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«Irgend einmal kann man nichts mehr ausziehen»

«Irgend einmal kann man nichts mehr ausziehen» «Irgend einmal kann man nichts mehr ausziehen»

Michel Guggisberg arbeitet als Bauführer auf dem Willerzeller Viadukt. Ein Gespräch über Sonne, Regen und Kälte.

VICTOR KÄLIN

Bullenhitze oder Eiseskälte?

Ganz klar die Kälte. Sowohl für die Arbeit als auch privat. Anziehen kann man immer etwas; doch irgendeinmal ist fertig ausgezogen. Das ist auf Baustellen wirklich ein Thema. Es war heiss den Sommer über. Wie war das, auf dem Viadukt zu arbeiten, wo es weit und breit keinen Schatten gibt? Da muss man unterscheiden. Auf der Baustelle arbeiten im Schnitt 20 Personen; wenn es hoch kommt, sind wir 30. Wir ha-ben Gruppen, die arbeiten vor allem für Belagsarbeiten. Und stehen entsprechend an der Sonne. Ein Teil der Mannschaft arbeitet aber unter dem Viadukt für den Korrosionsschutz. Die hatten immer Schatten. Dafür mussten sie teilweise in Schutzanzügen arbeiten, was auch belastend ist.

Gab es hitzefrei?

Nein, so heiss war es dann doch wieder nicht. In unseren Arbeitsprotokollen müssen wir die Aussentemperaturen notieren. Wir messen also täglich. Die Maximaltemperatur auf dem Viadukt lag bei 34 Grad. Aber natürlich spürten auch wir, dass der Sommer definitiv sehr heiss gewesen war. Doch wenn, was auf dem See oft vorkommt, ein leichtes Lüftchen weht, gerät man schnell in Versuchung, die Hitze zu unterschätzen. Wie verhält man sich angesichts der Sonnenbestrahlung? Sonnenbrand und Dehydration sind die beiden gefährlichsten Begleiterscheinungen. Oberste Priorität hat die richtige Arbeitskleidung. Genügend trinken, eincremen und Sonnenkäppli sowie eher leichte Nahrung helfen ebenfalls weiter.

Zudem versuchten wir, die Arbeiten in die kühleren Randstunden zu verlegen – soweit dies gemäss Arbeitsgesetz möglich ist.

Gab es Ausfälle?

Wir hatten wegen der Hitze we-der einen Unfall, noch krankgeschriebene Mitarbeiter. Generell ist man heute auf Baustellen besser sensibilisiert als noch vor wenigen Jahrzehnten. Man achtet sich besser auf das Wetter und nimmt Rücksicht darauf. Ebenso wichtig ist, dass die Mitarbeiter ihre Eigenverantwortung wahrnehmen.

Und wie erging es Ihnen?

Als Bauleiter findet mein Arbeitstag nicht immer nur draussen, sondern oft auch im Auto statt. Doch stehe ich auf dem Viadukt, gilt auch für mich: viel trinken, Sonnencreme und Helm auf. Und wie erholen Sie sich – auf der Baustelle oder nach Feierabend?

Baden ist das A und O zum Abkühlen. Und regelmässig trin-ken. Zu Hause gehe ich oft mit dem Hund oder dem Bike in den Wald. Und da ich auf rund 900 Metern Höhe wohne, ist es in meiner Gemeinde Dicken immer ein bisschen kühler als im Flachland.

Apropos Baden: Auf dem Viadukt ist der Sihlsee immer zum Greifen nah …: Das ist auch genutzt worden. Manch einer hat über den Mittag oder nach Feierabend ein Bad genossen. Ich selbst bin aber noch nicht dazu gekommen. Wo ist Ihre nächste Baustelle nach dem Willerzeller Viadukt?

Als Bauleiter bin ich meistens auf mehreren Baustellen tätig. Im Schnitt sind es jeweils fünf bis zehn Projekte parallel. Eines davon befindet sich in Basel. Dort wird der SBB-Bahnhof einer Totalsanierung unterzogen. Seit vier Jahren arbeite ich auch dort als Bauleiter. Trotz Dauerhitze: Wann ist es schöner zum Arbeiten: Im Sommer oder im Winter? Im Frühling und im Herbst (lacht). Foto: Victor Kälin

Michel Guggisberg

Jahrgang: 1979 Wohnort: Toggenburg Beruf: Bauführer bei der Marty Korrosionsschutz AG (Jona) Hobbys: Hunde und Mountainbike

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