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Quirlige Gesprächspartner mit viel Wissen und Humor

Quirlige Gesprächspartner mit  viel Wissen und Humor Quirlige Gesprächspartner mit  viel Wissen und Humor

Am Sonntag begleitete ein spannendes Rahmenprogramm die Ausstellung «Leben und Überleben – Einsiedeln 1939 bis 1945» im Chärnehus. Drei Zeitzeugen, die während des Krieges 5 bis 15 Jahre alt waren, erinnerten sich an die besondere Zeit und erfreuten mit ihren spannenden Erzählungen die rund 80 Besucherinnen und Besucher.

WERNER BÖSCH

Nach der Begrüssung durch Markus Staub von der Ausstellungsgruppe Kulturverein Chärnehus stellt Moderator Beat Ruhstaller – Präsident dieses Vereins – seine drei Gesprächspartner vor: Marie Ida «Marei» Kälin (geboren 1936) aus Egg, Margrit Schönbächler (1933) und «Senior » Franz Grätzer (1930), beide aus Einsiedeln. Bald wird klar: Die bevorstehende Stunde wird interessant und lustig zugleich.

* Der bestens vorbereitete Gesprächsleiter lenkt – jetzt wäre ja Fasnachtszeit – auf die so wich-tige «fünfte Jahreszeit» zu. Franz Grätzer spricht von einer eingeschränkten Fasnacht in diesen Jahren, trotzdem sind die Knaben als Hudi und Trychler ausgeschwärmt. Als Brotauswerfer habe er jeweils am Aschermittwoch «gewisse körperliche Beschwerden » gespürt. Für Margrit Schönbächler gab es keine Fasnacht, am Montag war Kirchbesuch angesagt und sie war froh, den Teufeln entkommen und gut daheim in der Hauptstrasse angekommen zu sein. «Die Buben durften Süübloutere kaufen – wie gerne wäre ich ein Knabe gewesen!» In Egg, so Marei Kälin, habe man aus Karton einfache Larven gebastelt, sei damit via Oberegg zum St. Meinrad gezogen. Die Buben bekamen dort Rosoli, nicht wenig davon, was den Heimweg nicht einfacher gestaltete. Im «Rössli» gabs am Abend Tanz.

* Beat Ruhstaller erwähnt die vielen Soldaten im Dorf. Für die damals achtjährige Margrit Schönbächler Normalität. Lag sie am Abend im Bett, zog die Soldatenmusik durchs Dorf und spielte den Zapfenstreich. Die Kinder durften in der Militärküche Suppe holen. Sie schmeckte etwa gleich «grüüsig» wie der wässerige «Gaggo». In der Scheune der Bauernfamilie Kälin in Egg waren etwa 20 Soldaten einquartiert. «Wir suchten Büchsen und ähnliches, was wir als Spielzeuge verwenden konnten. Der Geschmack von Tomaten, Reis und Gumel», so Marei Kälin, «schwebt noch heute in meiner Nase!» Ganz anders erlebte «Knabe Franz Grätzer» diese Zeit. Mit seinen Kollegen führte er Manöver durch, beobachtete die richtigen Soldaten und freute sich am «Militärle». Zur erwähnten Suppe meint er: «Die schmeckte in meiner Rekrutenschule noch ziemlich gleich!» * Nächstes Stichwort: Internierte (=untergebrachte ausländische Militär- oder Zivilpersonen in Kriegszeiten). Polnische Internierte bauten Strassen, unter anderem die Satteleggstrasse, rodeten Wälder oder waren für die Drainage besorgt. Marei Kälin spricht von den Polen oberhalb der Chörnlisegg. Die kamen am Sonntag in die Kirche nach Egg, Kontakt gab es kaum. Franz Grätzer sah im Dorf «ein paar eingesperrte Polen». Margrit Schönbächler spricht die Deutschen im Dorf an. Klar, dass diese nicht immer gerne gesehen waren. «Die Kinder aber», so die rüstige Rentnerin, «mochten wir sehr.» * Der Moderator will wissen, wie es um die Freizeit stand. Gab es die überhaupt? Franz Grätzer: «Und ob! Wir hatten viel Freizeit, waren mit «Chügele» beschäftigt und kletterten auf die Bäume am Alp-Ufer. In Egg mussten die Kinder der Bauernfamilie Kälin auf dem Hof Hand anlegen. «Doch nach dem Heuen erlaubte man uns ein Bad in der Sihl. Dass wir zusammen mit den Buben da waren, fan-den die Klosterfrauen gar nicht toll !» Eine ganz besondere Freizeitbeschäftigung war das Morsen mit Streichhölzern. Not – einmal mehr – scheint erfinderisch zu machen. Auch Margrit Schönbächler war oft in der Alp anzutreffen. A propos Buben: Gemäss Klosterfrauen hätte es diese nicht geben müssen – wenigstens was das gemeinsame Baden betrifft.

* «Was kam dann so auf den Tisch?», will Beat Ruhstaller wissen. Margrit Schönbächler wendet ein, dass dies von den «Märkli» abhängig gewesen sei. Am Morgen etwa Polenta oder Rösti. Zum Znacht Suppe oder mal Spaghetti. Fleisch kam eher wenig auf den Tisch. In Egg, so Marei Kälin, gabs dann und wann Metzgete, aber sie zog Gumel dem fettigen Fleisch vor. Franz Grätzer beklagt sich nicht über das Essen, sein Vater erhielt sogar Zusatzkarten und konnte die Coupons weitergeben. Durch den Pflanzplätz von sechs Aren lernte der Bub das «Gärtnere», das er bis heute noch praktiziert. Ein Festessen war es, wenn man im Kloster ein Suppenhuhn holen durfte. Margrit Schönbächler setzt Festessen mit einem Drei-Minuten- Ei gleich! Und wie freute sie sich, als es nach dem Krieg end-lich wieder Weissbrot zu verzehren gab! * Zum Schluss will der Gesprächsleiter wissen, was die Drei denn aus dieser Zeit gelernt ha-ben. Sie sind sich einig, dass man gelernt hat, auch mit weniger zufrieden zu sein. In der aktuellen Pandemie kommt einem das bestimmt auch zugute. Auch wird erwähnt, dass es Sinn macht, etwas nur dann zu kaufen, wenn man es sich wirklich leisten kann.

Die Stunde im Chärnehus vergeht viel zu schnell. Die drei Zeitzeuginnen und -zeugen ha-ben sich den kräftigen Applaus mit ihren spannenden und humorvoll vorgetragenen Erzählungen und Anekdoten verdient. Ebenso wie das kleine Präsent, das in der Zeit von 1939 bis 1945 wohl vielerorts herbeigesehnt worden ist: ein gluschtiges Stück Trockenfleisch!

Die drei Hauptprotagonisten mit Moderator, von links: Franz Grätzer, Marei Kälin, Beat Ruhstaller und Margrit Schönbächler. Foto: Werner Bösch

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