«Wir sind viele – und wir sind überall»
Am Samstag ist die Woche der Begegnung der Pfarrei Einsiedeln auf dem Klosterplatz zu Ende gegangen
Die Religionspädagogin Franziska Keller, pastorale Mitarbeiterin in der Pfarrei Einsiedeln, zieht Bilanz über die Begegnungswoche: «Sie war genial – sie hat viele spannende Begegnungen und Gespräche mit Jung und Alt und einen anregenden Austausch aus nah und fern möglich gemacht.»
Welches Fazit ziehen Sie aus der Woche der Begegnungen?
Es war schlicht eine geniale Woche mit vielen schönen Begegnungen mit Leuten aus Einsiedeln und auch von auswärts. Wir sind Menschen auf Augenhöhe begegnet, einige haben ihre ganze Lebensgeschichte erzählt. Gerade junge Familien sind gerne wiedergekommen und haben noch jemanden mitgebracht. Es hat Kreise gezogen. So könnte Kirche funktionieren. Wie ist die Begegnungswoche zustande gekommen? Die Woche der Begegnung ist aus der Familienpastoral der Pfarrei Einsiedeln gewachsen, die den Auftrag gegeben hat, sich zu öffnen, auf Menschen zuzugehen, Begegnung im Glauben zu ermöglichen. Hinausgehen lautet die Devise, mit Begeisterung Glauben und Spiritualität leben – mit der Begegnungswoche haben wir ein ers-tes Zeichen gesetzt.
Welche Highlights hat die Woche der Begegnung ermöglicht?
Gerne möchte ich den Gottesdienst mit Jazz-Mass erwähnen, den die Gospelsingers stimmungsvoll begleitet haben und an dem ich zum ersten Mal in der Jugendkirche gepredigt habe. Hinzu kommt ein Filmabend mit Austausch, an dem eine Folge der Serie «Chosen» über das Leben Jesu im Vordergrund gestanden hat. Überdies gingen eine Ladies Night, ein Männerabend und «Dinieren und Diskutieren» zum Thema «Sinn des Lebens» über die Bühne. Das Programm, das von Markus Keller und Markus Thoma begleitet worden ist, hat ganz verschiedene Leute angezogen. Für alle stand zusätzlich immerzu der Café-Treffpunkt im Piaggio Ape «Church to go» zur Verfügung. Da möchte ich mich noch einmal von Herzen bei den verschiedenen Frauen bedanken, die uns hierbei unterstützt haben. In die Begegnungswoche integriert wurde zudem eine Tiersegnung mit Wallfahrtspater Philipp Steiner auf dem Klosterplatz. Aus welchen Gründen wurde die angedachte Veranstaltung mit Renate Asal-Steger, Präsidentin der RKZ, als Abschluss der «Woche der Begegnung» auf dem Klosterplatz nicht durchgeführt? Der Kirchenpräsident Lorenz Bösch hat zuerst positiv auf den Auftritt von Renate Asal-Steger reagiert – es musste aber natürlich mit der Pfarrei und dem Kloster vereinbart werden. Dann kam das Veto aus dem Klosterdorf: Womöglich war der Zeitpunkt nicht ideal gewählt worden: Man befürchtete wohl, dass es zu früh für eine Veranstaltung mit der RKZ-Präsidentin war. Und dass ein solcher Anlass viele Leute aus der ganzen Schweiz nach Einsiedeln gebracht und grosses Aufsehen erregt hätte. Wie war das Echo der Gläubigen auf die kürzlich bekannt gewordenen 1002 Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche?
Die Missbrauchsfälle waren naturgemäss ein grosses Thema, das viele beschäftigt hat und noch immer tut. Besonders nahe ist mir gegangen, wenn von Missbrauchsfällen Betroffene ihre Geschichte, ihr Schicksal erzählt haben. Wir haben die Missbrauchsfälle insofern aufgefangen, indem wir den Gläubigen die Möglichkeit gegeben ha-ben, ihre Fürbitten – oder Wutzeugnisse – an unser aufgestelltes Holzkreuz zu nageln.
Gab es Mitglieder der Kirchgemeinde, die ihren Austritt aus der Kirche verkündet haben? Oh ja, davon gab es eine ganze Menge. Ich verstehe diese Menschen sehr gut, die nun aus der katholischen Kirche austreten wollen: Die unzähligen Missbrauchsgeschichten haben unermesslich viel Leid über die Opfer gebracht und bedeuten für die Kirche ein wahres Menetekel. Die Kirche wird kleiner werden, sie wird sich durch die ho-hen Austrittszahlen verändern: Die Kirche wird neue Wege gehen müssen – das Schrumpfen lässt ihr gar nichts anderes übrig. Nichtsdestotrotz bin ich den Austrittswilligen mit der Haltung begegnet: Ich bleibe in der Kirche – jetzt erst recht, weil ich verändern, neue Wege gehen möchte. Wäre nun angesichts der grossen Zahl an Austritten ein Zeichen von den Bischöfen wichtig? Wichtig ist nun, auf die Mitglieder der Pfarrei zuzugehen, damit die Leute spüren, dass wir etwas bewegen wollen. Ich brauche nicht nur eine denkende und redende Kirche, sondern eine handelnde. Mein Wort an die Kirchenleitung und Bischöfe: Keine frommen Anleitungen mehr zur Jesusnachfolge. Folgt ihm einfach einmal selbst nach – in aller Konsequenz. Es gibt Kirchgemeinden, die einen Brief nach Rom schreiben mit der Forderung nach Reformen und – neben der lückenlosen Aufdeckung aller Fälle von Missbrauch – einer Beurteilung durch eine Instanz ausserhalb der katholischen Kirche, da innerhalb der Kirche die Gewaltenteilung fehle. Was fordern Sie? Ich fordere längst keine Reformen mehr, die den Vatikan betreffen: Eine Reform kann nur innerhalb einer Pfarrei gelingen. Ich habe die Hoffnung längst aufgegeben, dass der Zölibat fallen könnte oder dass die Frauenordination in der katholischen Kirche eingeführt wird. Von oben werden derlei Reformbestrebungen sicherlich nicht in Angriff genommen werden.
Wieso können sich Mitglieder und Mitarbeiter in der katholischen Kirche nicht offen äussern, was Sache ist? Das ist kein einfaches Unterfangen: Kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich schützen und sich gegenüber der Kirche loyal verhalten. Viele haben denn auch Angst vor einer Kündigung. Immerhin ist man nicht ganz allein in dieser Sache: Es gibt im Bistum eine Ombudsstelle, an die sich Betroffene wenden können: Dort stehen Ombudspersonen für kirchliche Angestellte und freiwillig Engagierte mit Rat und
Warum bleiben Sie in der katholischen Kirche?
Ich habe mir auch schon überlegt zu konvertieren. Aber ich habe hier meine Wurzeln, meine Heimat, und möchte mich trotz viel Ungerechtigkeit und fehlender Gleichstellung trotzdem auf meine Weise, so wie ich berufen bin, weiterhin engagieren. Die katholische Kirche bietet eine breite Palette für die unterschiedlichsten Menschen und die Nachfolge an, und es braucht diese Unterschiedlichkeit. Und wichtig für mich ist: Ich bin nicht alleine. Wir sind viele, die ähnlich denken, fühlen, handeln – und wir sind überall. Da spüre ich Gemeinschaft. Und das stärkt ungemein.
Besteht die Gefahr, dass diese Kirche dann zur Männersekte wird? Das glaube ich nicht – ganz im Gegenteil: Ein Blick auf die Pfarrei Einsiedeln zeigt auf, dass hier neu neun Frauen (exklusive den Religionslehrpersonen) arbeiten – vor 1,5 Jahren war ich noch die einzige im Seelsorgeteam. Natürlich besteht die Gefahr, dass Frauen in Zeiten des Priestermangels zu Lückenbüsserinnen verkommen, welche die Löcher stopfen. Abgesehen davon gibt es auch Frauen, die im theologischen Sinne sehr traditionell sind.
Wie wird sich die Pfarrei Einsiedeln weiterentwickeln?
Wir stecken mitten im Prozess der Neuausrichtung der Pfarrei, die vor vier Jahren in Angriff genommen worden ist. Bereits umgesetzt worden ist die neue Gottesdienstordnung in den Vierteln und im Dorf. Wo wir noch dran sind: Anstelle des Seelsorgerats haben wir neu einen Strategischen Rat, der uns im Seelsorgeteam begleitet, die Willkommenskultur, Diakonie, Spitalseelsorge, unsere Familienpastoral weiterentwickelt. Wichtig ist, Viertel und Dorf vermehrt zu vernetzen – wir sind eine Pfarrei.