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Den kulturellen Wert der Pferde bewahren

Den kulturellen Wert der Pferde bewahren Den kulturellen Wert der Pferde bewahren

Nach einer Führung durch den Marstall des Klosters Einsiedeln folgte auf Einladung der Stiftung zur Förderung der Einsiedler Marstallzucht ein reger Epochen- und Länder übergreifender Erfahrungsaustausch mit erfahrenen Fachleuten. Denn die Zukunft von Pferdezucht und Pferdesport steht vor diversen Herausforderungen.

Die Marstall-Pferde und aktuell der neue Fohlenjahrgang faszinieren täglich viele Besucher im Marstall Kloster Einsiedeln. Seit mehr als 1000 Jahren werden an diesem Ort Pferde gezüchtet. Aktuell mit dem Ziel, ein zuverlässiges, gesundes Allroundpferd zu fördern, das im täglichen Umgang für Freizeit- und Sportreiter Freude bringt. Dies und weitere Aspekte fordern die Verantwortlichen immer wieder neu heraus.

Der Marstall Kloster Einsiedeln hat im vergangenen Jahr eine Strategie für die Zukunft erarbeitet, die auf mehrere Standbeine setzt. Neben dem Pensionsstall und dem Reitschulbetrieb findet auch die Pferdezucht Beachtung. Ebenso soll die Landwirtschaft professionell betrieben und den Besuchern nähergebracht werden. «Wir möchten den erhaltenswerten Einsiedler Pferdeschlag deutlich wachsen lassen. Im besten Fall werden im Marstall bereits im kommenden Jahr sieben Fohlen erwartet», erklärte der interimistische Leiter des Marstallbetriebs, Christof Schaerer, auf dem Rundgang durch den Stall. Er ist aktuell für 17 Marstall-Pferde verantwortlich. Um das Tierwohl weiter zu verbessern, werden auch bauliche Massnahmen geplant. Der Pensionsstall soll rund 15 Pferden reichlich Platz bieten. Die Reithalle steht den Pensionären für die laufende Reitschule sowie für spezifische Reitkurse mit Gasttrainern wie Christoph Borioli und phasenweise auch dem Amerikaner David de Wispelaere zur Verfügung.

Mit den grosszügigen Stallungen, den Weidemöglichkeiten, der Reithalle und dem Sandplatz verfügt die Marstall GmbH über eine sehr gute Infrastruktur. Angedacht sind Ideen für den historischen Stall. «Er soll für Besucher zugänglich sein und allenfalls auch massvoll kulturell genutzt werden können», erklärte Christof Schaerer. Der Pferdekultur- Event vom Freitag wurde nach dem Stall-Rundgang im Grossen Saal des Klosters Einsiedeln mit einem Referat und regem Gedankenaustausch fortgesetzt.

Aus der Geschichte für die Zukunft lernen Der kulturelle Wert der Pferde sei in den letzten 3000 Jahren immer wieder ein Thema gewesen, betonte Dr. Hanspeter Meier. Der ehemalige Dozent an der Universität Bern ist ein Kenner der Kulturhistorischen Fachliteratur und konnte aus dem Vollen schöpfen. Er riet: «Altes Wissen beachten, überdenken und in die Zukunftsplanung einfliessen las-sen. » Die Pferde – vor der Motorisierung wichtigster Arbeitspartner der Menschen – erlebten gute und schlechte Zeiten. Schon früh wurde im Rahmen der Möglichkeiten auf Leistungsfähigkeit und Gesundheit geachtet. Die Anfang des 20. Jahrhunderts gute Ausbildung der angehenden Landwirte schrumpfte um 1980 jedoch zum Wahlfach. «Die Pferdeindustrie konnte bis vor Kurzem ohne Rücksicht auf die Öffentlichkeit agieren. Inzwischen haben aber Tierwohl und Umwelt mehr Gewicht erhalten», betonte Hanspeter Meier. Sein Fazit: «Wichtige und interessante Aufgaben stehen an.»

Heutiger Wert für die Gesellschaft

Wie das Pferd zum erfahrbaren Wert für die Gesellschaft werden kann, zeigte Dr. Astrid von Velsen-Zerweck auf. Sie leitet seit 17 Jahren als Landoberstallmeisterin das älteste staatliche Gestüt Deutschlands, das Haupt- und Landgestüt Marbach in Baden-Württemberg. Sie hat im Norden Deutschlands Landwirtschaft und Journalismus studiert und gilt unter anderem als profunde Kennerin von Pferdezucht und -sport. «Als ich nach Marbach kam, war das Gestüt 500 Jahre alt. Ich konnte Anstösse geben, um die Nutzbarkeit der Pferde sichtbar zu machen », erklärte Astrid von Velsen-Zerweck.

Auch sie gab Einblicke in die wechselvolle Geschichte des Gestüts, das inzwischen gut 500 Pferde umfasst (300 im Besitz des Gestüts und 200 Fohlen zur Aufzucht). Hier werden verschiedene Pferderassen gezüchtet. Unter anderen mit den Altwürttembergern auch Pferde, die nicht im Spitzensport ganz vorne stehen, dafür mit Vorzügen wie «gesund, brav, klar im Kopf, einfach zu reiten und zu fahren» als Familienpferde oder in Therapien eingesetzt werden können. Seit zehn Jahren wird in Marbach ein eigenes Zuchtbuch für diese alte Pferderasse geführt. Das Gestüt ist zudem bekannt für die eindrücklichen Marbacher Hengstparaden.

Nebst der Pferdezucht hat Marbach zwei weitere wichtige Bereiche: Die nachhaltige Landwirtschaft auf 960 Hektaren Land und die Ausbildung. 45 Ausbildungsplätze sind es in den Bereichen Pferdewirt und Meisterausbildung. Dazu kommt die Zusammenarbeit mit Hochschulen und Öffentlichkeitsarbeit. «Jeder soll in seinem Umfeld überzeugen, dass es gut ist, mit Pferden zu arbeiten», beton-te Astrid von Velsen. Ihr Fazit: «Zu wahrhaftiger und guter Zucht und Nutzung finden. Das Pferd ist zwar aus der Gesellschaft herausgewachsen. Aber es hat auch eine besondere Rolle, weil der Mensch letztlich das wahrhaftige Erlebnis sucht.» Die Marbacher Geschichte könnte Beispiele geben für die Einsiedler Züchter, die neue Wege suchen. «Die Menschen für die Pferde und die Kultur, die dahinter steht, wecken: Das machen Sie hier sehr gut. Ich sehe sehr viele Chancen», fügte Astrid von Velsen an.


Interessiert folgten die Besucherinnen und Besucher der Diskussion über die kulturelle Bedeutung der Pferde.

Pferdekultur-Event mit Denkanstössen in Einsiedeln (von links): Thomas Frei (Moderator), Dr. Astrid von Velsen-Zerweck (Gestüt Marbach), Dr. Hanspeter Meier (Kulturhistoriker), Esther Weiss (Geschäftsführerin und Stiftungsrätin) sowie Benno Reichlin, Präsident Stiftungsrat Stiftung zur Förderung der Einsiedler Marstallzucht – Für das Einsiedler Pferd. Fotos: Frieda Suter

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