«Mit den steigenden Asyl-Zahlen stossen wir an Grenzen»
Volkswirtschaftsdirektor Andreas Barraud denkt laut über ein drittes Durchgangszentrum nach.
JÜRG AUF DER MAUR
Das Stöhnen über die Asylsituation ist laut. Wie schlimm ist die Lage aus Kantonssicht? Es gilt hier zu unterscheiden. Einerseits sind aufgrund des Ukraine- Kriegs mittlerweile über 71’500 Anträge für den Schutzstatus S von ukrainischen Flüchtlingen gestellt worden. In über 69’000 Fällen wurde der Schutz gewährt. Andererseits sind vom 1. Oktober bis am 20. November knapp 5000 Gesuche im ordentlichen Asylverfahren gestellt worden. Der Kanton hat gemäss Bundesverteilschlüssel zwei Prozent davon zu übernehmen.
Das heisst?
Die Zunahme ist besorgniserregend, denn der Bund geht davon aus, dass bis Ende Jahr nochmals zwischen 4000 und 5000 Asylsuchende in die Schweiz kommen werden. Das sind die rund 400 mehr, als der Kanton Schwyz erwartet? Ja, aber nur ein Teil davon wird bundesseitig den Schutzstatus S erhalten. Wie laut ist der Aufschrei bei den Gemeinden und Bezirken? Finden diese Gehör beim Kanton?
Wir hören und spüren gut, dass viele Gemeinden personell und unterkunftsmässig an ihre Grenzen stossen. Die anfängliche Solidarität mit der Ukraine nimmt kontinuierlich ab. Das zeigt sich etwa bei der Zurverfügungstellung von privaten Unterkünften. Im Frühling 2022 fanden hier rund 80 Prozent der Ukraine-Flüchtlinge Platz. Der Krieg dauert leider immer noch an, und der Ausgang bleibt leider ungewiss. Diverse Eigentümer von Wohnraum wollen diesen nun selber nutzen oder einfach wieder zurückhaben.
Und der Kanton, kommt der auch an seine Grenzen? Wir sind auch dauernd auf der Suche nach geeigneten Objekten für Kollektivunterkünfte. Für den Kanton sind grössere Liegenschaften (zwischen 30 und 100 Plätze) betriebswirtschaftlich besser geeignet, und die Betreuung kann dadurch optimiert werden. Solche konnten ja auf dem Stoos oder mit dem St. Josefsdörfli in Einsiedeln gefunden werden. Ja, und dafür möchte ich mich bei den Verantwortlichen auch bedanken. Bei diesen Objekten sind die Mietverträge mittlerweile aber abgelaufen, diese beiden idealen Objekte stehen zurzeit leider nicht mehr zur Disposition. Ich möchte an dieser Stelle an alle Liegenschaftsbesitzer appellieren, uns mögliche Objekte zu melden oder anzubieten. Ich denke auch an Gebäude in Wohn-, Gewerbe- oder Industriezonen oder auch an Plätze für Containerlösungen. Werden auch Räume in Ausserschwyz im ordentlichen Migrationsverfahren gesucht?
Vor einigen Jahren hatte der Kanton Schwyz fünf dezentrale Standorte, welche als kantonale Durchgangszentren, DGZ, genutzt wurden. Meine Absicht war, diese auf zwei Kompetenzzentren zu reduzieren. Das ha-ben wir auch erreicht, denn heute steht ein DGZ in Biberbrugg und das andere im Degenbalm, Morschach. Die Liegenschaften gehören zwischenzeitlich auch dem Kanton, was uns auch bedeutend günstiger zu stehen kommt.
Alles gut also?
Nein. Wir verfügen in diesen beiden Durchgangszentren über rund 200 Plätze, die Auslastung lag in der Regel zwischen 75 und 85 Prozent – wir verfügten also über eine kleine Reserve. Mit den stark steigenden Zahlen im ordentlichen Asylverfahren stossen wir aber auch hier an die Grenzen. Wir brauchen zusätzliche Plätze und sind darum auch auf der Suche nach weiteren Lösungen. Das kann bedeuten, dass die Kapazitäten in den beiden bestehenden DGZ übergangsmässig ausgebaut – oder dass wir auf einen dritten, temporären Standort ausweichen werden. Nochmals: Kann man sagen, in Ausserschwyz holt der Kanton das Geld, in Innerschwyz stellt er die Zentren auf? Das kann man so sehen oder auch nicht. Fairerweise muss man auch sagen, dass es so gut wie aussichtslos ist, in der Region Ausserschwyz Platz für ein Durchgangszentrum oder eine geeignete Liegenschaft für Kollektivunterkünfte zu finden. Und trotzdem, wir geben nicht auf, auch im äusseren Kantonsteil Lösungen zu finden. Keine Chance also in Ausserschwyz?
Wir haben derzeit von einem Ausserschwyzer Unternehmen ein Angebot auf dem Tisch und auch eines aus dem inneren Kantonsteil. Es geht also auch hier etwas. In Ausserschwyz prüfen wir nun, ob wir dort eine Containerlösung umsetzen können. Diese wäre jedoch für ukrainische Flüchtlinge mit Schutzstatus S gedacht. Wie steht es mit dem Bundesausreisezentrum (BAZ) im Wintersried?
Hier haben wir erwirkt, dass das Plangenehmigungsverfahren PGV seit bald vier Jahren sistiert ist und dass für die Nutzung des temporären Standorts auf dem Glaubenberg die Betriebsbewilligung bis 2025 verlängert wurde. Der Bund will – und muss – aber, verständlicherweise, das neue Asylgesetz umsetzen.
Das bedeutet?
Der Bund verlangt deshalb seit mehreren Jahren,dass ein Bundesasylzentrum, BAZ, nun end-lich auch in der Zentralschweiz zur Verfügung gestellt wird. Er ist zwischenzeitlich aber auch für eine Zwei-Standort-Lösung in der Zentralschweiz bereit. Denn in der kleinräumigen Zentralschweiz zeichnen sich Lösungen für zwei BAZ mit je 170 Plätzen eher ab, als indes einen Standort für ein grosses Objekt mit 340 Plätzen zu fin-den. Die Verhandlungen zwischen Bund und den Zentralschweizer Kantonen sind am Laufen.
Die Verträge für die Unterkünfte für ukrainische Flüchtlinge auf dem Stoos und im St. Josefsdörfli in Einsiedeln seien mittlerweile abgelaufen, sagt Andreas Barraud.
Foto: Jürg Auf der Maur