«Der Einsiedler Geist lebt»
Raffael Schefer, Co-Präsident des Detaillistenvereins, zieht eine positive Bilanz zur Aktion «En starche Gäischt»
95 Betriebe haben sich am Aktionswochenende unter dem Motto «En starche Gäischt» dem Publikum vorgestellt. 2000 Leute sind gekommen und haben sich von den reichhaltigen Angeboten inspirieren lassen. «Ein voller Erfolg war diese Aktion», meint Raffael Schefer.
MAGNUS LEIBUNDGUT
War das Dorf am Wochenende von Geistern umzingelt?
Am Freitag war der Publikumsaufmarsch noch etwas verhalten. Vor allem am Samstag herrschte dann ein reger Betrieb – und es waren tolle Geister im Klosterdorf anzutreffen. Ich schätze, dass am Freitag und Samstag etwa 2000 Leute gekommen sind.
Waren auch Fremde unter den Geistern oder sprach die Aktion eher Einheimische an? Es gab einige Auswärtige, die sich spontan dazu entschlossen haben, dem Klosterdorf einen Besuch abzustatten. In jedem Fall habe ich Rainer Maria Salzgeber im Dorf erblickt. Mehrheitlich waren es aber Einheimische, die am Wochenende gekommen sind und von den Aktionen in den Läden profitieren wollten. Können Sie abschätzen, wohin es die Geister vor allem getrieben hat?
Der Publikumsaufmarsch hat sich vor allem an der Hauptstrasse konzentriert, die ja ein tolles Einkaufserlebnis bietet. Auch die Teilnehmer etwas ausserhalb wurden besucht. Naturgemäss sind Betriebe an der Peripherie aufgrund ihrer Lage weniger von allen guten Geistern heimgesucht worden.
Wie fällt Ihre Bilanz über das Aktionswochenende aus?
Es war ein voller Erfolg. Es ist uns gelungen, ein Zeichen zu setzen, zu zeigen, es geht wieder voran, es geht wieder aufwärts. Ein erster Schritt zurück in die Normalität. Dabei konnten und wollten wir nicht ein Fest organisieren. Dieses hätte den Rahmen gesprengt und wäre kaum mit den nötigen Sicherheitsmassnahmen wegen Corona vereinbar gewesen.
Haben diese beiden Tage das Einkaufsverhalten der Kunden nachhaltig geprägt? Nein, das haben sie nicht. Vielmehr haben die Aktionstage das bisherige Einkaufsverhalten gefestigt: Es ging in erster Linie darum, die Beziehung mit den Stammkunden zu pflegen, sich mit ihnen auszutauschen. Wie ist diese Aktion bei den Kunden selber aufgenommen worden? Bei vielen Kunden herrschte grosse Freude vor, die vielen Aktionen wurden sehr geschätzt. Jedenfalls waren die meisten gutgelaunt und erfreuten sich an der Musik und am schönen Wetter. Das Feedback vom Dorfmarketing war, dass es viel mit Einheimischen, aber auch Touristen Kontakt hatte, zum Teil sogar aus dem Ausland. Die Kunden vor Ort haben die Initiative sehr geschätzt und die Zusammenarbeit der Vereine: Das ist bis hin zum Kunden spürbar gewesen. Die Aktion wirkte auf den Kunden sympathisch und willkommen heissend. Haben Sie von Kunden Anregungen, Hinweise, Kritik erhalten? Es gab auch kritische Stimmen: Einige vermissten eine Sperrung der Hauptstrasse. Doch just aufgrund einer solchen Massnahme wären wir gezwungen gewesen, Gästelisten zu führen, wenn sich in einem Sektor der gesperrten Strasse mehr als 300 Leute aufgehalten hätten. Wir wollten ja deswegen gerade kein Fest aus dem Aktionswochenende machen. Das Anliegen, aus der Hauptstrasse eine Fussgängerzone zu machen, ist nicht ganz neu. Der Ball liegt hierzu beim Bezirk. Im Herbst wird zu diesem Thema eine Tagung stattfinden. Im Fokus steht diesbezüglich allerdings weniger eine Sperrung der Hauptstrasse, sondern vielmehr eine Verkehrsberuhigung, auf dass die Autos nicht mehr so schnell in Einbahnrichtung die Strasse rauffahren. Auch die Parkplatzsituation muss beleuchtet werden. Wie war das Echo bei den Betrieben auf das Aktionswochenende?
Von denen, die wir bisher angesprochen haben, sind wir auf eine gute Resonanz gestossen. Es liegt aber auch in der Natur der Sache, dass wir nicht jeden Teilnehmer gleichermassen abholen konnten.
Haben die Betriebe zum Ausdruck gebracht, was ihnen unter den Nägeln brennt? Die Frage habe ich so nicht richtig beantwortet. Auf die Frage zurück zu kommen: Ja, das konnten wir. Wir konnten zeigen, dass das Einkaufen im Dorf den «Gäischt » stärkt, unkompliziert und sympathisch ist. Auch wenn es in der Peripherie vielleicht einfacher ist einzukaufen, dank kostenloser Parklätze. Aber im Dorf hat es einfach mehr Charme. Was ist aus Sicht der Läden zentral, dass die Leute in der Region einkaufen gehen? Es braucht einen guten Mix an Geschäften im Dorfkern, in denen eine spezifische Beratung der Kunden über die Bühne gehen kann. Einsiedeln hat diesen umfassenden Mix an Läden mit einem breiten Angebot. Wichtig sind auch eine gute Erreichbarkeit der Geschäfte und lange Öffnungszeiten.
Allerorten werden Altstädte wegen des Ladensterbens zu Geisterstädten. Was muss Einsiedeln unternehmen, dass es nicht so weit kommt? Einsiedeln sollte von den Erfahrungen profitieren können, die andere Städte wie etwa Wil gemacht haben, in denen die Altstadt verödet ist. Eine lebendige Dorfkerngestaltung ist wesentlich. Und dass Detaillisten und Tourismus aufeinander Bezug nehmen. Flanieren im Dorf steht denn von Samstagmittag bis am Sonntagabend auf dem Programm: Weil dann vor allem die Touristen im Klosterdorf sind.
Aus welchen Gründen sterben Läden, schliessen Betriebe in den Dorfkernen und Stadtzentren?
Einerseits leiden die Läden in den Ortskernen darunter, dass sich das Einkaufsverhalten zu ihren Ungunsten verändert: Die Leute gehen in die Einkaufscenter statt in den Ortszentren einkaufen. Zudem sinkt die Marge der Läden laufend. Der Online- Boom sorgt auch nicht gerade für mehr Laufkundschaft. Deswegen ist der Zeitpunkt schlecht gewählt, um mit Versuchen, die Hauptstrasse komplett und dauernd autofrei zu gestalten, zu experimentieren. Das könnte die Betriebe an der Hauptstrasse in ihrer Existenz bedrohen.
Erkennen Sie bereits Anzeichen einer Veränderung im Dorfkern von Einsiedeln? Die Veränderung wird sichtbar durch eine steigende Zahl an Immobilien- und Versicherungsunternehmen, die anstelle der Läden und Gastrobetriebe Einzug halten. Zudem ist auffällig, dass es Ladenflächen gibt, die frei und unvermietet bleiben, weil kein Geschäft Interesse zeigt, da einzuziehen. Offensichtlich hat Ihre Aktion ins Schwarze getroffen. Lebt der Einsiedler Geist? Der Einsiedler Geist lebt! Im Klosterdorf ist eine Einheit spürbar, eine Gemeinschaft. Dies ist auf ein sehr aktives Vereinsleben zurückzuführen und hat mit den starken Vereinen zu tun, die gut zusammenarbeiten. Einsiedeln unterscheidet sich von anderen seelenlosen Ortschaften darin, dass es von einem gemeinsamen Geist getragen wird. Es kommt gar architektonisch zum Ausdruck: In der Häuserzeile, die sich vom Bahnhof bis zum Klosterplatz erstreckt und das Ganze zusammenhält. Welche nächsten Aktionen unternimmt der Detaillistenverein Einsiedeln-Ybrig? In diesem Jahr sind seitens des Detaillistenvereins keine weiteren Aktionen geplant. Hingegen sind im zweiten Halbjahr seitens Tourismus Einsiedeln Aktionen geplant, die das Kulturleben stärken und fördern möchten. Und weil eben im Klosterdorf alles Hand in Hand geht, sind in kultureller Hinsicht auch die Betriebe, Läden und Gastrounternehmen involviert und integriert.
Ein Apéro als Dank für das Engagement der vielen involvierten Personen. Fotos: Victor Kälin
Raffael Schefer, Co-Präsident des Detaillistenvereins: «Im Klosterdorf ist eine Einheit spürbar, eine Gemeinschaft. Dies ist auf ein sehr aktives Vereinsleben zurückzuführen.» Foto: Magnus Leibundgut
Livemusik im Wunschgärtli an der Hauptstrasse und …
… das Alphorntrio Sihlsee auf dem Klosterplatz.
Lars Kälin seiner mit «Gäischt»-Drohne.
Gemütliche Stimmung, obwohl die Hauptstrasse für den motorisierten Verkehr nicht gesperrt war.