Auf den Dächern von Einsiedeln
Im Klosterdorf freuen sich im Sommer viele über ihre Terrassen in luftiger Höhe
Jede ist anders. Jede hat ihren ganz speziellen Charme. Die Rede ist von den vielen Dachterrassen, die es in Einsiedeln gibt. Unsere Zeitung spazierte über die Dächer im Klosterdorf und schaute sich um.
WOLFGANG HOLZ
«Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein» – mit diesen Zeilen sang sich Reinhard Mey in die Herzen seiner Fans in den 70er-Jahren. Doch die Freiheit fängt eigentlich schon eine Etage tiefer an – über den Dächern einer Stadt. Genauer gesagt: auf den Dächern.
Gemeint sind die vielen Dachterrassen, die es im Klosterdorf gibt – ein besonderes Privileg für alle jene, die keinen Garten mit Terrasse und Rasen vor der Haustüre haben. Dabei wirkt ein Dachgarten beziehungsweise eine Dachterrasse eigentlich noch verlockender als ein Garten – wegen der grenzenlosen Aussicht und der intimen Abgeschiedenheit. Und man muss nicht Rasen mähen und keine Hecken schneiden.
Sandkasten und Tomaten
Der Dachgarten, den Sivasambo Krishnamoorthy auf dem Dach des «Isebähnli» mitbenutzen darf, ist zwar ziemlich klein. Doch der Sri Lanker, der schon seit 1991 mit seiner Familie in der Schweiz lebt, geniesst von hier oben den Blick auf den Bahnhof, Richtung Katzenstrick und Richtung Schanzen. Zwei kleine Sandkästen deuten an, dass hier oben in luftiger Höhe unmittelbar auf dem Kupferdach auch Kinder ab und zu spielen.
Tomatenstöcken und anderem Grünzeug in Blumentöpfen gefällts hier oben prima – und auch die Satellitenschüssel fürs Fernsehen stört hier oben nicht wirklich jemanden. Einzig der Weg auf die Dachterrasse über enge und steile Holzstiegen sowie das beherzte Hochstemmen der Holzluke erfordert eine gewisse Energie, bis man den freien Blick über die Dächer von Einsiedeln geniessen kann.
Da hat es Georg Reding auf seiner Dachterrasse schon etwas bequemer. Da auf das Haus von anno 1876 am Sagenplatz 11 vor Jahrzehnten ein Aufbau erstellt wurde, kann man bequem auf einer breiten Treppe auf die geräumige Dachterrasse gelangen. «Sie müssen allerdings aufpassen, dass Sie sich nicht den Kopf anstossen», warnt der 66-Jährige den Besucher. Unter einem Dach stehen ein Tisch und eine Bank. Auf einem Stuhl daneben hat es sich Kater Charly bequem gemacht und miaut den unerwarteten Gast neugierig an.
«Hier oben essen wir ab und zu», sagt der pensionierte Bauleiter. Von seiner Dachterrasse kann man gut auf den Wochenmarkt hinunterschauen. Die beiden Türme des Klosters im Hintergrund sorgen für eine imposante Kulisse. Schon fast städtisch wirkt das Ambiente. «Wenn man keinen Garten hat, ist so eine Dachterrasse schon etwas Schönes», bekennt der Einsiedler. Einige Büschchen, Blümchen und Bäumchen, die akkurat und grosszügig eingetopft wurden, sowie einige Porzellandekos schaffen hier oben gleichwohl eine Art Gartenatmosphäre. «Meine Frau hängt hier natürlich auch die Wäsche auf, und hin und wieder treffen wir uns hier oben zu geselligem Beisammensein mit Kollegen und Verwandten », erzählt Reding. Echt gemütlich.
Hier ist es ganz lauschig Noch eine Ecke lauschiger, ja exklusiver, gehts ein Haus weiter auf einer Dachterrasse zu. Von keiner Seite aus einzusehen, zeigt einem die Dame des Hauses, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, diese Wohlfühloase – mit einer schicken roten Designerschaukel, verschiedenen Gewächsen, einer schattigen Essecke und einem grosszügigen Cheminée – schon fast mediterran mutet diese Dachterrasse an, auf der es sich bequem und geschützt den ganzen Sommer aushalten lässt.
«Verkehr ist laut» Auch Daniel Kloster freut sich über die Möglichkeit, die Dachterrasse auf dem Haus an der Hauptstrasse mitbenützen zu können. Gleich neben seiner Wohnung führt eine kleine, helle Treppe nach oben – quasi eine schöne Vorahnung auf die viele Sonne auf dem Dach. Die Dachterrasse ist riesig – und einiges Mobiliar steht auf der mit Platten Beton belegten Terrasse: eine urchige Holzbank mit Tisch, ein kleines Rattansofa, eine Halterung für eine Hängematte und ein Grill.
«Ich bin vielleicht einmal im Monat hier oben», sagt der 34-jährige Sekundarlehrer. Jetzt in den Ferien hat er noch mehr Zeit, hier zu sitzen und die tolle Aussicht über die Dächer von Einsiedeln zu geniessen. «An den Wochenenden ist es abends allerdings recht laut hier oben wegen des Verkehrs», sagt der Junglehrer. Andererseits schätzt er das «bitzeli» städtische Feeling bei frischer Luft und unter freiem Himmel. «Es ist übrigens auch cool, von hier oben die Fasnachtsumzüge zu verfolgen», so Koster.
Neue Apéro-Zone Die prominenteste Dachterrasse in Einsiedeln – sprich: die zentralste und auffälligste – ist sicherlich die auf dem Dach des Hotels Sonne. Von dort hat man einen splendiden Blick aufs Kloster und den Klosterplatz – und man fühlt sich hier oben dem Himmel wirklich nahe. Im Augenblick wird die Terrasse umgebaut – bis Ende August soll das Hotelplateau in eine öffentliche Apéro-Zone umgewandelt werden, wie Besitzer Qamil Berisha erklärt. Damit die Gäste unbeschwerlich aufs Dach kommen, wurde auch der Lift erneuert. Berisha: «Es wird hier oben neue Stühle, neue Tische und ein Büffet geben, an dem man ein gutes Glas Wein und Prosecco trinken kann.»
««Wenn man keinen Garten hat, ist so eine Dachterrasse schon etwas Schönes.»
Georg Reding
«Es ist übrigens auch cool, von hier oben die Fasnachtsumzüge zu verfolgen.»
Daniel Koster