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Bensin Hotu – Kein Benzin

Bensin Hotu –  Kein Benzin Bensin Hotu –  Kein Benzin

BRIEF AUS OSTTIMOR

In den vergangenen Tagen waren markant weniger Autos und Motorräder auf den Strassen Dilis unterwegs. Die Bevölkerung ist gezwungenermassen auf die Minibusse umgestiegen, welche weit über den letzten Platz hinaus gefüllt sind. Seit fünf Tagen steht an jeder Tankstelle ein selbstgebasteltes Schild: «Bensin hotu – Kein Benzin». Seither gibt es Benzin nur noch auf dem Schwarzmartk in 1,5-Liter-PET-Flaschen für rund 10 Dollar. Mit jedem Tag schnellt dort der Preis in die Höhe und der Inhalt wird weniger.

Obwohl Erdöleinnahmen weit über 90 Prozent des staatlichen Budgets ausmachen, sitzt der Inselstaat im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen. Das Ölfeld, aus dessen Tiefen bisher die Einkünfte in die Staatskasse sprudelten, ist mitterweilen versiegt. Ausserhalb des Ölsektors fehlt es an einer entwickelten Privatwirtschaft. Die aktuellen Investitionen der Regierung werfen wenig Ertrag ab und die hohe Jugendarbeitslosigkeit widerspiegelt die fehlenden Arbeitsplätze. Schätzungen zufolge wird der Erdölfonds spätestens in 15 Jahren komplett aufgebraucht sein.

Hoffnung weckt ein unberührtes Gasfeld zwischen Osttimor und Australien. Nach einem langen Grenzstreit mit Down Under eröffnet sich mit dem Gas die Perspektive, den drohenden Sturz in den Konkurs abzuwenden. Dafür ist aber eine baldige Erschliessung nötig. Dies ist eine sportliche Herausforderung, denn 15 Jahre sind wenig Zeit in einem Land, wo man mehrere Monate auf eine Unterschrift eines Ministers warten muss.

Unabhängig davon, ob die Erschliessung gelingen wird, ist es zentral, dass der Staat heute geschickt und nachhaltig in die Zukunft investiert. Darauf richtet sich das Portfolio der Weltbank und damit auch mein Auftrag aus: Gemeinsam mit der Regierung werden Projekte im Bildungsbereich und im Privatsektor gefördert: Junge Menschen werden ausgebildet und für sie werden Arbeitsstellen geschaffen. Junge Menschen, die einer existenzsichernden Arbeit nachgehen können, haben eine Perspektive und laufen weniger in Gefahr, sich einer der Strassenbanden anzuschliessen. Während sich meine Arbeit um längerfristige Entwicklungen dreht, bleibt uns kurzfristig derzeit nur eins: Die Ankunft des nächsten Öltankers abzuwarten.

* Die Einsiedlerin Junia Landtwing (*1995) ist ab Mitte März 2023 während zwölf Monaten bei der Weltbank in Dili, Osttimor, stationiert. Dabei ist sie in Entwicklungs- und Aufbauprojekte in den Bereichen Gesundheit und Bildung involviert. Von ihrer Arbeit, ihren Erfahrungen und Erlebnissen berichtet sie hier in mehr oder weniger regelmässigen Abständen.

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