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«Die Biodiversität ist für die Landwirtschaft zentral»

«Die Biodiversität ist für die Landwirtschaft zentral» «Die Biodiversität ist für die Landwirtschaft zentral»

Die Landwirtschaft ist auf eine intakte Biodiversität angewiesen. Wieso sich die Bauernvereinigung des Kantons Schwyz gegen die Bioversitätsinitiative ausspricht, schildert der Schwyzer Bauernsekretär Franz Philipp.

Just die Bäuerinnen und Bauern sind auf eine hohe Biodiversität und Vielfalt angewiesen. Wieso spricht sich die Schwyzer Bauernvereinigung gegen die Initiative aus?

Die Biodiversität ist für die Landwirtschaft zentral. Wir sind auch nicht gegen die Biodiversität, sondern gegen diese Initiative. Diese will grosse Kulturlandflächen der Nahrungsmittelproduktion entziehen. Weniger heimische Lebensmittel erhöhen die Abhängigkeit von Importen. Die Vorgaben zur Landschaft und zum baukulturellen Erbe verzögern und verteuern das Bauen und dies, obwohl bereits heute mit dem Heimatschutz- und dem Raumplanungsgesetz ausreichende Regulierungen vorhanden sind. Zudem will sie weite Teile der Schweiz unter Schutz stellen. Dies wird Auswirkungen auf Tourismus- und Infrastrukturbauten haben und die Freizeitaktivitäten in der Landschaft einschränken.

In der Schweiz ist ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten ausgestorben oder gefährdet. Wäre ein rasches Handeln zum Eindämmen der Biodiversitätskrise nicht unumgänglich? Nach dem Krieg und aufgrund der knappen Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln wurde die Schweizer Landwirtschaft von der Politik auf eine intensive Kalorienproduktion getrimmt. Ich kann mich selber noch gut erinnern, wie der Klärschlamm in rauen Mengen direkt auf die Felder geführt wurde, Nährstoffbilanzen gänzlich unbekannt waren und keine Biodiversitätsförderflächen ausgeschieden werden mussten. Seit den 90er-Jahren wird die Landwirtschaft aber auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Die Kehrtwende wurde also schon lange eingeläutet. Was mich im Bericht des Bundesamtes für Landwirt-schaft aus dem Jahr 2023 übrigens positiv stimmt, ist die hohe Artenvielfalt der Schweiz mit 1400 Arten pro Quadratkilometer. Vergleichszahlen aus Österreich gehen von 800 und Deutschland von 200 Arten pro Quadratkilometer aus. Wir müssen den heutigen Weg ohne «Hü und Hott» weiterführen.

Viele Landwirte engagieren sich stark für die Natur. Hingegen gibt es noch grossen Aufholbedarf, um typische Kulturlandarten wie zum Beispiel Feldhase und Feldlerche zu erhalten. Wie können diese Arten gerettet werden ohne die Biodiversitätsinitiative?

Rund die Hälfte der typischen Landschaftsvögel ist bedroht, ein weiteres Drittel potenziell gefährdet. Müsste man beim Kulturland Remedur schaffen und Verbesserungen anpeilen? Wo die Vögel selten werden, beispielsweise die Feldlerche, ist dies oft ein Anzeichen, dass etwas mit der Umwelt nicht in Ordnung ist. Ist im Kulturland alles in Ordnung? In Ackerbaugebieten gibt es bereits heute Schutzbemühungen zur Förderung der Vogelarten der Kulturlandschaften, der Weissstorch ist ein gutes Beispiel. Hier leisten die Umweltverbände zusammen mit den Landwirten einen guten Job. In unserem Kanton fördern zudem die flächendeckenden Vernetzungsprojekte den Vogelbestand. Dabei bilden die örtlichen Bauernverbände die Trägerschaft. Die Vogelhäuschen an den Obststammbäumen sind Ihnen sicher auch schon aufgefallen. Die Landwirtschaft ist auf gesunde Böden und Bienen angewiesen. Würde die Landwirtschaft von einem vielfältigen Kulturland mit Artenvielfalt profitieren?

Wie gesagt, die Trendwende in der Landwirtschaft wurde vor rund dreissig Jahren bereits eingeläutet, und selbstverständlich profitiert die Landwirtschaft von der Artenvielfalt. Wir dürfen in der Schweiz aber nicht noch mehr fruchtbares und bestes Kulturland der Lebensmittelproduktion entziehen. Bei den Importen spielt dann der Biodiversitätsstandard der Lieferantenländer keine Rolle. Der Klimawandel setzt zudem den südlichen Ländern mit Trockenheit und Hitze stark zu, womit auch die Verfügbarkeit der Lebensmittel in Frage gestellt wird. Menschen in anderen Regionen und auf anderen Kontinenten noch mehr Nahrungsmittel zu entziehen, nur weil die reiche Schweiz das nötige Kleingeld hat, erachte ich als egoistisch und alles andere als solidarisch. Bauern setzen heute bereits 19 Prozent ihrer landwirtschaftlichen Fläche zur Förderung der Biodiversität ein. Doch deren Qualität lässt zu wünschen übrig, sagt der Bauernverband: Es gebe zu wenig hochwertige Areale. Müsste man auch danach handeln? Zum Beispiel, indem die Ausbildung der Landwirte verbessert und die Anforderungen für Beiträge erhöht würden? Im Kanton Schwyz haben wir kein Qualitätsproblem. Der Anteil der Biodiversität an der landwirtschaftlichen Nutzfläche beträgt 22 Prozent, davon 77 Prozent mit Qualität, also mit den entsprechenden Zeigerpflanzen. Nicht eingerechnet ist dabei das gesamte Sömmerungsgebiet, das per se eine hohe Biodiversität aufweist. Die wirklichen Probleme liegen nicht in den Flächen, sondern bei den Neobioten, Neopyhten und generell den invasiven Pflanzen. Ich spreche hier von der Kirschessigfliege, der asiatischen Hornisse, dem Japankäfer, dem giftigen Greiskraut, dem einjährigen Berufskraut et cetera. Diese neuen gebietsfremden Organismen und Pflanzen stellen aus meiner Optik die grösste Gefahr für unsere Biodiversität dar. Dabei breiten sich die Neophyten zuerst auf nicht bewirtschafteten Ruderalflächen aus.

Auch Landschaften und Ortsbilder sind unter Druck. Die Initiative will das baukulturelle Erbe auch ausserhalb der Schutzgebiete schonen. Betrifft dieser Aspekt auch die Landwirtschaft?

Sind die Landschaften und Ortsbilder in unserem Kanton wirklich unter Druck? Das sehe ich nicht so. Die zusätzlichen Anforderungen würden die gesamte Bevölkerung betreffen. Es müssten vermehrt Abklärungen bei Hochbauten, bei Infrastrukturen oder bei touristischen Anlagen getroffen werden. Diese schrauben die Bürokratie in die Höhe, verteuern, verzögern und im schlimmsten Fall verhindern sie Projekte. Im Gegensatz zum heutigen Verfassungsartikel 78, der übrigens den Schutz der natürlichen Vielfalt, sprich Biodiversität, umfasst, lässt der Initiativtext beim Landschaftsschutz mit dem Wort «bewahren » keine Interessenabwägung mehr zu.

Was heisst das konkret?

Uns geht der Einfluss des Landschaftsschutzes bereits heute viel zu weit, wie das Beispiel der Stromleitung in Rothenthurm zeigt. Statt die Anliegen der direkt betroffenen Bauernfamilien und der Gemeinde zu berücksichtigen, die eine höhere Linienführung weg von den Höfen verlangt, wird diese Variante aus Gründen des Landschaftsschutzes kategorisch abgelehnt. Ein gleiches Trauerspiel präsentierte sich auch beim Ausbau der Hauptverbindungsstrasse H8, der permanent mit Schutzargumenten torpediert wurde, obwohl die Gefährdung der Verkehrsteilnehmer allseits bekannt war.

Das Schwyzer Komitee bezeichnet die Initiative als «unnötig, schädlich und bürokratisch». Wieso hat sich die Bauernlobby in Bern nicht für einen Gegenvorschlag stark gemacht? Mit Gegenvorschlägen hatte die Landwirtschaft in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen gemacht. Ich bin zudem der Meinung, dass die Initiative so vor das Volk gebracht werden muss, wie sie eingereicht wurde. Wenn dann im Rahmen der Beratungen erkannt wird, dass die Forderungen zu extrem sind, dann zeugt dies von ungenügenden Abklärungen und einer schlechten Vorbereitung.

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