Neue Dächer und Gemeinschaften
SEITENBLICK: «FUTURE CITIES»
Das Dach
Das Dach über dem Kopf ist ein Muss zum Schutz vor den Naturgewalten – so haben wir es gelernt. Das Dach bestand früher aus Holz, bedeckt mit Moos, Schilf oder Stroh. Und als es zu oft brannte oder der Sturm es wegtrug, übernahmen Deckungen aus Stein, Schiefer, Blech, gebranntem Ton oder Beton die Aufgabe. In den letzten Jahren erschienen vermehrt Elektrizität produzierende Photovoltaikelemente auf unseren Bedachungen. Mit dieser Technik baute die Schweiz auf ihren Dächern und an Fassaden allein im Jahr 2023 ein halbes Atomkraftwerk an Leistung dazu. Im Abstimmungstext zum «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» erhalten so genutzte Dächer und Fassaden sogar nationale Bedeutung: Sie können das Klima entlasten und als Grundlage lokaler Elektrizitätsgemeinschaften die Energiefreiheit der Einzelnen und der Schweiz insgesamt erhöhen. Die Demokratisierung der Stromproduktion macht gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch den grössten Sinn: so viel Strom wie möglich lokal zu produzieren, lokal zu teilen, und mit höchster Effizienz für Wohnen, Mobilität und Industrie zu nutzen. Unser Bezirk ist dank seiner Lage, seiner Baustruktur und seiner vorhandenen Dächer dafür prädestiniert.
Lokale Elektrizitätsgemeinschaften Schaut man auf die Energiestadt Einsiedeln und vor allem auf die Viertel, sieht man viele Einfamilienhäuser mit Umschwung. Sie sind bestens geeignet für die dezentrale Energieerzeugung. Aber der Zusammenschluss Einzelner zu lokalen Elektrizitätsgemeinschaften ist noch attraktiver, da dadurch am Haus erzeugter Strom direkt mit den Nachbarn geteilt werden kann. Resultate sind sinkende Kosten für die Einzelnen und die Entstehung virtueller Batterien während des Tages, da in der Elektrizitätsgemeinschaft alle Mitglieder verschiedene Verbrauchsund Erzeugungszeiten haben.
Was bisher nur schwierig über Erzeugergemeinschaften in einem Gebäude zu realisieren war, wird nun allgemein möglich: Die lokale Vermarktung der selbst erzeugten Elektrizität über das öffentliche Netz innerhalb eines Quartiers oder einer Gemeinde. Die bestehende Grundversorgerin, im Bezirk Einsiedeln die EKZ, liefert den Reststrom. Eine klare Regelung, die neue lokale Märkte schaffen und vielleicht eine der grössten positiven Wirkungen des Bundesgesetzes über die sichere Versorgung mit erneuerbarer Energie haben wird. So könnten auch interessante zusätzliche Gemeinschaften in den Quartieren oder unter Nachbarn entstehen. Individuelle Mobilität der Zukunft
In der Schweiz und in Europa verbrauchen Heizung und Individualverkehr fast zwei Drittel der noch immer mehrheitlich fossilen Energie. Mit abnehmender Tendenz, auch dank der privaten Kopplung von erneuerbarer Energieerzeugung und dem Übergang zur Elektro-Mobilität. Schon heute ist das Garagendach in der Lage, genug Strom für den durchschnittlichen Mobilitätsbedarf eines Elektroautos in der Schweiz zu liefern. Zusammen mit dem auf dem Hausdach produzierten Strom ist oft der gesamte Energiebedarf des Hauses zu decken. Elektroautos mit 70 bis 100 KWh-Batterien werden die Regel sein. Da Autos meist nur wenige Stunden am Tag unterwegs sind, können sie den bei Sonnenschein gespeicherten Strom für das Haus zur Verfügung stellen oder auch Strom ins Netz zurückspeisen. Dazu braucht es geänderte Rückerstattungsregelungen. Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien liefert auch dafür vorausschauend die Grundlage. In Kombination mit lokalen Elektrizitätsgemeinschaften könnte ein Tsunami der Elektrisierung die Folge sein, und als positive Folge weniger Import von Uran, Öl und Gas. Amazing – von aussen gesehen
Amazing – fantastisch! Das ist die Reaktion von Delegationen aus Singapur und Malaysia, angereist zum Studium der Energie-, Klima- und Wirtschaftspolitik der Schweiz, nachdem sie am Singapore-ETH Centre viel über unser aussergewöhnliches Land erfahren hatten. Sie waren beeindruckt von der Präzision und dem klaren Ziel des vorgeschlagenen Schweizer Gesetzes: von den Speicherkraftwerken in den Alpen (undenkbar auf der flachen Insel Singapur, die nur wenig grösser als der Genfer See ist); vom Potenzial der Gewinnung erneuerbarer Energie auf den Hausdächern und Fassaden (zunehmend genutzt auf indonesischen Dächern, höheres Potenzial an den Fassaden in Singapur, wo mehr als zwei Drittel der Menschen in Hochhäusern leben); besonders aber vom Zusammenschluss zu lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (schwierig in Singapur, in dem in einem sozialen Wohnungsbau-Hochhauskomplex zahlenmässig mehr als die halbe Bevölkerung Einsiedelns wohnt). Dabei wurde mir wieder einmal klar, in welchem Paradies wir eigentlich leben: Das Abstimmungsbüchlein zeigt sachlich Pro und Kontra, an den Strassen stehen Pro- und Kontra-Plakate, in den Medien werden Pro und Kontra offen diskutiert, beide Seiten kommen zu Wort, Abstimmungen finden statt, Referenden können ergriffen werden, schrittweise aber dynamisch nähern wir uns einer von uns selbst gestalteten Zukunft. Das ist direkte Demokratie, manchmal schnell, manchmal langsam, aber langfristig unschlagbar.