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Bis zu einem Jahr Wartezeit bei Triaplus

Wie alle Kinder- und Jugendpsychiatrien der Schweiz ist auch Triaplus völlig überlastet. Der Lachner Standortleiter Walter Schoch hat darum eine Prioritätenliste.

Kaum zu glauben: Seit rund drei Jahren wartet ein Märchler Primarschüler mit Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung auf einen Abklärungstermin bei der Fachstelle in Goldau. In einem anderen Fall berichtet eine Mutter, dass ihre Tochter mit Legasthenie erst nach elf Monaten einen Abklärungstermin erhalten habe. Was ist da los?

Vor dem Lockdown gehörte die Kinder- und Jugendpsychiatrie Schwyz Triaplus zu den wenigen Psychiatrien ohne Warteliste. Die Wartezeit betrug nur zwei bis drei Wochen. Auch kurzfristige Terminvergaben seien kein Problem gewesen, wie Chefarzt und Bereichsleiter Jörg Leeners berichtet.

Erste, zweite und dritte Priorität Jetzt fehlen der Triaplus aber überall die Kapazitäten – vor allem die Zahl der jugendlichen Patienten ist explodiert. Sie kommen wegen Suizidgedanken, wegen Depression oder Belastungsstörungen. Das sind Fälle, die meist jahrelange Therapie und Behandlung erfordern. Kinder und Jugendliche mit schweren Problemen, die in Krisenzeiten bis zu dreimal pro Woche Psychotherapie brauchen.

Walter Schoch, Standortleiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie Schwyz in Lachen, sieht sich mangels Psychotherapeuten mit einer Triage konfrontiert. «Zur ersten Priorität zählen alle Fälle, die mit Suizidalität oder selbstverletzendem Verhalten – das kann auch eine Essstörung sein – zu tun haben. Im Notfall erhält man gleichentags einen Termin und da bieten wir auch Nachfolgetermine an», versichert Schoch. Zweite Priorität haben zum Beispiel Schülerinnen und Schüler, die nicht mehr zur Schule gehen oder ein traumatisches Erlebnis hinter sich haben. «Aber auch das sind eigentlich Fälle, die man frühzeitig anschauen müsste.» Dritte Priorität würden Probleme betreffen, die schon seit längerer Zeit bestünden. Etwa, wenn sich ein Kind schlecht konzentrieren könne. «Da verweisen wir jeweils auf die Warteliste. Es ist nicht akut, aber dennoch ist es unbefriedigend, wenn diese Kinder so lange auf einen Termin warten müssen.» Es sei aber ein Fehler, sich aus Angst, keinen Termin zu bekommen, nicht bei der Triaplus zu melden. «Wenn Leib und Leben gefährdet sind, handeln wir selbstverständlich sofort.» Es braucht Psychologen und Psychotherapeuten Ein Problem gemäss Chefarzt Jörg Leeners ist, dass der Beruf des oder der Psychotherapeutin lange einen schlechten Ruf hat-te und aufgrund der langen und teuren Ausbildung und dem vergleichsweise geringen Lohn für viele unattraktiv sei. Erst mit der Corona-Pandemie sei die Akzeptanz gestiegen.

Spätestens jetzt ist allen klar: Es braucht sie, die Psychologen und Psychotherapeuten – und es braucht viel mehr davon. Der Personalbestand bei der Triaplus Schwyz sei im Vergleich zur Vor-Coronazeit um dreissig Prozent aufgestockt worden.

Daneben, dass es schwierig sei, die Fachleute zu finden, sei die Einarbeitung der neuen Angestellten natürlich mit viel Zeit und Aufwand verbunden. «Das geht nicht von heute auf morgen. » Auch ist für den Bereichsleiter wie für viele andere schwer abzuschätzen, ob diese negative Trendwelle anhält. Es müsse aus wirtschaftlicher Sicht gut überlegt sein, bevor neue Leute eingestellt würden. Alles bleibt an Triaplus hängen

Ein anderes Problem, das den Kanton Schwyz im Besonderen trifft, ist, dass wir hier keine niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiatrie haben. «Wir müssen alles selber machen», erklärt Walter Schoch. In Zürich beispielsweise stelle die Kinder- und Jugendpsychiatrie nur die Diagnose – und die Therapie werde dann von Niederlassungen gewährleistet.

Auch Psychotherapeuten gebe es im Kanton Schwyz nur wenige, die selber ebenfalls ausgelastet seien und nur beschränkt Fälle übernehmen könnten. Sobald Medikamente ins Spiel kommen, ist sowieso die Triaplus zuständig.

Ein grosser Vorteil im Kanton Schwyz ist jedoch, dass Triaplus, Schulen und Ärzte eng zusammenarbeiten. «Wir tauschen uns regelmässig aus», sagt Leeners. Die gute Vernetzung und Kommunikation erleichtere das Zusammenspiel und habe zu klaren Abläufen geführt.

Leeners zeigt sich auch mit der Unterstützung des Kantons Schwyz sehr zufrieden: «Man hilft uns, so gut man kann.» So wurde kürzlich eine Adoleszentenstation für 16- bis 23-Jährige in der Klinik Zugersee aufgebaut und die Erwachsenen- und die Kinder- und Jugendpsychiatrien in Altdorf und in Baar zusammengelegt, um Synergien zu schaffen. Zudem sei geplant, das AdoAssip-Präventionsprogramm, ein Projekt der Universität Zürich, das sich Jugendlichen nach einem Suizidversuch widmet, zu unterstützen.

Mehr sozial-emotionale Probleme Erste Anlaufstelle für Eltern, Lehrpersonen und Schulen ist die Abteilung Schulpsychologie des Kantons Schwyz. Auch hier berichtet Lukas Bucher, Leiter der Abteilung, von einer hohen Arbeitsbelastung: «Dies hat sich mit der Pandemie noch leicht verschärft.» Es sei aber nicht so, dass es grundsätzlich zu langen Wartezeiten komme. Aufgrund eines Personalmangels in Innerschwyz seit vergangenem Sommer sei es dort vereinzelt zu längeren Wartezeiten gekommen. «Es hatte dennoch jede Schule durchgehend eine Ansprechperson », betont Bucher. Aufgesucht werde der schulpsychologische Dienst etwa bei Konzentrations- oder Verhaltensschwierigkeiten sowie bei Schulleistungsproblemen. «Mit der Pandemie tauchten vermehrt sozial- emotionale Probleme auf – und auch das lange Fernbleiben von der Schule beschäftigt uns vermehrt.» Die Abteilung Schulpsychologie könne eine vertiefte Abklärung, die Teilnahme an Schulgesprächen oder Beratungsgespräche anbieten. Wenn eine Diagnose nötig wird – beispielsweise bei Verdacht auf eine Aufmerksamkeits- oder eine Autismus- Spektrum-Störung – oder die Schulpsychologie offene medizinisch- psychiatrische Fragen hat, kommt Triaplus ins Spiel. «Diagnose ist nicht wichtig»

Was heisst dies nun für die Lehrpersonen, die beispielsweise ein Kind mit Verdacht auf eine Aufmerksamkeits- oder auf Autismus in ihrer Klasse haben, das auf eine Abklärung wartet?

Lukas Bucher: «Im Alltag ist die Förderung des Kindes und nicht eine Diagnose wichtig. Dort hat die Schule viel Spielraum in ihrem Arbeiten.» Individuell könne so auf die speziellen Bedürfnisse der Kinder eingegangen werden.

«So kann das Warten auf Abklärungsergebnisse, die allenfalls Hinweise für die Förderung und Unterstützungsmassnahmen geben, abgefedert werden. » Bei Fragen seitens der Lehrpersonen oder der Schulen stehe die Abteilung zu Diensten, «um gemeinsam eine Lösung zu finden».

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