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Atemberaubend

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NACHKLANG

Letztes Orgelkonzet vom vergangenen Dienstag. An der Mauritiusorgel Roberto Marini, Rom. Stücke von Pater Theo Flury, Maurice Duruflé, Franz Liszt, Johann Sebastian Bach und Max Reger.

* Als ich nach dem Konzert die Klosterkirche verliess, meinte ein Zuhörer: «Das war ein krönender Abschluss!» Genauso empfand ich es auch.

Der Organist Roberto Marini begeisterte uns Zuhörer mit seiner Virtuosität, dem Sinn für grosse Spannungsbogen und dem gekonnten Dosieren der dynamischen Verläufe. Atemberaubend! Doch halt, jetzt habe ich genau das falsche Wort gewählt. Der Organist raubte uns eben nie den Atem, sondern liess uns Zeit, die Musik mitzuerleben und mitzuatmen.

Genau in diesem Sinne ist auch die Kosmostoccata von Pater Theo Flury aus dem Jahr 1993 gestaltet. Grosse, gut dosierte Steigerungen der Spannung und der Dynamik, die den Zuhörer mitempfinden und mitatmen lassen. Roberto Marini wusste diese Intentionen von Pater Theo ideal umzusetzen.

Dann dieses Flirren und Flattern – man meinte, ein Vogelschwarm zöge durch die Klosterkirche. Was ist doch die Mauritiusorgel für ein phantastisches Instrument, das solche Effekte ermöglicht – und was war der Komponist Maurice Duruflé für ein Könner, der solche Musik schuf! Der Organist wusste die Fuge aus «Prélude et Fugue sur le nom d’Alain » vom stillen Fugenthema zur wogenden Klangwolke in einem grossen nie abbrechenden Bogen zu gestalten. Höchst beeindruckend! Und nie atemberaubend, sondern die Zuhörer geniessen und bewundern lassend … Dann eines meiner Lieblingswerke von Franz Liszt. Die «Funérailles » von 1849. Liszt schrieb das Werk nicht wegen des frühen Todes seines Kollegen Frédéric Chopin, wie viele meinten, sondern für die Opfer der 1848er-Revolutionen. Da brauchte der Organist ganz schön schnelle Füsse für die chromatischen Bewegungen im Pedal. So toll wie Roberto Marini das Stück auch bearbeitet und gespielt hat, gefällt mir die originale Fassung für Klavier besser. Die verschiedenen musikalischen Ebenen des Werkes sind deutlicher.

Dann Bachs Präludium und Fuge in g-moll BWV 558 in der Bearbeitung von Max Reger und zum Schluss Regers eigene «Fantasie und Fuge über B-A-C-H». Ich hatte das Gefühl, dass der Organist uns Zuhörer wie Kinder an der Hand nahm und auf eine Bergwanderung führte. Und endlich kamen wir aus diesem kaum enden wollenden B-A-C-H-Gestrüpp heraus und kamen zum Gipfel. Eben ein krönender Abschluss!

Marcel Schuler

Marcel Schuler schreibt in der Kolumne «Nachklang» seine Eindrücke nieder. Er tut das aus persönlicher Sicht und erhebt dabei keinen Anspruch, auch für andere Konzertbesucher sprechen zu wollen.

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