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Viel Bach, aber nicht nur!

NACHKLANG

An der Marien- und Mauritiusorgel: Mirjam Wagner-Meister, Einsiedeln. Werke von Johann Sebastian Bach, Dieterich Buxtehude, Felix Mendelssohn Bartholdy, Anton Heiller, Louis Vierne und Naji Hakim.

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Dieser Dienstagabend ist einmal mehr ein echter Genuss – auch was die Konzertlänge betrifft. Für mich wird Mirjam Wagner langsam zur Garantin auserlesener, feinfühliger Orgelprogramme. Viel Bach gibt es heute Abend zu hören. Obwohl die Hälfte «J.S. Bach» als Komponist vermerkt, habe ich nicht das Gefühl, einer Bach-Hommage beizuwohnen. Denn die fünf anderen Kompositionen sind so geschickt gewählt und eingebaut, dass die Werke aus Bachs «Orgelbüchlein » inhaltlich zum Leitfaden werden. Beispiel bei Hakims Schlussnummer.

Buxtehude und Mendelssohn, also die älteren Jahrgänge, spielt die Organistin an der Marienorgel, die «modernen » Werke erklingen von der Mauritiusorgel her. Zu «modern » zähle ich auch noch das «Impromptu» von Vierne – 1920er-Jahre.

Doch vor allem haben es mir die Zeitgenossen angetan – der mir bisher unbekannte Naji Hakim und vor allem der mir ebenso wenig bekannte Anton Heiller mit seiner «Tanz-Toccata». Mein spontaner Eindruck: So schön können Dissonanzen klingen! Abgesehen von diesem Tanz der Dissonanzen habe ich nicht das Gefühl, einem Tänzchen zuzuhören, geschweige denn, das Tanzbein zu schwingen. Die eher düster klingende Melodie, die überbordenden Begleitmotive, die jedoch nicht zudecken, packend, dynamisch vielfältig und abwechslungsreich interpretiert, erinnern mich irgendwie an Strawinskys «Le sacre du printemps ». Auch dort geht es um einen seltsamen Tanz… Als Überleitung zum Schlussauftritt dient Bachs «Wer nur den lieben Gott lässt walten». Sehr passend! In «Aalaiki’ssalaam », übersetzt «Friede sei mit dir», thematisiert Naji Hakim die Gewalt im Mittleren Osten. Die Variationen über das libanesische Thema bringen mir weniger bekannte Klänge nahe, oft zauberhaft und doch «von hier», mehrheitlich bringen die Variationen eine wohltuende Klangwelt. Aber nicht nur. Nicht alles ist wohlklingend. Obwohl 2006 komponiert dürfte es wohl genauso zur aktuellen Lage pas-sen. Ein bewegendes bis aufwühlendes, leider aktuelles «Friede sei mit dir» machte den Abschluss des von Mirjam Wagner meisterhaft gestalteten Orgelabends.

René Steiner *

René Steiner schreibt in der Kolumne «Nachklang» seine Eindrücke nieder. Er tut das aus persönlicher Sicht und erhebt dabei keinen Anspruch, auch für andere Konzertbesucher sprechen zu wollen.

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