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«Darauf dürfen wir als Binnenland stolz sein»

«Darauf dürfen wir als Binnenland stolz sein» «Darauf dürfen wir als Binnenland stolz sein»

Lucas Landolt vom Segelclub Sihlsee ist seit November 2023 Präsident von Swiss Sailing. Der neue Präsident von Swiss Sailing freut sich auf kommende, sportliche Herausforderungen, blickt aber auch auf herausfordernde Verbandsstrukturen.

«Im Schweizer Segelsport gab es wohl noch selten ein Jahr, in dem wir so aktiv an drei Grossanlässen beteiligt gewesen sind», freut sich Lucas Landolt. Er muss es wissen, denn der seit acht Jahren in Altendorf Wohnhafte ist Präsident von Swiss Sailing. Schon bald werden auf dem Meer vor Marseille im Rahmen der Olympischen Spiele Paris 2024 die Wettbewerbe aufgenommen. Sieben Mitglieder von Swiss Sailing starten in fünf von zehn Disziplinen. Danach geht es Schlag auf Schlag. In Barcelona ist am America’s Cup mit Alinghi Red Bull Racing eine Schweizer Jacht am Start, dann werden zwei West- und ein Deutschschweizer Boot an der Vendée Globe ihr Glück versuchen. Die Schweiz also definitiv eine Segelnation, wie seit dem Triumph im März 2003 von Alinghi am America’s Cup? Man möchte es gerne meinen.

«Ja, die Schweiz spielt im internationalen Segelrennsport eine Rolle», bestätigt Landolt. «Neben den bereits Erwähnten haben wir noch so viele andere Spitzensegler, Kitesurfer und Windsurfer auf der ganzen Welt am Start. Darauf dürfen wir als Binnenland stolz sein, das ist aussergewöhnlich.» Herr Landolt, war Alinghi 2003 der Eisbrecher für Schweizer Segelerfolge? Es war eine Verkettung von glücklichen, aber auch unglücklichen Umständen. Viele Leute in der Schweiz wurden 2003 zum ersten Mal auf das Segeln aufmerksam. Man dachte, Segeln sei ein Sport nur für Reiche, was aber nicht stimmt. Wir haben über 27’000 Mitglieder bei Swiss Sailing, verteilt auf 150 Clubs und 44 Klassen. Da gehört ja nicht nur Segeln dazu, sondern auch Disziplinen wie Kitesurfing, IQFoil und andere. Wir diskutieren gerade, ob wir Wingfoil aufnehmen wollen. Das sind also alles windgetriebene Sportarten. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Zu unserem Glück waren zu diesem Zeitpunkt die Skifahrer nicht überaus erfolgreich. Plötzlich interessierten sich viele für Alinghi. Heute segeln Leute bei Alinghi mit, die damals als Kinder vor dem Fernseher sassen und mitfieberten.

Was ist danach passiert?

Es wurde eine Sailing Clinic gegründet, die eine «Tour de Suisse» machte. So etwas planen wir auch für nächstes Jahr, wo wir hoffen, von diesem aktiven Segeljahr etwas für die Zukunft mitnehmen zu können. Das Hauptziel ist und bleibt, die Leute auf das Wasser zu bringen und für das Draussen-Sein sowie den aktiven Wassersport zu begeistern. Momentan investieren wir sehr viel Geld, jährlich fast 1,5 Millionen Franken, in den Leistungssport, welcher aber nur ein kleiner Teil des Verbandes ist. Soll das auch zu mehr Mitgliedern führen?

Das hoffen wir natürlich, ist aber nicht unbedingt das primäre Ziel.

Das führt uns zu Anlässen, wie die Optimisten-Regatta, wo wir uns gerade befinden. Wenn Sie so viele junge Segler sehen, muss Ihnen doch das Herz aufgehen?

Absolut. Es ist doch schön, zu sehen, mit welchem Engagement die Jungen dabei sind. Das ist meine Hauptmotivation. Wir haben 2500 Junioren, die mit Herzblut in ihren Booten auf den See gehen. Das ist das Herzstück und die Zukunft von unserem Sport. Man muss aber schon ganz klar sehen, dass der grösste Teil von Swiss Sailing nicht der Sport ist. Es sind die Leute, die in ihrer Freizeit gerne raus auf den See gehen. Wir decken einen ganz grossen Aspekt der Freizeit ab. Was ist denn die Faszination beim Segeln? Sobald der Wind bläst, wollen wir alle raus und segeln (lacht). Man ist miteinander unterwegs. Man kann nach dem Segeln zusammensitzen, sich wohlfühlen und zusammen Seemannsgarn spinnen. Vor allem für die Kinder ist es ganz wichtig, draussen zu sein, weg von den elektronischen Geräten und etwas Sinnvolles tun. Apropos junge Seglerinnen und Segler, alles paletti also?

Nicht ganz. Ich sage immer, bis in Alter von 20 Jahren ist alles super. Im Alter von 20 bis 35 Jahren müssen wir uns im Verband Gedanken machen, war-um wir viele Segler verlieren. Es gibt eigentlich keinen Grund, seine Passion schleifen zu lassen. Wenn man will, kann man weltweit segeln gehen. Ich mache das auch so. Kommen wir zum Verband Swiss Sailing. Wir haben sehr viele Leute, die in den letzten 20 Jahren mit grossem Einsatz unglaublich viel Zeit investiert haben. Das schreckt vielleicht viele Jugendliche ab, als Freiwillige in den Clubs mitzuarbeiten. Die wollen nicht jede freie Minute für einen Segelclub investieren, wie sie es bei ihren Eltern gesehen ha-ben. Diese Erwartungshaltung dürfen wir auch nicht mehr ha-ben. Ich denke, da müssen wir zusammen mit den Clubs neue Modelle finden. Wo sehen Sie Schwierigkeiten?

Ich habe es gerade kürzlich gesehen. Im Vergleich zum Jahr 2012 geben wir für den olympischen Leistungssport dreimal mehr Geld aus, haben aber in den Strukturen nur 15 Prozent mehr Basisausgaben. Die Anforderungen sind wahnsinnig gestiegen, das Umfeld und die Wahrnehmung der Öffentlichkeit sind ganz anders. Wir üben eine infrastrukturstarke Sportart aus. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass wir Zugang zu einem See haben. Seen werden gesperrt, Häfen geschlossen, alles wird in Frage gestellt. So sind wir unter Beobachtung: Wir sind eine Risikosportart auf dem Wasser. Das Material ist schneller und besser geworden, es gibt nicht mehr Platz. Alles ist in stetem Wandel. Immer das Gleiche zu machen und ein anderes Resultat zu erwarten ist eine mögliche Definition von Wahnsinn. Auch sehe ich eine Frischzellenkur des Verbandes als eine meiner Kernaufgaben.

Das heisst?

Ich möchte den Verband eine Stufe weiterführen, die Strukturen infrage stellen. Machen wir noch das Richtige am richtigen Ort mit den richtigen Leuten? Das Umfeld hat sich geändert. Nehmen wir zum Beispiel die Technik. Foils sind ein Thema, alles ist sehr schnell und auch potenziell gefährlicher geworden. Da kommen die nichtprofessionellen Vereinsstrukturen an ihre Grenze. Da ist ein starker Support vom Verband bis hinunter in die Segelclubs wichtig und notwendig. Dort, wo die Kleinarbeit mühsam ist, damit dieser Sport in der aktuellen Art und Weise ausgeübt werden kann.

Wir müssen ein gutes Fundament aufbauen. Wir müssen of-fen sein für Neues und nicht zu konservativ bleiben. Wir haben in der Struktur von Swiss Sailing eine massive Überalterung. Wir brauchen definitiv eine Frischzellenkur. Dafür müssten halt «alte», verdiente Mitglieder in den Vorständen auch mal Platz für Junge machen und sie ernst nehmen. Wir sind grad dran, die Initiative «young officials» zu star-ten. Wir freuen uns natürlich, wenn wir sehen, dass hier eine 15-jährige Schülerin wie Noelia Albisser eine Regatta organisiert, das ist sensationell. Ich wünsche mir, dass ganz viele Junge merken, dass es auch Spass machen kann, allen anderen zu sagen, wies läuft. Wir müssen auch als Verband darauf achten, dass Plätze für Junge offen bleiben. Aber das bedeutet auch, dass die meist männlichen «Silberrücken » im Verband ihre Plätze räumen und den Jungen auch etwas zutrauen. Ich bin jetzt als 47-Jähriger zum Verbandspräsidenten gewählt worden, das ist vielleicht der erste Schritt. Wo steht Swiss Sailing sport-lich gesehen?

Wie gesagt, wir haben sehr gute Athleten in Paris dabei. Da muss die Leistung am Tag x stimmen, das ist «part of the game». Wenn ich die Jugendweltmeisterschaften sehe, wo wir in neun von elf Disziplinen am Start waren, sind wir für die Zukunft gerüstet. Ich war kürzlich an den ILCA-Schweizermeisterschaften. Auch da sind junge Segler mit grossem Potenzial gesegelt.

Lucas Landolt

Geburtsdatum: 23.4.1977 Wohnort: Altendorf Beruf: Unternehmer Fintech und Banking

Sportart: Segeln Club: Segelclub Sihlsee Funktion: Präsident Swiss Sailing seit November 2023

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