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Die Guggers und das Welttheater

Die Guggers und das Welttheater Die Guggers und das Welttheater

Eine Familiengeschichte über fünf Generationen

Seit 100 Jahren werden die geistlichen Spiele, das Welttheater, auf dem Klosterplatz aufgeführt. Viele Familien vererben den Theatervirus. Eine davon ist die Einsiedler Familie Kälin, Guggers.

Nachdem die 100-jährigen Figuren des Welttheaters – der König, die Schönheit, der Reiche und so weiter – dem Wunsch der Kinder Emanuela und Pablo, noch einmal zu spielen, nicht nachgekommen sind, stellt Emanuela in der aktuellen Inszenierung enttäuscht fest: «Das sinds gsi. Alli Rolle.» Aber Pablo weiss: «Eini fählt no. Gnad.» Darauf der Autor: «Gnad isch doch kei Rolle. Sie isch es Gsetz.» Das sah nicht nur Calderón anders, sondern auch der heute 88-jährige Friedrich Kälin, als er genau diese Rolle – das Gesetz der Gnade – spielte. 1955 unter der Regie von Oskar Eberle und 1960 in der Inszenierung von Erwin Kohlund.

Friedrich Kälin

Neben Werner Oechslin, der 1955 alternierend mit Benno Kälin als das ungeborene Kind auf dem Klosterplatz stand, ist Friedrich Kälin der einzige noch lebende Solist aus der Ära von Oskar Eberle, dem im Museum Fram noch bis zum 27. Juli eine Ausstellung gewidmet ist. Friedel, wie er sich selber nennt, zog schon in jungen Jahren aus beruflichen Gründen von Einsiedeln nach Schwyz, wo er sich bis heute mit seiner Frau Hedy zu Hause fühlt. Seit 62 Jahren wohnt er «auf der schöneren Seite der Mythen», wie die Schwyzer meinen, und genau so lang ist er Mitglied im Jodlerklub «Echo vom Mythen». Vorher ertönte seine Stimme drei Jahre lang im hiesigen Jodlerklub «Alpenrösli». Somit gehört er seit 65 Jahren dem Eidgenössischen Jodlerverband an.

Karl Kälin Mit dem Theatervirus wurde Friedel von seinem Vater infiziert. Karl Kälin war 1930 der erste Einsiedler in der Rolle des Reichen, zu einer Zeit, als für die meisten Hauptrollen noch die routinierteren Laien der Freien Bühne Zürich engagiert wurden. In den ersten beiden Spielzeiten unter Oskar Eberle 1935 und 1937 gab er ebenfalls den Reichen, beide Male dann ohne Konkurrenz aus Zürich. Als Eberle nach dem Zweiten Weltkrieg das Welttheater erneut inszenierte, nämlich 1950 und 1955, amtete er als Chorführerpräsident. Diese Funktion lässt sich mit dem heutigen Spielvolkbetreuer vergleichen, von dem etwas später die Rede sein wird. Karl Kälin war mit Jahrgang 1904 zwei Jahre jünger als Eberle und starb wie dieser allzu früh schon 1956.

Edgar, Markus, Kilian und Mats Kälin

Sein Bruder und damit der Onkel von Friedel war 1937 neben Max Lienert und Paul Kälin zum ersten Mal König. In dieser Rolle brillierte Edgar Kälin von 1950 bis 1965 weitere vier Male, um dann 1970 abzudanken und als Bettler sein Dasein zu fristen. Und auf wen hat Friedel innerhalb der Guggers – so der Übername der Familie – das Theatervirus übertragen? Auf seinen Sohn Markus, der sich im Heimatort des Vaters (und damit auf der wirklich schöneren Seite der Mythen) niedergelassen hat. Er sitzt als Spielvolkbetreuer im Vorstand der Welttheatergesellschaft. Eine Hauptrolle fiel ihm noch nie zu, aber er war 2007 einer der Kälin-Männer, in der diesjährigen Inszenierung wirkt er, wie schon 2013, gleich in mehreren Nebenrollen mit. Bei Markus, der mit seinem Vater im «Echo vom Mythen » mitjodelt, machte das Virus nicht halt, sondern schnappte sich schon vor elf Jahren einen Kälin der vierten Generation. Kilian Kälin ist wie Markus in der Theatergruppe Chärnehus aktiv und jetzt im Welttheater einer der beiden Mondheber. Und dieser Kilian hat für die Fortsetzung der Familientradition und die Zukunft des Welt-theaters schon vorgesorgt. Er wurde vor wenigen Monaten Vater von Mats.

Fotos: zvg


Friedrich Kälin als Gesetz der Gnade, 1960

Karl Kälin in der Rolle des Reichen, 1930

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