Veröffentlicht am

«Bei allen Wettkämpfen herrschte Bombenstimmung»

«Bei allen Wettkämpfen herrschte Bombenstimmung» «Bei allen Wettkämpfen herrschte Bombenstimmung»

Übermorgen Sonntag vor vierzig Jahren wurden in Los Angeles die 23. Olympischen Sommerspiele eröffnet. Mittendrin befand sich der Einsiedler Freistil-Ringer René Neyer. Ein Rückblick auf regionale Teilnehmer.

«Ich wollte bereits im Jahr 1980 in Moskau als Ringer bei den Olympischen Spielen an den Start gehen, leider verpasste ich die Qualifikation mit dem zehnten Rang aber knapp», beginnt René Neyer das Gespräch mit dem Einsiedler Anzeiger. Doch wie startete Neyer seine Ringerkarriere? Sein Vater Cyrill leitete den Ringclub in der Turngruppe in Wädenswil. So ka-men er und sein Bruder Urs zum Ringen. Im Jahr 1975 begann er für Einsiedeln, damals auch eine Gruppe innerhalb des Turnvereins, zu ringen.

Ziel Olympia 1984

Mit dem Ziel, an den Olympischen Spielen im südkalifornischen Los Angeles teilzunehmen, verliess er nach bestandener Lehrabschlussprüfung 1981 die Schweiz in Rich-tung USA. In Colorado Springs trainierte er über drei Monate mit den besten Ringern Amerikas. Schon damals war die Stadt in Colorado für Ringer etwa das, was das nationale Sportzentrum in Magglingen in der heutigen Zeit für die Schweiz ist. Nach seinem USA-Aufenthalt ging es nach der Rückkehr in die Schweiz gleich weiter an die Welttmeisterschaft in Skopje. Das Ziel Los Angeles 1984 wurde aber nie aus den Augen gelassen. Jedes Jahr reiste er ins ungarische Tatabanya und absolvierte dort während drei Wochen ein Trainingsprogramm mit anderen, internationalen Ringern.

Mit dem siebten Rang an den Europameisterschaften im schwedischen Jönköping im April 1984 schaffte er seine erste Qualifikation für Olympia. Ebenfalls qualifiziert wurde Hugo Dietsche.

Die Anreise

Gesamthaft umfasste die Schweizer Delegation 99 Sportlerinnen und Sportler. Darunter bekannte Namen wie Werner Günthör, Markus Ryffel und Cornelia Bürki. Die Anreise mit dem Flugzeug war etwas beschwerlicher als heute, konnten die damaligen Maschinen noch nicht so weit fliegen. Ein Umstieg in New York war notwendig. Untergebracht wurden die Schweizer bei der UCLA, der kalifornischen Universität in Los Angeles (University of California Los Angeles). In Erinnerung blieb dem Ringerleichtgewicht Neyer die Eröffnungszeremonie mit dem Raketenmann. Zudem war auch die Ringerarena ein Highlight. Rund eine Stunde von der Unterkunft weg befand sich dieses rund 20’000 Zuschauerinnen und Zuschauer fassende Stadion. «Bei allen Wettkämpfen herrschte Bombenstimmung», erzählt Neyer noch heute.

Die Wettkämpfe René Neyer startete mit zwei Siegen vielversprechend, eine Medaille lag in Reichweite. Im Kampf um den Einzug in den Halbfinal lag er in Führung, gab diese aber kurz vor Wettkampfende noch preis. Sein ungestümes Draufgängertum wurde ihm diesmal zum eigenen Verhängnis. Mit einem weiteren Sieg belegte er den siebten Rang und durfte ein olympisches Diplom mit nach Hause nehmen. Hugo Dietsche lief es im griechisch-römischen Stil besser und er konnte sich am Schluss die bronzene Olympiamedaille umhängen. Diese wurde auch entsprechend gefeiert. Im Anschluss an ihre Wettkämpfe besuchten die Ringer auch andere Wettkämpfe, darunter die 100-Meter-Läufe.

1988 Olympia Seoul

Nach diesen für ihn erfreulichen Olympischen Spielen war er vier Jahre später in Seoul wieder dabei. Dabei zog er sich im ers-ten Kampf eine Knieverletzung zu, die sich später als Kreuzbandriss herausstellte. Trotzdem biss er sich durch und ver-lor den zweiten Kampf hauchdünn. Nach diesen Spielen trat er auf internationaler Ebene zurück, stand aber als wertvoller Mannschaftsringer noch mit 50 Jahren für die Ringerriege Einsiedeln auf der Matte. 2012 stieg er an den Weltmeisterschaften der Veteranen mit 51 Jahren zuoberst aufs Podest.

Weitere Athletinnen und Athleten an Olympia Hans Birrer wurde mit seinem achten Rang an den Weltmeisterschaften in Clermont-Ferrand bis 82 Kilogramm im freien Stil für die Sommerspiele 1988 selektioniert. Doch so weit kam es nicht, weil bei ihm die Verletzungshexe zum ungünstigsten Zeitpunkt zuschlug. An den nationalen Titelkämpfen 1988 zwang ihn eine Knieverletzung zur Aufgabe. Als Nationaltrainer war er an den Olympischen Spielen 1996 dabei.

Luzia Sahli-Brunner figurierte als Marathonläuferin unter den 100 selektionierten Schweizer Sportlern für die Olympischen Spiele 1988 in Seoul. Sie war eine erfolgreiche Langstreckenläuferin. So gewann sie unter anderem den Züri-Marathon 1986 und 1988. Bei ihrem zweiten Sieg unterbot sie die geforderte Olympialimite um 35 Sekunden. Wegen gesundheitlicher Probleme brachte sie ihre gewohnte Leistung nicht mehr und verzichtete schweren Herzens auf eine Teilnahme.

Martin Müller war in seinem Gewicht bis 62 Kilogramm im freien Stil eine Ausnahmeerscheinung. Mit seinem fünften Platz an den Europameisterschaften qualifizierte er sich für Olympia 1992 in Barcelona. Dort schnupperte er an einer Medaille und dürfte sich noch heute über eine unnötige Niederlage ärgern. Doch als Siebter gewann er ein olympisches Diplom. Nach der zweiten Olympia-Teilnahme 1996 in Atlanta, wo er nach zwei Kämpfen ausschied, beendete er mit 30 Jahren seine internationale Laufbahn. Er war noch mehrere Jahre erfolgreicher Mannschaftsringer und trat 2004 auf nationaler Ebene im Gewicht bis 62 Kilogramm ungeschlagen zurück.

Neyer, der Privatmann In Basel geboren und in Wädenswil aufgewachsen, zog Neyer erst 1987 nach Trachslau. Der gelernte Maurer gründete eine eigene Baufirma. Er hat fünf Söhne, welche alle bei der Ringerriege Einsiedeln aktiv sind. Seine Baufirma hat er unterdessen seinen Söhnen übergeben. Er steht aber dennoch jeden Tag auf den Baustellen. Auf die gewonnene Bronzemedaille im Mannschaftsringen im Jahr 2023 ist er einerseits als Mitglied der Ringerriege Einsiedeln, aber auch als Vater stolz.


René Neyer beim Empfang am Zürich Flughafen.

René Neyer heute und 1984, gekennzeichnet von den Kämpfen. Aufgrund der neuen Matten entstanden Schürfwunden am Kopf.

Share
LATEST NEWS