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«Das Coronavirus raubt mir nicht die Energie»

«Das Coronavirus raubt mir nicht die Energie» «Das Coronavirus raubt mir nicht die Energie»

Wie geht es einem Musiker in Zeiten der Seuche? Erwin Füchslin hat dabei sehr spezielle Erfahrungen gemacht: Er musste sogar kurz ins Spital.

WOLFGANG HOLZ

Herr Füchslin, der Erreger hält alle Menschen derzeit auf Distanz. Wie empfinden Sie diese Extremsituation als Musiker? Es geht mir zurzeit wie vielen anderen Menschen. Es ist eine aussergewöhnliche Erfahrung mit wechselnden Gefühlen. Existenzängste und auch Hoffnungsgefühle plagen mich. Es werden mir täglich Auftritte und Konzerte, die gebucht und geplant waren, allesamt abgesagt. Das macht schon Angst! Wie schaffen Sie es da, noch Musik zu unterrichten? Auch wir Musiklehrer mussten uns nach Verkündigung der Schulschliessungen per sofort mit dem Online-Unterrichten auseinandersetzen. Ich legte mir vorletztes Wochenende ein Konzept zurecht und begann mit Handy Whatsapp-Kamera-Chat-Unterricht. Da ich eine grosse Klasse mit 34 Musikschülern habe, kam ich auf 6–7 Stunden Unterricht pro Tag. Geklappt hat dieser andere Unterricht recht gut, jedoch kriegte ich am zweiten Tag nach fünf Stunden Nonstop-Handy-Unterricht gesundheitliche Probleme. O je, was ist denn passiert?

Ich hatte immer grössere Schwindelanfälle und machte dann noch zwei Stunden so weiter. Mein Zustand verschlechterte sich immer mehr, sodass ich tags darauf heftigen Dauerschwindel bekam und mich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Die Folge war die Einlieferung ins Spital. Dort musste ich mich dann vier Tage mit einer Entzündung des Gleichgewichtsorgans behandeln lassen. Seit Montag bin ich endlich wieder zu Hause. Ich hoffe, ab nächster Woche wieder für meine Musikschüler da zu sein.

Gute Besserung! Wie geht es denn jetzt weiter? Dankeschön! Ich werde von mir Lernvideos erstellen und diese dann zusammen mit klaren Aufgaben und Anleitungen jedem einzelnen Schüler stufengerecht per E-Mail zukommen lassen. Ebenfalls sollen dann meine Schüler von sich Aufnahmen machen und mir ihre Ergebnisse retournieren. Dann folgt eine Analyse per Telefon, Sprachnachricht und E-Mail-Verkehr. Kann man auf Distanz überhaupt jemandem an einem Instrument etwas beibringen?

Ja, das geht schon, es ist anders und herausfordernd. Ich denke, nach der Krise werden bestimmt an allen Musikschulen landesweit von diesen Unterrichts-Erfahrungen Analysen und Auswertungen gemacht. Hat Sie das Virus musikalisch schon inspiriert – oder raubt einem dieser Erreger die Töne? Nein, er raubt mir nicht die Energie und die Liebe zur Musik. Ich hatte vor, viel zu üben, weitere Stücke zu schreiben und spezielle Stücke für Alphorn zu arrangieren. Jetzt kommt die Gesundheit wieder, und Zeit wird es nun auch geben. An Ideen fehlt es mir nicht. Sie sind ein musikalisches Multitalent und spielen mehrere Instrumente. Welches ist Ihr Lieblingsinstrument? Ein Multitalent bin ich nicht. Ich bin Trompeter, Flügelhornist und spiele noch Alphorn. Das Flügelhorn ist mein Lieblingsinstrument, weil es einen samtig warmen Klang hat. Beim Spielen spüre ich Tiefe und unbeschreiblich schöne Gefühle. Dieses Instrument liegt mir besonders. In Italien singen abgeschottete Menschen von Balkonen, um auf diese Weise ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen. Wäre das auch hier vorstellbar? Das habe ich bereits auch schon gemacht. Ich habe mit meinem Alphorn auf meinem Sitzplatz für meine Nachbarn gespielt und werde es demnächst wieder tun.

Foto: zvg

Erwin Füchslin

Jahrgang: 1967 Wohnort: Gross Beruf: Musiker, Musiklehrer Hobbys: Skifahren Biken, Natur

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