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«Ich kann weit kommen, wenn ich will»

«Ich kann weit kommen, wenn ich will» «Ich kann weit kommen, wenn ich will»

Rückblick auf seine Skisprung-Karriere: Andreas Schuler (26) im Interview

Vor Kurzem beendete der Rothenthurmer Skispringer Andreas Schuler seine Sportkarriere. 20 Jahre widmete er sich voll und ganz dem Skispringen. Was bleibt einem als Sportler nach so einer langen Zeit? Hat sich die ganze Anstrengung denn gelohnt?

WOLFGANG HOLZ

Herr Schuler, in Planica sind Sie vor ein paar Jahren 209 Meter weit gesprungen. Erinnern Sie sich noch, wie sich das angefühlt hat?

Daran kann ich mich noch ziemlich genau erinnern. Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Es ist schön zu erleben, wie es sich auszahlt, nach so vielem Training eine derartige Leistung erbringen zu können. Und so viel Adrenalin zu spüren. Direkt nach so einem weiten Sprung wähnt man sich in einer anderen Welt. Insbesondere nach dem ersten Sprung über 200 Meter. Sind solche Sprünge das Lebenselixier für einen Skispringer oder wie motiviert man sich 20 Jahre lang, so kühne Sprünge abzuliefern? Solche Sprünge sind sicher das Lebenselixier für einen Skispringer. Dazu gehört auch das gute Gefühl, als Kind zuerst auf ganz kleinen Schanzen begonnen zu haben und dann schliesslich irgendwann von solchen riesigen Schanzen springen zu können.

Was würden Sie denn sagen, waren Ihre grössten Erfolge? Meine Erfolge sind sicher überschaubar. Aber ein paar Erfolge habe ich schon errungen. Zum Beispiel den 24. Platz bei der Weltmeisterschaft in Innsbruck. All die Weltcuppunkte, die ich gewinnen konnte – auch wenn es nicht viele waren. Oder etwa meine Podestplätze im Continental Cup, also eine Stufe unter dem Weltcup. Im tschechischen Frenstat belegte ich beispielsweise den zweiten Platz. Was hat Ihnen am meisten Spass gemacht in Ihrer Sportkarriere?

Dass man merkt, dass sich Anstrengungen auszahlen. Skispringen kann einfach so schön sein. Es macht Spass, als Kind das Skispringen zu erlernen, bis man schliesslich die Kontrolle über weite Sprünge erlangt. Wobei gilt: Je einfacher ein Sprung aussieht, desto besser klappt es mit den Weiten.

Was würden Sie sagen, hat Sie daran gehindert, erfolgreicher zu springen? Der Kopf. Das lässt sich recht einfach sagen. Wenn man den Anschluss an die Weltspitze schaffen will, geht es darum, die Trainingsleistungen im Wettkampf umzusetzen. Das habe ich selten zu 100 Prozent erreicht. Ich habe für dieses Problem auch keine Lösung gefunden. Wobei sich bei mir im Kopf immer so eine Art Überkontrolle eingestellt hat, mittels derer ich alles extrem richtig zu machen versuchte. Im Training ist es mir dagegen immer gelungen, lockerer drauf zu sein und technische Details besser umzusetzen.

Sie sagen, Sie seien ein sehr kopflastiger Springer gewesen. Warum ist das ein Nachteil? Das ist nicht so einfach zu erklären. Ich habe letztendlich nie so richtig das Rezept gefunden, mentale Energie im Wettkampf entsprechend erfolgreich nutzen zu können – um etwa den Punkt x, den man sich als Ziel gesetzt hat, auch dann im Wettkampf als Punkt x auch tatsächlich zu erreichen. Welchen Anteil, würden Sie sagen, hat mentale Stärke am sportlichen Erfolg? Wenn man sich die entsprechende technische Basis im Skispringen erworben hat und sich im Weltcup damit zeigen kann, ist die mentale Stärke entscheidend, um letztendlich erfolgreich sein zu können. Konkret heisst das, dass man sich bei den Sprüngen beispielsweise nicht aus der Ruhe bringen lässt. Dass man das Adrenalin besser für den Wettkampf nutzen kann. Spitzenspringer können, wenn es gilt, sicher auch dank ihrer mentalen Stärke noch eine Schippe drauflegen.

Was hat Ihnen unterm Strich die Erfahrung einer 20-jährigen Sportkarriere gebracht? Wenn man es genau nimmt, bin ich seit meiner Kindheit insgesamt 20 Jahre lang von der Schanze gesprungen. Die letzten zehn Jahre waren dann eher im Spitzensport angesiedelt. Mein Fazit ist durchaus positiv: Man lernt, sich einen Durchhaltewillen anzueignen, sich entsprechend zu organisieren und erwirbt eine Teamfähigkeit. Die ist wichtig im Leben. Ich habe unterm Strich extrem viel positive Energie erlebt und aus meiner Sportkarriere mitgenommen. Würden Sie sagen, die ganze Anstrengung, die Verletzungen haben sich gelohnt?

Wie gesagt, unterm Strich waren meine Erlebnisse positiv, auch wenn nicht immer alles so gelaufen ist, wie es hätte sein können. Was bringt einem der Wettkampfsport fürs Leben? Disziplin, Durchhaltewillen, Persönlichkeit. Denn es braucht schon einiges an Engagement, es etwa im Weltcup weiterzubringen. Ich habe gelernt, dass ich weit kommen kann, wenn ich will. Sie wollen sich nun intensiv Ihrem Studium der Wirtschaftspsychologie widmen. Das hört sich sehr interessant an. Aber warum Psychologie? Hat Wirtschaft nicht einfach nur etwas mit Arbeit, Fleiss, Ideen und Geld zu tun? Ja, aber die Psychologie gehört auch noch dazu. Denn es geht ja vor allem um den Menschen in der Arbeitswelt. Ich beschäftige mich in meinem Studiengang unter anderem damit, dass sich Menschen in der Arbeitswelt gesund bewegen können. Mich interessiert, wie man Arbeitsplätze optimal gestalten kann, damit Menschen optimal arbeiten können. Und wie sehen Ihre künftigen Lebensträume aus – mit 26 Jahren steht Ihnen die Welt ja noch ziemlich offen? Es sind eher kleine Träume: Ich möchte ein erfülltes Berufsleben haben. Familie. Und natürlich auch weiterhin viel Sport treiben. Als Allrounder. Mit Biken, Langlauf, Tennis und Unihockey.

«Der Kopf. »

Andreas Schuler

Die Kunst des Fliegens: Anmutig schwebt Andreas Schuler durch die Lüfte über Planica. Foto: zvg

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