«Die Leute in Einsiedeln sind super»
6.05 Uhr: Besprechung mit dem Team im Logistikzentrum. 9.35 Uhr: Die erste Abholungseinladung wird ausgestellt. Marcel Schuler ist 47, wohnt in Einsiedeln und arbeitet seit bald 22 Jahren bei der Post. Er beliefert das Dorf Einsiedeln im Wechsel mit zwei Teamkollegen.
Der Tag eines Pöstlers startet früh: Um 4.40 Uhr klingelt bei Marcel Schuler jeweils der Wecker. «Dann brauche ich zuerst einen Kaffee …», meint er. Den trinkt er mit seiner Frau Maren, die seit einigen Jahren mit ihm aufsteht. «Das finde ich toll und sie geniesst anschliessend noch die Ruhe, bevor unsere Tochter Livia (10 Jahre) aufsteht.» Das frühe Aufstehen fällt ihm eher leicht: «Gegen Ende der Woche wird es aber schon strenger. » In all den Jahren habe er noch nie verschlafen: «Zum Früh-Aufstehen muss man schon der Typ sein.» Er muss auch zugeben, dass er nicht unbedingt früh ins Bett gehe, 10 Uhr werde es meistens: «Am Wochenende mache ich dann aber gerne ein Mittagsschläfchen und schlafe gerne aus – wenn mich unsere Tochter lässt!» Marcel Schuler machte die Ausbildung zum Koch und arbeitete einige Jahre auf dem Beruf. Doch die unregelmässigen Arbeitszeiten gefielen ihm gar nicht und so kam er am 1. Dezember 2002 zur Post. Er fing als Paketbote an und arbeitete sich zum Schichtleiter hoch.
Morgenstimmung im Auto
Mitte Juni begleite ich Marcel Schuler. Um 5.15 Uhr fah-ren wir in Einsiedeln ab. Marcel kann sein Zustellauto nach Hause nehmen, damit er am Feierabend nicht mehr nach Wädenswil muss. Nur um die Ferien sei es manchmal etwas komplizierter, weil das Auto dann in Wädenswil sein müsse. Unterwegs geniessen wir die morgendliche Ruhe auf der Strasse und die schöne Sonnenaufgangsstimmung. In Wädenswil angekommen wird das Fahrzeug parkiert und es gibt einen zweiten Kaffee. Kurz vor 6 Uhr werden aus den Schweizer Paketzentralen die letzten Pakete in Rollboxen angeliefert. Montags um 6 Uhr startet im Logistikzentrum in Wädenswil die Teaminfo, wo es einen Wochenrückblick gibt, heute ist Teamleiter Ruedi Schuler voll des Lobes.
Jedes Paket scannen Dann wird das Auto mit einem Teamkollegen beladen: Zuerst das eine Auto, dann das andere. Jedes Paket wird eingescannt und auf den entsprechenden «Stock» versorgt. So sind die Pakete der Route nach vorsortiert. Unterwegs müssen sie nach jedem abgeschlossenen Stock feinsortiert werden. «Vor allem wenn das Auto voll ist, ist das ganz schön anspruchsvoll!», erklärt Marcel Schuler. Mit der Erfahrung werde man beim Umschichten immer schneller. Und er ergänzt: «Sobald das Auto be-laden ist, bin ich mein eigener Chef und verantwortlich für meine Tour!» Nochmals eine kurze Pause und um 7.55 Uhr geht es dann los.
Heute haben wir 112 Stopps, 169 Sendungen und 3 Abholungen vor uns. Das heisst 112 Mal anhalten, ein- und aussteigen! Mit dem geschalteten Auto fährt die Tour 136, unsere heutige Route, täglich etwa 60 Autokilometer. Marcels Schrittzähler zeigt jeden Tag 15 bis 20 Kilometer an. Um 8.07 Uhr liefern wir das erste Paket an der Alten Etzelstrasse aus. Es ist niemand zu Hause, aber es darf deponiert werden. So geht es den ganzen Tag weiter. Anhalten, Paket fassen, klingeln und wenn möglich in den Milchkasten legen – nur selten sind Privatpersonen zu Hause. Ab und zu braucht es eine Abholungseinladung. Bei Firmenkunden gibt es am meisten Kundenkontakt und da fällt auch der eine oder andere Spruch – man kennt sich ja.
Die Tour führt Marcel zu zwei Haushalten, an welchen drei Abholungen zum Mitnehmen war-ten – ein aussergewöhnliches Bild, wenn ein Pöstler Pakete mitnimmt und nicht bringt. Marcel leert um 11.24 Uhr den My-Post24-Automaten zum ersten Mal und wiederholt das am Feierabend noch einmal – ebenfalls ein eher neueres Angebot der Post, das rege genutzt wird.
Knifflige Einsiedler-Tour Die Touren in Einsiedeln hätten einige knifflige Stellen, meint Marcel Schuler: «Es gibt viele versteckte Eingänge und verwinkelte Gassen. Und eine besondere Herausforderung sind immer die Märkte in der Hauptstrasse! » Oder die Veloprüfung, die am Tag unserer Tour absolviert wird. Auch im Winter sei es oft anspruchsvoll. Sein Fahrzeug ist nicht mit Allrad ausgestattet, aber mit Schneeketten, die er ab und zu braucht. Übrigens: Entgegen dem Klischee hatte er noch keine negative Begegnung mit einem Hund. Und damit sein Rücken noch möglichst lange Pakete herumtragen mag, geht er einmal monatlich prophylaktisch in die Physiotherapie.
Wenn Marcel in Einsiedeln ausliefert, geht er immer um 12 Uhr zum Zmittag nach Hause. Das war auch der Grund, weshalb er vor vier Jahren von der Schichtleitung zurück in die Paket- Zustellung wechselte: «Ich wollte mehr Zeit mit meiner Familie! » Er könne sich aber gut vorstellen, später wieder als Schichtleiter zu arbeiten – oder auch als Briefzusteller, denn körperlich sei die Paketzustellung nicht zu unterschätzen.
Der Montag ist ein eher ruhigerer Tag. Wir machen um 14.35 Uhr Feierabend. Montags ist auch der Tag um zu tanken, das Auto zu reinigen, für die monatliche Fahrzeugkontrolle oder auch die ausführliche Teamsitzung einmal im Monat. Und auch wichtig: die interne Postschulung für neue Angestellte. Auch an «meinem» Tag begleitete uns jemand, der schon ziemlich selbstständig arbeitete, und so konnte Marcel mir möglichst viel über seine Arbeit erzählen. Einsiedeln: 5200 Haushalte und 192’000 Pakete Etwa 150 Personen arbeiten im Logistikzentrum Wädenswil, welches fast das ganze linke Zürichseeufer beliefert – 58 Paket-Zustellbezirke von Kilchberg bis nach Tuggen. Und eben auch Einsiedeln, das sind 2,5 Touren oder 5200 Haushalte. Teamintern wechseln die Touren regelmässig und jedes Teammitglied kennt mehrere Zustellbezirke. An starken Tagen gibt es eine Verstärkungsschicht, die zum Beispiel hilft, wenn nicht alle Pakete ins Fahrzeug passen. Im Dezember sind sogar zusätzliche Fahrzeuge unterwegs.
Die Viertel und das Ybrig werden von Einsiedeln aus mit der sogenannten gemischten Zustellung bedient. Rund 60 Touren verlassen Wädenswil jeden Tag und im Schnitt werden 280 Pakete pro Tour ausgeliefert. Dienstags und Mittwochs ist am meisten auszuliefern, ganz extrem werde es Ende November. Marcel Schuler erzählt: «Ab Black Friday bis Weihnachten ‹räblet› es nur so!» Die Post alleine hat 2022 in der ganzen Schweiz 194 Millionen Pakete verteilt, alleine in der Region Einsiedeln 192’000! «Auch wenn es keine einfache Zeit war, während Corona stieg unser Ansehen enorm und wir wurden richtiggehend mit Kinderzeichnungen überhäuft und erhielten mehr Trinkgeld», erinnert sich Marcel Schuler. Auch die Paketmenge sei damals rapide gestiegen und bewege sich noch immer auf einem höheren Niveau als vor 2020.
Im Schnitt arbeitet Marcel Schuler 43 Stunden pro Woche und hat etwa einmal pro Monat Samstagsdienst. Er arbeitet seit 22 Jahren gerne bei der Post: «Ich kann selbstständig arbeiten, fahre sehr gerne Auto und kann mein eigener Chef sein. Das Schönste am Job ist jedoch das Zustellen und der Kundenkontakt. Naturgemäss machen Päckli ja auch mehr Freude als Briefe.» Die Menge an Kundenkontakt sei gerade richtig. Nicht zu viel, denn vor allem mit Privaten habe er häufig gar keinen Kontakt.
Privat bestellt er nicht viel – eher seine Frau. Und wenn er seine Heim-Tour habe, stelle er selbstverständlich die Pakete normal zu. Ihm gefällt die Arbeit in seiner Heimat: «Die Leute in Einsiedeln sind super. Man kann miteinander reden und oft nimmt ein Nachbar ein Paket für den abwesenden Empfänger entgegen. Abholungseinladungen sind nämlich für alle aufwendig. »