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Schwyzerinnen treiben so oft ab wie nie zuvor in den letzten 15 Jahren

Schwyzerinnen treiben so oft ab wie nie zuvor in den letzten 15 Jahren Schwyzerinnen treiben so oft ab wie nie zuvor in den letzten 15 Jahren

171 Abtreibungen nahmen Schwyzerinnen 2023 vor – mehr als doppelt so viele wie vor fünf Jahren. Heutzutage belasten finanzielle Überlegungen die Frauen mehr als früher.

Die Schweiz gehört in Sachen Abtreibung zu den Schlusslichtern: Im internationalen Vergleich werden hierzulande nur sehr wenige Schwangerschaften abgebrochen. Doch die Zahlen stiegen in den letzten Jahren – auch im Kanton Schwyz. 2023 wurden so viele Abtreibungen vorgenommen wie noch nie in den letzten 15 Jahren. 171 Frauen mit Wohnsitz im Kanton beendeten im vergangenen Jahr ihre Schwangerschaft, das sind mehr als doppelt so viele wie noch 2019 (84).

Bei der Triaplus AG in Goldau spürt man ebenfalls eine Zunahme an Beratungen bezüglich ungewollter Schwangerschaft, wie Claudia Bertenghi auf Anfrage bestätigt. Die Gründe für Schwangerschaftsabbrüche sei-en vielfältig und bei jeder Frau individuell. Entscheidend seien aber oft Überlegungen, dass es ein Baby in der momentanen Lebenssituation der Frau nicht so gut hätte, wie sie es sich für ihr Kind wünschen würde. Die Verunsicherung ist grösser

Bertenghi erklärt: «Dabei spielen die finanzielle Situation, die momentane Qualität der Beziehung und gesundheitliche Überlegungen eine zentrale Rolle.» Über die Gründe für die Zunahme in den letzten Jahren kann niemand mit Sicherheit etwas sagen. Die Leiterin der Einzel-, Paar- und Familienberatung sagt aber: «Mehr als in früheren Jahren belasten finanzielle Überlegungen die Ratsuchenden. Es dominiert oft die Frage, ob sie sich ein Kind überhaupt leisten können.» Zudem seien Corona und die nachfolgende Verunsicherung mögliche Gründe für den Anstieg. «Die allgemeine Weltlage mit Klimawandel, Kriegen, Gesamtwirtschaftslage und so weiter wird auch vermehrt thematisiert », so Bertenghi.

Weniger Antibabypillen

Ein weiterer Grund könnten die aktuellen Entwicklungen im Bereich Verhütung sein, wie Sibil Tschudin, Emeritierte Professorin und bis Ende April Leitende Ärztin der Abteilung für Gynäkologische Sozialmedizin und Psychosomatik am Universitätsspital Basel, kürzlich gegenüber CH Media erläuterte. Immer weniger Frauen nehmen die Antibabypille: Bei Paaren, bei denen der Partner und die Partnerin zwischen 25 und 34 Jahre alt sind, setzten 2022 nur 19,5 Prozent auf die Pille, während es 2017 noch 32 Prozent waren. Der kleine Anstieg bei der Spirale (von 6 auf 9 Prozent) vermag den Rückgang nicht aufzuwiegen. Gleichzeitig sind unsichere Methoden wie das Kondom und natürliche Empfängnisverhütung mithilfe von Zyklus-Apps und Verhütungscomputern auf dem Vormarsch.

«Interessant ist in gesamtschweizerischer Hinsicht aber, dass die Zunahme der Schwangerschaftsabbrüche nicht Frau-en zwischen 15 und 19 Jahren betrifft», sagt Bertenghi weiter. Bei dieser jungen Altersgruppe ist eine kontinuierliche Abnahme zu beobachten. «Eine Hypo-these dazu wäre, dass man bei den 15- bis 19-Jährigen sieht, wie die Prävention und Information wirkt.»

Schwangerschaftsabbrüche erst seit 2002 straffrei

In der Schweiz waren Schwangerschaftsabbrüche bis zur Annahme der sogenannten Fristenregelung im Jahr 2002 grundsätzlich illegal. Das Strafgesetz von 1942 liess Abtreibungen nur zu, wenn die Gesundheit der Mutter gefährdet war – in den Kantonen wurde dies jedoch nicht einheitlich interpretiert: Zürich, Genf, Basel-Stadt, Bern und Neuenburg pflegten bereits in den 1970er-Jahren eine liberale Auslegung des Gesetzestextes. In diesen mehrheitlich städtisch geprägten Kantonen galten auch die psychische Gesundheit oder die sozialen Umstände der Frau als massgebend für einen Schwangerschaftsabbruch. In katholischländlichen Kantonen wie etwa Wallis, Uri oder auch Schwyz herrschte zur gleichen Zeit eine restriktive Praxis.

Erst seit 2002 sind Schwangerschaftsabbrüche in der ganzen Schweiz bis zur zwölften Woche straffrei. Geändert wurden die entsprechenden Gesetze im Sinne der Selbstbestimmung der Frau, damit sie end-lich selbst autonom entscheiden kann, was ihren Körper betrifft.

Foto: Wikimedia Commons

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