Kandidaten auf den Listen von FDP und SVP hat sich ein starker Block gebildet mit nicht weniger als vier bisherigen Regierungsräten. Seit 1944 wurde kein wiederkandidierender Regierungsrat abgewählt. Allein schon deshalb gehe ich davon aus, dass die fünf SVP-/FDP-Kandidaten gewählt sind. Sie werden komfortabel über die Runden kommen, zumal der neue SVP-Kandidat Herbert Huwiler weniger polarisiert als der nicht mehr antretende René Bünter. Und die beiden CVP-Kandidaten?

Aufgrund der Parteistärke sehe ich keine Probleme für sie. Beide dürften ebenfalls gewählt werden, nachdem das absolute Mehr im Kanton Schwyz mit einem Vierzehntel aller gültigen Kandidatenstimmen relativ tief angesetzt ist. Ich denke, für die SP-Kandidaten wird es schwierig, in die Regierung gewählt zu werden, zumal sie allein marschieren müssen. Und für die Grünliberalen (GLP), die noch weniger wählerstark sind, gilt das erst recht. Die GLP erreichte bei den letzten Nationalratswahlen im Herbst knapp fünf Prozent Wähleranteil. Das reicht in einer Majorzwahl nicht zum Sitzgewinn.

Im Parlament sieht es anders aus. Kommt es im Kantonsrat zu einem Wechsel der Mehrheiten?

Aktuell ist das Verhältnis 55 Sitze SVP und FDP gegenüber 45 Sitzen für CVP, GLP, SP und Grüne. Ich gehe davon aus, dass die GLP nicht zuletzt dank breiterer Aufstellung in den Gemeinden ihren Anteil erhöhen kann und Fraktionsstärke von mindestens fünf Sitzen erreichen wird. Die Differenz zwischen den beiden politischen Lagern macht zehn Prozent oder fünf, sechs Sitze aus. Das ist nicht viel. Es wird sich zeigen, ob im Zeichen der Corona-Krise der grüne Hype weiter anhält.

Wer wird unter dem Wachstum der Grünliberalen leiden? Wohl eher SVP und FDP als die CVP. Das haben auch die jüngsten Wahlen in Uri oder St. Gallen gezeigt. Die Mitte, also die CVP, hat sich gut behauptet. Denn die SVP ist national nicht so stark unterwegs wie auch schon und bekundet Mühe, ihre ohnehin rückläufige Wählerschaft zu mobilisieren. Aber es ist durchaus möglich, dass die FDP ebenso Sitzverluste hinnehmen muss. Auch die Frauenfrage spielt eine Rolle.

Inwiefern?

Die Parteien haben die Frauenkandidaturen hierzulande lange vernachlässigt. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Nicht weniger als 113 Frauen kandidieren auf den Listen aller fünf Parteien. 1972, bei der Einführung des Frauenstimmrechts, traten im Kanton Schwyz nur gerade 38 Frauen an. Die Frauenfrage ist nicht nur ins Zentrum gerückt, sie ist eine Bewegung geworden. Auch der doppelte Pukelsheim hilft den Frauen. Wieso denn sollte das Wahlverfahren eine Rolle spielen? Das zeigen die Zahlen: Die Frauenkandidaturen haben seit der Einführung des doppelten Pukelsheim stark zugenommen. Das hat damit zu tun, dass die Parteien in immer mehr Gemeinden antreten. Je mehr Listen, desto mehr Frauenkandidaturen. Damit kommt mehr Bewegung ins Wahlgeschehen, was über kurz oder lang auch zu mehr Frauensitzen führen wird. Wie sieht es mit der Stimmbeteiligung aus, wenn der Wahlkampf so fad ist? Beim letzten Mal 2016 betrug die Wahlbeteiligung noch gut 37 Prozent. Diese lag damit im Kanton Schwyz 16 Prozent unter dem eidgenössischen Wahlgang 2015. Weil bei kantonal- schwyzerischen Wahlen die Beteiligung erfahrungsgemäss dem Trend bei den eidgenössischen Wahlen folgt, dürfte sie beim kommenden Urnengang weiter auf etwa einen Drittel zurückgehen.

«Damit kommt mehr Bewegung ins Wahlgeschehen, was über kurz oder lang auch zu mehr Frauensitzen führen wird.»

Toni Dettling

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