«Das Klosterdorf lebt!»
Am Aktionswochenende vom 26. und 27. Juni öffnen über neunzig ortsansässige Betriebe ihre Türen
Unter dem Motto «En starche Gäischt» wird nach der Corona-Zeit ein Ausrufezeichen durch das lokale Gewerbe und die Gastronomie gesetzt. «Wir wollen zeigen, dass es sich lohnt, nach Einsiedeln zu kommen», sagt Raffael Schefer. Der Co-Präsident des Detaillistenvereins Einsiedeln-Ybrig steht Red und Antwort über die Kampagne.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wie kommt es zur Aktion «En starche Gäischt»?
Nachdem wir aufgrund der Corona- Krise in eine Art Schockstarre gefallen waren, wurde bald einmal die Frage virulent: Wie geht es weiter im Klosterdorf? Was passiert jetzt in Einsiedeln? Einsiedeln-Ybrig-Zürichsee (EYZ) AG und Einsiedeln Tourismus haben eingeladen. Dorfmarketing, Gewerbeverein, Detaillistenverein und das Kloster sind denn am 1. April zusammengekommen und haben anschliessend diese Kampagne «En starche Gäischt» kreiert und aus der Taufe gehoben.
Wer macht alles mit?
Es ist zu unterteilen: Der «starchi Gäischt» ist nicht nur eine Aktion, sondern eine Dachkampagne, unter der sehr viele kleinere und grössere Aktionen laufen. Mitunter ein grosser Anlass ist der kommende Aktionstag «Zämä umägäischtere» vom 26. und 27. Juni, an dem sich über neunzig Betriebe beteiligen. Wir haben für die gesamte Kampagne ein Budget in der Höhe von 40’000 Franken, das mehrheitlich von den beteiligten Vereinen und dem Kloster Einsiedeln finanziert wird. Auch der Bezirk Einsiedeln übernimmt einen Teil dieser Kosten. Aus dem Budget werden unter anderem der Aktionstag am Freitag und am Samstag finanziert und weitere Aktivitäten in kultureller und touristischer Hinsicht. Wie sind Sie auf die Idee mit dem Geist gekommen? Wir wollen zeigen, dass wir wieder da sind und dass es sich lohnt, nach Einsiedeln zu kommen, um dort «umezgeischtere ». Mit Geist lässt sich allerhand assoziieren: Der heilige Geist – mit der Verbindung zum Kloster Einsiedeln –, der Dorfgeist, der gute Geist. Wir sind stolz darauf, dass ein so guter, spezieller Geist im Klosterdorf vorherrscht. Und in Einsiedeln gibt es ja in der Tat eine ganze Menge an Geistern … (lacht). Das Klosterdorf lebt! Wieso sagt man im Volk dem Rathaus an der Hauptstrasse Geisterhaus? Keine Ahnung. Ich kann nur sagen, dass wir eine ausgezeichnete Zusammenarbeit mit dem Bezirk Einsiedeln führen. Er hat uns sehr unter die Arme gegriffen und uns unterstützt. Die beantragte Unterstützung für die «Starche-Gäischt-Aktion» war innerhalb eines Tages bereitgestellt, Chapeau!
Stammt das Wort «Gäischt» in der Tat aus dem urtümlichen Einsiedler Dialekt – oder ist das einfach ein Druckfehler? Es ist mir bis anhin noch nicht aufgefallen. Vielleicht könnte man auch «Geischt» sagen? Ob «Gäischt» oder «Geischt»: Hauptsache ist, dass die Leute verstehen, was darunter gemeint ist. Im «Einsiedler Wörterbuch» von Walter R. Kälin ist «Gäischt» allerdings mit Schreibweise «äi» vorhanden. Können Sie abschätzen, welchen Verlust Sie wegen der Corona- Pandemie erleiden? Bei uns dürfte der Ausfall zwischen 30 und 35 Prozent betragen. Aber wir hatten Glück und konnten unsere Produkte ja noch über die Gasse verkaufen. Andere mussten ganz schliessen. Es gab Gastrobetriebe, die haben Speisen auf Bestellung ausgeliefert. Für Kleiderläden wiederum gab es wenig Spielraum: Sie können nur hoffen, dass sie ihre Waren verzögert doch noch an die Frau und an den Mann bringen können – jetzt, wo der Lockdown beendet wurde. Für alle diese Betriebe wollen wir mit dem Aktionstag am Wochenende ein Signal setzen. Finden Sie die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen angemessen? Alles in allem bin ich sehr zufrieden, wie das in unserem Land gelaufen ist. Natürlich haben die Massnahmen einschneidende Folgen für die Wirtschaft nach sich gezogen. Und sicherlich ist es nicht ganz nachvollziehbar, wieso der Zwei-Meter-Sicherheitsabstand für die einen Bereiche gelten soll und für andere nicht. Aber ich bin doch froh, wie gut die Schweiz die Corona-Krise gemeistert hat. Glauben Sie, dass nun alles wieder in die Gänge kommt? Die Entwicklung ist mit Vorsicht zu beobachten. Zaghaft zeichnet sich nun eine Entspannung ab. Auf die Fallzahlen werfe ich jedenfalls aufmerksam täglich einen Blick. Eine zweite Welle wäre verhängnisvoll. Wenn diese eintreffen würde, müsste man davon ausgehen, dass es nie mehr wie früher werden wird. Beobachten Sie eine Entwicklung dahingehend, dass die Läden jetzt viel mehr online verkaufen?
Natürlich ist Online ein Megaboom. Viele Leute haben just gerade in der Corona-Krise zum ersten Mal in ihrem Leben etwas online bestellt – und gemerkt, wie einfach das ist. Also werden sie es auch in Zukunft machen. Für die Läden wiederum ist es nicht so einfach, auf die Schnelle einen Internet-Shop einzurichten. Und für kleinere Kleiderläden ist es illusorisch, gegen die Grossen im Online-Geschäft anzukommen. Ich persönlich stehe neuen Technologien im kleinen Detailhandel eher etwas reserviert gegenüber und frage mich, ob diese nachhaltig sind. Ich glaube, dass es auch wieder einen Gegentrend gibt: Dass es die Kunden schätzen, reelle Begegnungen zu erleben. Und dass sie deswegen wieder lieber in die Läden kommen. Wie haben Sie persönlich die Corona-Pandemie erlebt? Es war eine sehr intensive Zeit, in der einerseits eine Not aufgebrochen ist: Es ging darum, sich schnell zu schützen, der Angst vor einer Ansteckung entgegenzutreten. Andererseits ist auch eine Entspannung durch Entschleunigung eingetreten: Es gab plötzlich neue Freiräume, mehr Zeit, um Neues zu entdecken. Wohin bewegt sich die Welt?
Eine gute Frage (lacht): Wenn man die Zeitungen so liest, fällt es einem wie Schuppen von den Augen. Es verwundert einen, von wem diese Welt geführt wird. Zu hoffen bleibt, dass wir – und damit alle Ethnien miteingeschlossen – in Freiheit bleiben, unsere Meinung zu äussern und in Selbstverantwortung unser Leben zu leben.
Raffael Schefer stellt vor dem «Bären» die Kampagne «En starche Gäischt » vor.
Foto: Magnus Leibundgut