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«Für den Image-Wandel kämpfe ich nun schon seit 40 Jahren»

«Für den Image-Wandel kämpfe ich  nun schon seit 40 Jahren» «Für den Image-Wandel kämpfe ich  nun schon seit 40 Jahren»

Der Verband Coiffure Suisse will das Image des Coiffeur-Berufs verbessern. Seit Februar und bis 2025 läuft national eine Kampagne. Wir haben mit Iris Sorg, Präsidentin der Schwyzer Sektion, über Vorurteile, höhere Anforderungen und Nachwuchs-Probleme gesprochen.

Sie waren zwölf Jahre Präsidentin des Coiffeur-Verbands Kanton Schwyz, sind dann 2006 zurückgetreten. 2015 übernahmen Sie das Amt der Vizepräsidentin. Jetzt folgt die zweite Runde: 2022 haben Sie das Präsidenten- Amt erneut von Karin Schriber übernommen. Was hat Sie zu diesem «Comeback» bewogen?

Nach vielen Jahren im Vorstand brauchte ich mal eine Pause. Vier Jahre war ich dann gar nicht mehr im Vorstand. Als ich für das Amt der Vizepräsidentin zusagte, stellte ich die Bedingung, nie mehr Präsidentin werden zu müssen. Und siehe da … (lacht). Der Verband und die weitere Entwicklung des Coiffeur-Berufs liegen mir am Herzen, aber ich wünschte mir jemand Jüngeres im Präsidentenamt.

Weshalb hat Karin Schriber das Amt abgegeben? Das war nicht zu erwarten. Sie war ebenfalls zwölf Jahre als Präsidentin tätig. Wir haben uns dann nicht mehr gefunden, die Chemie im Vorstand stimmte nicht. So gab es relativ kurzfristig einen Wechsel. Deshalb musste ich in die Bresche springen.

Die Ausbildung Coiffeuse/Coiffeur EFZ und EBA wurde letztes Jahr einer Totalrevision unterzogen. Was konkret ändert sich mit der neuen Ausbildungsverordnung?

Ab dem neuen Lehrjahr, also ab August, wird es mehr ÜK (Überbetriebliche Kurse)-Tage geben. Lernende wie Lehrbetriebe profitieren davon. Neu werden diese benotet. Damit wird der ÜK aufgewertet. Neu ist auch die komplette Digitalisierung des Schulungsmaterials und dass Englisch in den Berufskunde-Unterricht integriert wird. Da wir immer mehr ausländische Kunden haben, macht es Sinn, Englisch fix ins Lernprogramm aufzunehmen.

Begrüssen Sie alle Änderungen?

Ja, sehr. Die Arbeiten, welche die Lernenden zum Teil an den Teilprüfungen ausführen muss-ten, waren recht technisch und wenig alltagstauglich. Etwas nur für eine Prüfung zu lernen, bringt meines Erachtens nicht viel. In Goldau wurde kürzlich das Schulungslokal umgebaut und neu eröffnet. Warum war das nötig? Mit der neuen Verordnung fallen die Zwischenprüfungen weg, dadurch brauchen wir das Zimmer ab August weniger als vorher. Es lag im Interesse der Schule, dieses Zimmer auch als Schulungs- und Schulzimmer nutzen zu können. Für uns als Verband war wichtig, einen ansprechenden, modernen Raum zu gestalten, wo die Lernenden gerne arbeiten und lernen. Zusammen mit dem Kanton wurde dann ein Projekt ausgearbeitet. Sie arbeiten nun schon seit über 40 Jahren in diesem Beruf. Was packt und motiviert Sie nach all dieser Zeit noch immer, dass Sie jeden Tag gerne zur Schere greifen? Ich finde es einen wahnsinnig spannenden Beruf, der sich permanent weiterentwickelt. Es wird nie monoton, denn jede Kundin, jeder Kunde ist anders. Mir gefällt auch das Zwischenmenschliche. Studien sind zum Schluss gekommen: Ob eine Kundin oder ein Kunde wieder kommt, ist zu 60 Prozent davon abhängig, wie wohl sich diese oder dieser im Salon gefühlt hat, also wie sympathisch ihm oder ihr die Coiffeuse oder der Coiffeur war. Ich habe wunderbare Beziehungen mit vielen meiner Kunden. Es entstehen Freundschaften. Ausserdem bekomme ich mehrmals täglich Dankbarkeit, Freude und Wertschätzung zu spüren. Im Büro ist das sicher anders, da dankt einem selten jemand. Im Vergleich zu manchem Bürojob sieht man auch direkt das Ergebnis seiner Arbeit.

Sind die Anforderungen gestiegen?

Ja, weil die Kundschaft anspruchsvoller geworden ist. Das hat auch damit zu tun, dass die Kundinnen und Kunden heute eine grosse Auswahl haben. Coiffeur-Salons bekommen praktisch nur noch eine Chance. Das muss beim ersten Mal sitzen, sonst wechselt der Kunde zum nächsten Coiffeur. Das ist schade. Von der Chemie und von den Produkten her ist es auch anspruchsvoller geworden. Es wird mehr Wissen vorausgesetzt als früher, weshalb man sich ständig weiterbilden muss. 2006 strich der Bund das Zusatzjahr – die Coiffeur-Lehre ist nun nach drei Jahren beendet. Macht(e) dies aus Ihrer Sicht Sinn? Nein, ich bedaure dies, denn in diesem Beruf braucht es viel Übung. Das Zusatzjahr mit Abschlussprüfung im praktischen Bereich hat viel gebracht. Durch die Verkürzung hat das «Herren-Fach» etwas gelitten und wird heute stiefmütterlich behandelt. Für mich ist klar: Was nicht geprüft wird, wird auch nie ernsthaft gelernt. Was, würden Sie sagen, waren in all dieser Zeit die grössten Veränderungen im Coiffeur-Beruf? Es ist schwieriger geworden, gute Mitarbeitende zu finden. Deshalb ist es so wichtig, Leute selber gut auszubilden. Leider gibt es tendenziell immer weniger Betriebe, die bereit dazu sind. Eine weitere auffällige Veränderung ist, dass der Kundenstamm heute sehr viel grösser sein muss als früher, denn man geht weniger oft zum Coiffeur und wechselt öfters den Wohnort. Im Vergleich zu früher gibt es immer mehr Kleinstbetriebe. Warum ist das so? Ich denke vor allem deshalb, weil es sich zu einer Nebentätigkeit entwickelt hat. Es gibt viele Frauen, die den Beruf gerne ausüben, die aber nicht davon leben müssen. Böse Zungen sagen: Wenn alle vom Einkommen leben müssten, das sie in ihrem Geschäft erwirtschaften, gäbe es nur halb so viele Coiffeur-Betriebe. Das ist schon problematisch, vor allem wenn die Preise zu tief sind. Wie hat sich der Stellenwert des Berufs gewandelt? Für den Image-Wandel kämpfe ich nun schon seit 40 Jahren. Positiv an der Corona-Pandemie war, dass es tatsächlich geholfen hat, den Stellenwert unseres Berufs zu heben. Man vermisste uns und schätzte uns danach deshalb mehr. Grundsätzlich kämpfen wir aber noch immer für ein bes-seres Image.

Was genau ist das Problem?

Ich kann es an meinem Beispiel veranschaulichen: Als Jugendliche wollte ich eigentlich Turn- oder Handarbeitslehrerin werden. Ich hatte gute Noten, war aber etwas schulmüde. Als ich sah, wie lange ich noch die Schulbank drücken müsste, um Lehrerin zu werden, entschied ich mich dagegen. Aus einem Bauchgefühl heraus sag-te ich: Ich werde Coiffeuse. Der Berufsberater fand dann: «Meitli, du kannst doch etwas Besseres machen.» Dieser Spruch ging mir sehr nahe und ist mir bis heute geblieben. Es ist leider immer noch so, dass es im BIZ heisst: Das würde ich nicht machen. Dabei ist es so ein schöner Beruf. Coiffeur zu lernen, nur weil man keinen Plan hat, das funktioniert nicht. In der Regel sind das jene, die noch während der Lehre oder gleich nach der Lehre wieder aufhören. Das ist schade für den Aufwand, den man als Lehrbetrieb betreibt. Das könnte sich ändern: Handwerksberufe werden in Zeiten von KI und Robotern immer bedeutsamer, da sie unersetzbar sind. Das sage ich auch immer. Für Handwerksberufe ist das eine Chance. Es gab einmal eine automatisierte Haube, die das Haare-Waschen übernommen hat, doch das spritzte den einen bis in die Nase (lacht) und verschwand deshalb schnell wieder vom Markt. Hat die Coiffeur-Branche ein Nachwuchsproblem? Ich habe ambivalente Gefühle. Auf der einen Seite ist bedenklich, dass wir im Kanton Schwyz teilweise noch knapp eine Klasse pro Jahrgang zusammenbringen. Vor 30 Jahren konnten wir jeden Jahrgang doppelt führen. Auf der anderen Seite bin ich gar nicht unglücklich, wenn wir nicht mehr so viele Leute ausbilden. Es gab Jahre, in denen wir viel zu viele ausgebildet haben. In dieser Zeit strich uns der Bund die Meisterprüfung, weil er die Jugendlichen unterbringen wollte. Die Qualität hat darunter gelitten. Lieber die gut ausbilden, die wirklich Freude haben und nachher auf dem Beruf bleiben, meine ich, statt, dass es viele sind, die dann aber nachher etwas anderes machen. Wenn es gute Fachleute hat, steigt auch die Wertschätzung. Ist der tiefe Lohn schuld, dass heute so wenige die Ausbildung machen wollen? Liegts an den hohen Anforderungen oder am Druck der Eltern? Alles davon spielt mit. Man arbeitet viel und verdient relativ wenig. Wobei ich immer sage: Wenn man Ausdauer hat und sich voll reinhängt, kann man einen recht guten Lohn haben. Aber man muss etwas dafür tun. Wie gerät man mehr in den Fokus der Jugend?

Das Geschäft muss ihnen gefallen, die Mitarbeitenden möglichst jung sein, damit sie sich wohlfühlen. Gerade bei kleinen Betrieben ist es sehr wich-tig, dass sich das Team gut versteht. Es hilft auch, sich ein Netzwerk aufzubauen und die eigenen Mitarbeitenden zu sensibilisieren. Wichtig, um einen Personalmangel zu verhindern, ist sicher auch, dass man die Lehrlinge behalten kann und weiter fördert.

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