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«Ein Tunnelbau würde unser Verkehrsproblem lösen»

«Ein Tunnelbau würde unser  Verkehrsproblem lösen» «Ein Tunnelbau würde unser  Verkehrsproblem lösen»

Stefan Beeler schaut auf ein ereignisreiches Jahr 2020 zurück und blickt voraus: Den 43-jährigen Gemeindepräsidenten von Rothenthurm erwarten wegweisende Projekte. Definitiv werden in Rothenthurm im neuen Jahr die Weichen gestellt für eine erwartungsvolle Zukunft.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Stefan Beeler bittet zum Gespräch im bestens aufgeräumten Gemeindehaus von Rothenthurm: Das Gebäude ist auf tadellosem Stand und reiht sich schlank und rank in eine gut aufgestellte Infrastruktur ein, über welche die Gemeinde Rothenthurm seit Jahren verfügt.

Und nun kommt noch ein Neubau der Primarschule hinzu, der im Herbst eingeweiht wurde und 240 Kindern einen prächtigen Schulraum bietet. Sechs Millionen Franken hat der Bau gekostet. Diesen Kosten zum Trotz hat die Gemeinde Rothenthurm das Jahr 2020 mit einem Gewinn abgeschlossen. Und schafft es zu alledem als einzige Kommune im Kanton Schwyz, auf das kommende Jahr hin den Steuerfuss zu senken – von 170 auf 160 Prozent pro Einheit.

«Man soll in schlechten Zeiten die Bürger entlasten, indem man mit den Steuern hinuntergeht », erklärt Stefan Beeler, Gemeindepräsident in Rothenthurm: Viele würden schliesslich wirtschaftlich unter dem Coronavirus leiden. «Es gilt idealerweise, die Zahlen ausgeglichen zu gestalten», moniert Beeler: Wenn man etwa zu schnell zu tief runter gehe mit dem Steuerfuss, bleibe eben kein Geld mehr in der Gemeindekasse für Infra-strukturvorhaben.

Kauf von St. Anna im Fokus

Auf die Gemeinde kommen derweil weitere Projekte zu: Das 45-jährige Hallenbad soll für drei Millionen Franken renoviert werden (die Vorlage wird im Jahr 2022 vor die Gemeindeversammlung kommen). Bereits in diesem Jahr im Dezember debattieren die Bürger über den Kauf des Alters- und Pflegeheims St. Anna in Steinerberg, das sich im Besitz von Schwestern der Anbeterinnen des Blutes Christi befindet. Die drei Gemeinden Sattel, Steinerberg und Rothenthurm haben vor, das Heim gemeinsam zu kaufen und deren Leitung einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft zu übergeben. Der Anteil, den Rothenthurm zu tragen hätte, würde sich auf einen Betrag in der Höhe von 3,5 Millionen Franken erstrecken.

Auch im Rothenthurmer Schulwesen ist ein Sanierungsprojekt in der Pipeline: Im alten Primarschulhaus sollen die Fassade renoviert und neue Fenster eingesetzt werden. Gerechnet wird mit Kosten in der Höhe von 1,2 Millionen Franken, die Vorlage wird im kommenden Jahr vor die Gemeindeversammlung kommen. Rittlisgatter scheidet Geister

Gleichsam stehen Strassensanierungen auf dem Programm: Die Landstrasse und die Rossbodenstrasse nach Oberägeri müssen erneuert werden.

Wegweisendes steht am 7. März auf dem Spiel: An diesem Tag geht in Rothenthurm eine Urnenabstimmung über die Bühne, an der über das Schicksal der «Abgabe Land Rittlisgatter im Baurecht» entschieden wird.

Eigentlich wollte der Gemeinderat die ganze Parzelle mit drei Interessenten in einem Paket an die Urne bringen. Die SVP stellte allerdings an der Gemeindeversammlung einen Änderungsantrag, das Vorhaben zu splitten, damit die Bürger selbst entscheiden könnten, ob sie allen drei Interessenten das Land im Baurecht abgeben wollen oder nicht. Die SVP begründete dies, dass man damit dem einheimischen Gewerbe auch in Zukunft Gelegenheit gebe, Gewerbebauland zu erwerben. Zum heutigen Zeitpunkt sei es nur ein Rothenthurmer Gewerbler, der sich für eine Parzelle beworben habe: Als entschieden wurde, das Bauland im Baurecht abzugeben, blieb nur noch der Rothenthurmer Philipp Schuler übrig.

Wie kommt beim Gemeindepräsidenten an, dass ihm seine eigene Partei in den Rücken fällt? «Manchmal kommt es eben zu Spannungen zwischen Parteiund Gemeindepolitik», schildert Beeler: «Ortsparteien neigen dazu, in die Politik des Gemeinderates hineinzureden.» Nichtsdestotrotz erkennt der 43-jährige Jurist vor allem Vorteile darin, dass es in Rothenthurm Ortsparteien gebe: Diese würden die Bürger über Vorlagen vorinformieren, Umfragen machen und Kandidaten für den Gemeinderat aufstellen. «Dank einer Parteizugehörigkeit kann auch ein Amtsträger politisch besser eingeordnet werden», gibt Beeler zur Auskunft.

11’000 Autos jeden Tag Sorgen bereitet dem Gemeindepräsidenten die Verkehrssituation in Rothenthurm: Nach wie vor fahren 11’000 Autos täglich über die Hauptstrasse und trennen die Ortschaft in das Unter- und das Oberdorf. Weil der Verkehr weiter zunimmt und vermehrt Lastwagen durch das Dorf donnern, die auf diesem Wege Schwerverkehrsabgaben sparen können, ist eine Besserung nicht in Sicht – zumindest kurzbis mittelfristig.

«Ein Tunnelbau würde unser Verkehrsproblem lösen», konstatiert Beeler: Denn mehr als sechzig Prozent ist Durchgangsverkehr, der idealerweise auf einer Umfahrungsstrasse östlich um den Dorfkern herum geführt werden könnte.

Über einen Planungskredit (der Gemeindeanteil macht einen Betrag in der Höhe von zirka 180’000 Franken aus) werden die Rothenthurmer in etwa zwei Jahren zu befinden haben. Der Tunnelbau wird mindestens 180 Millionen Franken kosten. Davon würde der Kanton Schwyz 85 und die Gemeinde Rothenthurm 15 Prozent übernehmen (was 25 Millionen Franken entsprechen würde). Der Kostenverteiler ist allerdings noch nicht in Stein gemeisselt.

Beeler rechnet mit einer Planungsdauer des Umfahrungsprojekts von zehn Jahren. Während weiteren zehn Jahren würde der Tunnel gebaut werden. In diesem Sinne könnte die Umfahrung frühestens im Jahr 2043 realisiert werden.

Moorschutz statt Waffenplatz

Noch sind aber zahlreiche Hürden zu überwinden, bis es so weit ist: Es könnte Einsprachen und Rekurse geben. Die Möglichkeit besteht, dass es zu einer kantonalen Abstimmung kommt. Im schlimmsten Fall müssten Landwirte enteignet werden. Hinzu kommt, dass auch der Landschaftsschutz aufgrund einer Tunneleinfahrt tangiert würde.

«Absehbar ist, dass auch in Rothenthurm selber mit Widerstand gegen das Umfahrungsprojekt zu rechnen ist», führt Beeler aus: «Denn das Gewerbe, Geschäfte und Restaurants befürchten Umsatzeinbussen, wenn der Grossteil des Verkehrs nicht mehr durch das Dorf geführt würde.» Absehbar ist auch, dass Rothenthurm dank diesem Tunnelbau wieder einmal die Aufmerksamkeit der ganzen Nation auf sich lenken könnte. Wie anno dazumal im Jahr 1987, als das Dorf wegen der Rothenthurm-Initiative in die nationalen Schlagzeilen geraten ist und im ganzen Land bekannt wurde.

Beeler kann sich noch gut an jene Zeit erinnern: «Das Dorf war komplett gespalten. Es kam gar zu Schlägereien.» Es habe eine knappe Mehrheit gegeben, die gegen den Waffenplatz und für den Moorschutz gewesen sei.

Die Auswirkungen der Rothenthurm- Initiative sind bis heute sichtbar im Dorf: «Es kommen dank des Moorschutzes viele Wanderer, Naturfreunde, Spaziergänger und Langläufer zu uns», erzählt Beeler. Auf der anderen Seite werde die Gemeinde bei Bauprojekten wegen des Landschaftsschutzes sehr eingeschränkt. Ein eigener Schlag von Leuten

«Die Rothenthurmer haben einen harten Kopf, sind introvertiert und stolz und sowieso ein ganz eigener Schlag von Leuten», sagt der Gemeindepräsident: Rothenthurmer seien bekannt dafür, dass sie gerne unter sich bleiben und ihr ganzes Leben im Dorf verbringen würden.

«Trotzdem sind die Rothenthurmer offen gegenüber Fremden », gibt der Kantonsangestellte zu bedenken: Nicht zuletzt aus diesem Grunde gelinge die Integration von Neuzuzügern gut im Dorf. Rothenthurm ist sehr gewachsen und hat seine Einwohnerzahl innerhalb von dreissig Jahren mehr als verdoppelt. Vor allem Familien sind neu in das Dorf gezogen. Der Strom von Neuzuzügern hat nicht zu einer Anonymisierung des Dorfes geführt. Das Dorfleben wird gestärkt durch die Existenz von 45 Vereinen, in denen sich eben auch viele Neuzuzüger engagieren.

«Die Kirche ist in Rothenthurm im Dorf geblieben», hält Stefan Beeler fest: «Auch wenn hierzulande, wie an den meisten Orten in der Schweiz, der christliche Glaube zunehmend entschwindet. » In Rothenthurm sei die Welt noch heil. Das komme denn etwa darin zum Ausdruck, dass Jugendliche weniger von Drogenproblemen heimgesucht würden.

Nachtbuben treiben Unfug

Es möge einmal vorkommen, dass Nachtbuben Scherben von zerschlagenen Flaschen auf Spielplätzen zurücklassen würden. «Oder dass Lausbuben die Geschwindigkeitstafel in der Altmatt abänderten, um den Gemeindepräsidenten zu ärgern», lacht Beeler.

Dabei hat Rothenthurm in der Vergangenheit schon ganz andere Zeiten erlebt: «Noch in den 50er-Jahren waren die Leute im Dorf mausarm, bevor die Industrialisierung neue Arbeitsplätze in Fabriken geschaffen hat», stellt der Jurist fest: «Aber die Rothenthurmer waren schon damals innovativ und haben Wege entdeckt, ein Auskommen zu finden. » So haben Dorfbewohner damals Torf gestochen und als Heizmaterial nach Wädenswil verkauft. Oder Eis gewonnen und dieses in den Güterzug verfrachtet. Schliesslich gab es damals noch kaum Kühlschränke.

Kalt ist es derzeit in Rothenthurm ausreichend genug, so dass viel Schnee im Dorf liegt: Zahlreich drehen Langläufer ihre Runden auf den Loipen – dem Coronavirus zum Trotz. Rothenthurm profitiert derzeit vollends vom Langlauf-Boom par excellence.

«Man soll in schlechten Zeiten die Bürger entlasten, indem man die Steuern senkt.» «Ortsparteien neigen dazu, in die Politik des Gemeinderats hineinzureden.» «Die Rothenthurmer haben einen harten Kopf, sind introvertiert und stolz.» «Noch in den 50er-Jahren waren die Leute in Rothenthurm mausarm.»

Stefan Beeler, Gemeindepräsident in Rothenthurm, freut sich über den gelungenen Neubau der Primarschule: Sie wurde im Herbst eingeweiht und bietet 240 Kindern einen Schulraum. Foto: Magnus Leibundgut

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