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«Ich kann es nicht nachvollziehen»

Der entlassene Generalvikar der Urschweiz, Martin Kopp, vermutet, ihm könnte eine Falle gestellt worden sein.

LUCIEN RAHM

Nachdem sich Martin Kopp, bisheriger Generalvikar der Urschweiz, in einem Artikel der «NZZ am Sonntag» zur bevorstehenden Bischofswahl im Bistum Chur geäussert haben soll, wurde er per sofort entlassen (EA 22/20). Im Interview nimmt der 1946 geborene Theologe Stellung zu den Vorwürfen aus Chur. Wie gehen Sie mit Ihrer abrupten Entlassung um? Ich habe sowieso vorgehabt, mein Amt als Generalvikar der Urschweiz in diesem Sommer niederzulegen. Ich wäre gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen, das länger durchzuhalten. Auch die psychische Belastung ist zuletzt gross geworden, seit der Apostolische Administrator Bischof Peter Bürcher die Geschäfte seinem Mitarbeiter Martin Grichting überlässt. Die ganze Leitung liegt faktisch bei Grichting. Mit ihm war die Zusammenarbeit sehr schwierig. In meinen Kompetenzen wurde ich öfters einfach übergangen. Das heisst, Sie sind eigentlich nicht unfroh über den Entscheid?

Für mich persönlich ist die Entlassung an sich nicht tragisch. Aber es ist natürlich nicht sehr schön, dass ich am Ende meiner 17-jährigen Tätigkeit noch öffentlich disqualifiziert werde. Meine Entlassung halte ich zudem für äusserst kurzsichtig, weil bis im Sommer noch sehr viel Arbeit zu erledigen gewesen wäre, die jetzt liegen bleibt. Mein vorübergehender Stellvertreter Peter Camenzind wird das nicht einfach übernehmen können. Dabei geht es unter anderem um neu zu besetzende Stellen oder Streitfälle, die noch zu entscheiden gewesen wären, mit denen mein Stellvertreter nicht vertraut ist. Können Sie die Begründung für Ihre Entlassung nachvollziehen, Sie hätten sich mit Ihren Aussagen in einem Artikel der «NZZ am Sonntag» illoyal verhalten und gegen die Weisung Bürchers, sich nicht öffentlich zur bevorstehenden Bischofswahl zu äussern, verstossen?

Nein, das kann ich nicht nachvollziehen. Es geht um eine Kleinigkeit. Der «NZZ»-Journalist hat mich zur Initiative der Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr befragt, von der ich keine Ahnung hatte. (Anmerkung der Redaktion: Die Zürcher SP-Regierungsrätin wollte dem Papst via Bundesrat einen Brief zukommen lassen, der mit der Bitte versehen ist, im Bistum Chur für einen Bischof zu sorgen, der den Landeskirchen freundlich gesinnt ist. Fehr verzichtete letztlich darauf). Ich habe im Artikel lediglich gesagt, dass durch Grichting die typisch schweizerische Kirchenverfassung permanent infrage gestellt wird. Das konnte man schon vielfach lesen. Zudem habe ich gesagt, dass Rom erfahrungsgemäss viel eher auf Äusserungen aus der Politik höre als auf Voten aus der Kirche selber. Auch das ist eine generelle Aussage, die sich nicht auf die Initiative von Fehr direkt bezieht, die ich nicht kannte. Das scheint mir eine banale Äusserung zu sein. Stimmt es denn nicht, dass Sie sich eine Intervention der Politik gewünscht hätten und dass die vorgeschlagenen Bischofsanwärter allesamt auf der Linie des emeritierten Bischofs Vitus Huonder und seines Statthalters Martin Grichting seien, wie es im Artikel steht? Diese Aussagen sind reine Fantasie des «NZZ»-Journalisten. Haben Sie erwartet, dass Ihre Aussagen ein Problem werden könnten? Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Es ist gut möglich, dass mir indirekt eine Falle gestellt wurde.

Wie meinen Sie das?

Dazu möchte ich mich nicht näher äussern. Chur hat wohl darauf gewartet, dass ich mich irgendwann verheddern würde. Wurden Sie vor Ihrer Entlassung in Chur angehört? Ich wurde nach Chur zitiert, ohne einen Grund zu wissen. Als ich dann angehört wurde, war schon alles entschieden, und die Dokumente lagen bereit. Ich konnte nur noch auswählen zwischen der Möglichkeit, meine Demission per sofort einzureichen, und jener, sofort entlassen zu werden mit Bekanntgabe an das ganze Bistum. Ich entschied mich für die zweite Variante, weil ich wollte, dass die Bevölkerung der Urschweiz die ganze Wahrheit erfährt. Diese kennt mich gut genug, um sich selber ein Urteil zu bilden. Warum würde man Sie loshaben wollen? Offenbar habe ich mich in der Öffentlichkeit zu oft mit klaren Worten geäussert und auch zu Bischof Huonder gelegentlich einen kritischen Satz gesagt. Das hat man in Chur nicht geschätzt. Eine eigenständige Sicht ist nicht erwünscht. Wie geht es für Sie nun weiter?

Ich werde mich auf meine Arbeit mit den Flüchtlingen und randständigen Jugendlichen in Erstfeld konzentrieren und in der Seelsorge im Kanton Uri mithelfen.

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