«Dieser Zustand ist auf Dauer nicht menschenwürdig»
In seiner Funktion als Kantonsrat plädiert der Einsiedler Arzt Antoine Chaix für einen anderen Umgang mit den Corona-Massnahmen – explizit für Alters- und Pflegeheime.
VICTOR KÄLIN
Für den Hausarzt Antoine Chaix hat die vom Bundesrat verfolgte Strategie zur Corona-Eindämmung «bisher zwar gut funktioniert ». Allerdings zu einem für ihn hohen Preis: «Sie hat kaum vorstellbare Auswirkungen nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch gesellschaftlicher und biopsychosozialer Art», schreibt er in einer am 7. Mai eingereichten Interpellation «Lockerung des Lockdowns in den Alters- und Pflegeheimen». Die Einschränkungen beträfen zwar alle – «doch vor allem die ältere Generation».
«Ein massiver Verlust an Lebensqualität» Da die betagten Menschen die Bevölkerungsgruppe mit dem höchsten Risiko darstellen, wurden insbesondere in den Altersund Pflegeheimen einschneidende Massnahmen verordnet. Chaix erwähnt ein absolutes Besuchsverbot, das nur unter gewissen Umständen Ausnahmen erlaubt, wie zum Beispiel beim Sterbeprozess – für Chaix ein «massiver Verlust an Lebensqualität für die Senioren». Deshalb fordert er mittels Interpellation, dass im Rahmen der allgemeinen Massnahmen zur Lockerung des Lockdowns «diese nun auch für die Alters- und Pflegeheime evaluiert werden». Für ihn ist der aktuelle Zustand «auf Dauer so nicht menschenwürdig».
«Das wird Auswirkungen auf die Sterblichkeitsrate haben»
In seinem politischen Vorstoss fragt er deshalb die Regierung, wie diese eine allfällige Lockerung des Lockdowns in den Alters- und Pflegeheimen umzusetzen gedenkt und wie der mögliche Fahrplan aussieht.
Der Interpellant ist sich vollauf bewusst, dass «gerade dieser Schritt der Lockerung der anspruchsvollste und heikelste » ist. In seinem politischen Vorstoss formuliert er die Konsequenzen denn auch ungeschönt: «Wenn in den anderen Sparten es lediglich mehr oder weniger ausgeprägte Auswirkungen auf die Ausbreitung des Virus an sich haben wird, wird die Lockerung in den Altersheimen voraussichtlich eine direkte Konsequenz auf die Covid-bedingte Mortalität haben.» «Bewohner sollen selber entscheiden können» Damit die von Chaix geforderte Lockerung umgesetzt werden kann, «müssen die Bewohner, die Heimleitungen und die Bevölkerung gewappnet, vorbereitet und informiert werden». Für ihn ist die vom Bundesrat gewählte Nullrisiko-Strategie letztlich «illusorisch; sie ist zu Recht aufgegeben worden, da die Pandemie uns zu lange begleiten wird, als dass diese Maximalvariante auf die Dauer vertretbar sein kann». Deshalb soll auch jeder Bewohner eines Alters- und Pflegeheimes selber entscheiden können, wie weit er geschützt werden will, wobei diejenigen, die einen möglichst maximalen Schutz weiterhin haben wollen, diesen auch erhalten sollen.
Deshalb erkundigt sich Chaix weiter nach «entsprechenden Ressourcen sowohl in personeller, materieller und kommunikativer Hinsicht». Für ihn ist es zwingend, dass Kranke in den Heimen behandelt und gegebenenfalls palliativ korrekt begleitet werden können, die Wünsche der Bewohner bekannt sowie andere Bewohner, Angehörige und insbesondere auch Bevölkerung darüber informiert werden.
Kantonsrat Antoine Chaix fordert ein Selbstbestimmungsrecht auch für Bewohner von Alters- und Pflegeheimen. Foto: Victor Kälin