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«Ich könnte ja die Nobelpreis-Medaille nach Einsiedeln mitnehmen!»

«Ich könnte ja die Nobelpreis-Medaille  nach Einsiedeln mitnehmen!» «Ich könnte ja die Nobelpreis-Medaille  nach Einsiedeln mitnehmen!»

Nur wenige Einsiedler haben einen Nobelpreisträger zum Cousin. Einer davon ist Hugo B. Kälin aus der «Linde». Den Kurzbesuch seines Verwandten «Bill» William G. Kaelin hat er für den EA zusammengefasst.

Am 6. Mai schrieb unser Cousin William George Kaelin Jr. meiner Schwester Susanna und mir eine E-Mail, dass er im Juni für drei Tage zusammen mit seiner Freundin Emily in der Schweiz auf Besuch ist und er ihr gerne Einsiedeln zeigen möchte – seine Wurzeln und Herkunft. «I was wondering if you might be free for lunch or a walk. I could bring the Nobel Prize medal of you agree. It might be fun to get a few pictures for the local paper. All the best, Bill.» Des Weiteren schrieb unser Cousin: «Ich könnte die Nobelpreis-Medaille mitbringen – für den Einsiedler Anzeiger. Mein Zug kommt um 10.59 in Einsiedeln an und ich trage einen Indiana Jones Hut – falls du mich nicht mehr erkennst. »

Bewunderung für Paracelsus – Stolz auf die Herkunft

Und so geschah es dann auch: Bill besuchte uns am vergangenen Donnerstag, 22. Juni, zusammen mit seiner Freundin Emily in der Linde. Beim anschliessenden geselligen Lunch erzählte uns Bill über seine Forschungsarbeit und seine Arbeiten als Professor an der Harvard University – er lebt gesund, trinkt wenig, raucht nicht, und ist trotz seiner grossen Auszeichnung sehr bescheiden und bodenständig geblieben. Er erwähnte als erstes den Arzt Paracelsus, den er sehr bewundern würde und der ja wie er aus Einsiedeln stamme.

Auch wenn er selber nicht in Einsiedeln geboren ist, so ist es augenscheinlich, dass er auf seine Herkunft, Wurzeln und Geschichte als Teil der Rütischneider Kälin-Familie sehr stolz ist!

Diese Geschichte beginnt mit unserem Vorfahren Josef August Kälin (1850–1932), dem Ur-ur-Grossvater von Bill – welcher eines der 15 Kinder von Joseph Anton Plazidus Kälin (1816– 1904, genannt Rütischneider von Euthal) war, einer der letzten Flösser der Sihl und Schneider im hinteren Birchli, sozusagen unser Stammvater.

Joseph Augustin Kälin (geboren 1850) war ein Sohn von Joseph Anton Plazidus Kälin und wandertet 1864 nach New York aus. Es war Bills Ur-ur-Grossvater.

Für 100 Franken zu Benziger Brothers nach New York Vom Kolorieren, Falzen und Heften der 30 bis 40 Kinder im Euthaler Schulhaus der Buchbinderei- Filiale im oberen Stock der Gebrüder Benziger (EA 18.05.1865) war Josef Augustin Kälin in Lesen, Schreiben und Rechnen geprüft; für 100 Franken zu Gunsten der Familie wurde Josef Augustin im Alter von 14 Jahren nahegelegt, nach Amerika auszuwandern. Damit aber nicht genug: Josef Augustin sparte Geld, dass auch seine Brüder Heinrich (geboren 1855) und Johann Sigmund (geboren 1858) ebenfalls in die USA ausreisen konnten.

«Back to the roots»

Bills Vater William George Kaelin sen. (1929–2011) besuchte seit Ende der 1970er-Jahre minimal zwei bis drei Mal pro Jahr für mehrere Tage Einsiedeln. Dabei war es ihm wichtig, auch seine Kinder und Nachkommen mit deren Herkunft vertraut zu machen.

Bill erinnerte sich noch gut an seinen ersten Besuch im Jahre 1983, wo wir zusammen gekegelt haben und anschliessend in der Diskothek im Hotel Drei Könige abtanzten. «Time flies», er war damals 25 Jahre alt und der Gewinn eines Nobelpreises lag noch in der Zukunft.

Die Medaille!

«Hast du sie wirklich dabei?», fragte ich ihn bei unserem Tref-fen letzte Woche. Bill griff in seine Shorts und zog tatsächlich die Medaille heraus: «Nobelpreis Medaille William G. Kaelin für Medizin 2019. Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für die Entdeckung molekularer Mechanismen der Sauerstoffaufnahme von Zellen, zusammen mit Gregg L. Semenza und Peter J. Ratcliffe. » Yes, Kaelin are Nobel! Dabei deutete anfangs wenig darauf hin, dass er einmal seine Lorbeeren im Fach Medizin verdienen würde. So wollte Bill eigentlich erst Mathematik, Physik und IT studieren. Aber alleine im Kämmerchen, umgeben von Büchern, wollte er doch nicht sein Leben verbringen. So entschloss sich unser Cousin – geboren und aufgewachsen in New York –, zuerst Chemie und Mathematik an der Duke University in Durham (North-Carolina) zu studieren; anschliessend erhielt er 1982 den Doktortitel in Medizin an der gleichnamigen Universität. Danach arbeitete er als Assistenzarzt am John Hopkins Hospital in Baltimore (Maryland), bevor er als klinischer Onkologe ans Dana-Farber Cancer Institute (DFCI) in Boston, Massachusetts, wechselte. 1992 wurde er am DFCI eigenständiger Forscher und hat seit 2002 eine Professur für innere Medizin an der Harvard University in Boston inne.

Urs Kälin, ein Verwandter?

Bill war verheiratet und hat zwei Kinder. Leider starb seine Frau Carolyn Kaelin 2015 an Krebs. Glücklich und stolz war er, seiner Freundin Emily das Kloster und das Dorf zu zeigen. Der Gang durch Einsiedeln verrät: «Kälin Optik – Werner Kälin Strasse – Kälin everywhere …!» Bill freute sich, seinen Namen überall in Einsiedeln zu lesen und ergänzte, dass er auch immer ganz stolz war, als man ihn in den USA zu seinem Verwandtschaftsverhältnis zum Skifahrer Urs Kälin fragte. Bill freute sich auch über den Likör Meginrat, den Einsiedler Balsam und die Einsiedler Wundsalbe Vulnosan, welche ich für ihn mitgebracht hatte.

Bevor ich Bill nach Zürich zu seinem nächsten Treffen gefahren habe, entschuldigte er sich, dass er der Anfrage für ein zweistündiges Interview für den EA nicht nachkommen könne. Er begründete diesen Entscheid mit dem Hinweis, dass er keine Interviews geben würde, die länger als 20 Minuten dauerten. Zudem müsse er seit seinem Gewinn des Nobelpreises noch mehr Acht geben, was er sage und was an die Öffentlichkeit dringe – Noblesse oblige, sozusagen. Aber er würde dem EA jederzeit für ein Online-Meeting über seine Forschungstätigkeit zur Verfügung stehen. Bevor wir uns verabschiedeten, bat er mich, es ihn unbedingt wissen zu lassen, falls er im Einsiedler Anzeiger Erwähnung finden würde.

Quellenangaben: Bericht im EA 80/19 «Ein ‹Rüti-Schniider› ist Medizin- Nobelpreisträger» von Patrick Schönbächler sowie https:// de.wikipedia.org/wiki/William_G._ Kaelin


Fotos: zvg

Zum Anfassen: Nobelpreis-Medaille William G. Kaelin für Medizin 2019. Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für die Entdeckung molekularer Mechanismen der Sauerstoffaufnahme von Zellen, zusammen mit Gregg L. Semenza und Peter J. Ratcliffe.»

Bills Ur-ur-Grossvater auf der Foto: Joseph Augustin Kälin, Rütischneider von Euthal (links). In der Mitte zusammen mit seiner Cousine Susanna und rechts dankbar für einige Einsiedler Geschenke.

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