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Wo sind die Manieren?

Wo sind die Manieren? Wo sind die Manieren?

ZWISCHENLUEGETEN 3

Vroni gewann eine kleine Reise nach Rom! Mein kleines Kabinengepäck von sieben Kilo machte kein Problem. Vronis Koffer wog exakt zehn Kilogramm, also Maximalgewicht für Kabinengepäck nach Rom. Wir stemmten dieses Ding in die Gepäckablage hinauf, aber der Koffer rutschte immer wieder zurück. Neben mir stand ein grosser athletischer junger Mann, hinter mir ein vitaler Abenteurer-Typ mit Dreitagesbart. Beide schauten unsere Plackerei seelenruhig zu.

Jetzt die Frage: Bin ich altmodisch, weil ich das unmöglich finde? Bedeutet «Freizeit» frei sein von Manieren? Ist es cool, nicht hilfsbereit zu sein? Fehlt es an Manieren? Manchmal bedarf es einer kleinen Geschichte, damit wir die Wirklichkeit erkennen: Uns sind die Symbole und Regeln eines kultivierten Umgangs miteinander nicht mehr klar. Sie werden sogar verachtet. Das ist ein Jammer, denn die Verachtung von Grundmanieren vergiftet die öffentliche Atmosphäre. Ich will jetzt nicht verstaubte Tanzlehrer- und Handkuss-Anordnungen aufleben lassen. Aber, liebe Freunde, es gibt ungeschriebene Regeln.

Rücksicht, Höflichkeit und Hilfsbereitschaft regulieren alle Beziehungen, auch die von Paaren. Höflichkeit ist mehr als eine überwurzelte Etikettenfrage. Ich bin gern höflich. Wenn es stimmig ist, gebe ich einem anderen gern den Vortritt, lasse eine Schwingtür nicht auf den Nachfolgenden knallen, grüsse beim Betreten eines Lifts oder Bahnabteil, drücke dem hinter mir Stehenden nicht einen riesigen Rucksack auf die Nase und helfe Orangen einsammeln. All das tue ich nicht aus Menschenliebe, sondern weil ich ein Lächeln, einen freundlichen Blick oder sogar ein Danke bekomme. Das macht den Alltag und die Stimmung heller.

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Ida Ochsner (62) verlobt mit Heiri Strohmayer (65), Winzer in der Steiermark. Wer bis jetzt nicht kapiert hat, dass Manieren die Weichspüler des täglichen Lebens seien, dem mangele es an sozialer Intelligenz, sagt Heiri.

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