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BringtdasVerwaltungszentrumimKaltbach mehrEffizienzodermehrBürokratie?

BringtdasVerwaltungszentrumimKaltbach  mehrEffizienzodermehrBürokratie? BringtdasVerwaltungszentrumimKaltbach  mehrEffizienzodermehrBürokratie?

Am 22. September wird im Kanton Schwyz an der Urne über das neue Verwaltungszentrum im Kaltbach abgestimmt. Regierungsrat André Rüegsegger und Referendumsführer Beat Studer trafen sich zum Streitgespräch.

Eine Behauptung zum Start: Die Abstimmung ist schon entschieden, das Volk wird sich für das neue Verwaltungszentrum aussprechen. Beat Studer: Ich hoffe selbstverständlich nicht. Unser Komitee hat einfach Bedenken wegen des Hauptorts Schwyz. In einem Kantonshauptort gehören Regierung und Verwaltung ins Zentrum. Aber auch die Zentralisierung und die damit verbundene Bürokratisierung der Verwaltung stossen sauer auf. Ist für Sie der Fall klar, oder zittert die Regierung, Herr Rüegsegger?

André Rüegsegger: Nein, aber man muss sicher warten, bis der Entscheid feststeht. Die Bevölkerung kann nun abstimmen, das ist ja legitim. Es geht um ein grosses, teures Vorhaben, wo sich mit Bestimmtheit viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ihre Gedanken machen. Ich bin aber hoffnungsvoll und optimistisch. Das Verwaltungszentrum kombiniert verschiedene Anliegen, von Arbeitsplätzen für die Verwaltung bis zu Räumlichkeiten für die Blaulichtorganisationen. Wie viel Taktik steckt in diesem Paket? Je mehr profitieren, desto grösser ist doch die Zustimmung, obwohl es 140 Millionen Franken kostet? Rüegsegger: Das Ziel ist, Synergien zunutzen.Esbestehtsowohl bei den Blaulichtorganisationen als auch beim sanierungsbedürftigen AHV-Gebäude Handlungsbedarf. Wir sagten uns, dass es unter keinem Titel effizient wäre, innerhalb von nur einem Kilometer Luftlinie zwei Grossbaustellen hochzufahren. Der Standort Kaltbach war nicht zuletzt wegen der Blaulichtorganisationen gesetzt. Das ergibt doch Sinn, Herr Studer?

Studer: Für die Blaulichtorganisationen ist der Standort Kaltbach tatsächlich ideal. Da sind wir auch nicht dagegen. Aber das Verwaltungszentrum an sich sollte man nochmals überdenken. In meinen Augen wehrte sich auch der Gemeinderat Schwyz zu wenig. Das Geschäft wurde, wie nachher im Kantonsrat, einfach durchgewunken. Es kann doch nicht sein, dass man einen schönen Teil der Verwaltung am Rande der Gemeinde Schwyz zentralisiert und so dem Kantonshauptort wirtschaftlich den Stecker zieht. Nochmals: In meinen Augen müsste die Verwaltung in Schwyz bleiben.

Rüegsegger: Für mich ist das alles etwas widersprüchlich. Man spricht im Abstimmungskampf sehr negativ über die Verwaltung, tut aber gleichzeitig so, als ob die Verwaltungspräsenz das Allerweltsheilmittel für das historische Schwyz sei. Wir bekennen uns zu Schwyz als Kantonshauptort und werden künftig sogar mit noch mehr Arbeitsplätzen vor Ort sein, weil diverse Standorte ausserhalb von Schwyz nun hier konzentriert werden können. Zudem: Unsere Debatte mit dem Gemeinderat war intensiv. Am Schluss überwogen aber auch für diesen die Vorteile des Gesamtprojekts.

Was heisst das?

Rüegsegger: Das alte AHV-Gebäude ist baufällig. Hier sollen in Zukunft neue privatwirtschaftliche Arbeitsplätze entstehen, die der Gemeinde Schwyz zugute kommen. Nicht nur als Arbeitsort, sondern auch steuerlich. Unsere Absicht war und ist klar: Der Kanton überlässt ein sehr gutes Grundstück an der Bahnhofstrasse der Privatwirtschaft. Der Staat muss nicht zwingend an einem so top gelegenen Grundstück sein! Im Kaltbach haben wir eine sehr gute, zukunftsgerichtete Alternative. Das tönt zwar gut, aber die Regierung hat an der Bahnhofstrasse noch nichts in der Hand. Rüegsegger: Schwyz will richtigerweise zusätzliche Firmen und Arbeitsplätze ansiedeln, was bedeutet, dass wir die Privatwirtschaft stärken müssen. Gefragt sind und Mangel besteht in Schwyz an grossen, zusammenhängenden Flächen. Die Bahnhofstrasse eignet sich dank ihrer Zentrumslage bestens. Es wird aber kein Selbstläufer werden, das ist klar. Und wir respektieren auch die Verfahren, dass jetzt zuerst die Stimmbürger entscheiden. Deshalb war bei den weiteren Planungen bisher auch Zurückhaltung angesagt. Wir glauben aber daran, dass sich hier mittelfristig ein gutes Projekt realisieren lässt. Einverstanden, Herr Studer?

Studer: Nein. Der Staat ist ja heute schon der grösste Arbeitgeber im Kanton. Wenn er im Kaltbach ein solch topmodernstes Zentrum aufstellt, bedrängt der Kanton die Privatwirtschaft noch mehr. Der Staat kann aus Steuergeldern hohe Löhne und Sozialleistungen anbieten, er ist ein spendabler Arbeitgeber. Was fehlt, sind doch produzierende Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft. Mit dem Zentrum Kaltbach wird die Bürokratie nur noch grösser – zum Schaden aller. Innert 20 Jahren wurde der Personalbestand beim Kanton verdoppelt – unglaublich! Der Kanton wirbt mit möglichen Effizienzgewinnen. Es sollen 15 Stellen weniger sein, verspricht die Kampagne. Das ist doch nur ein Tropfen auf den heissen Stein? Rüegsegger: Beat Studers Appell für die Privatwirtschaft deckt sich doch genau mit unseren Absichten. Der Staat gibt einen sehr guten Platz in Schwyz für neue, private Angebote frei und nützt selber das Kaltbach-Areal. Zudem: Wir bauen damit keine zusätzlichen Stellen auf. Im Gegenteil. Wir erhoffen uns verschiedene Synergien. Heute hat beispielsweise beinahe jede Verwaltungsaussenstelle ein eigenes Sekretariat. Das kann im Kaltbach effizienter organisiert werden. Das Personalwachstum war tatsächlich gross, es wurden dem Kanton aber auch viele neue Aufgaben zugewiesen, oder er hat solche von den Bezirken und Gemeinden übernommen.

Gäbe es denn aus Sicht des Referendumskomitees überhaupt Alternativen? Studer: Mir geht es letztlich um mehr. Jetzt will man 140 Millionen Franken für den Kaltbach ausgeben, gleichzeitig sollen für das neue Sicherheitszentrum in Biberbrugg nochmals 100 Millionen Franken verbaut werden. Für das neue Gerichtszentrum im alten Kantonalbank- und heutigen Polizeigebäude liegen bereits Pläne vor. Das wird nochmals viel Geld verschlingen. Alles in allem weit über eine Viertelmilliarde Franken für die Zentralisierung der Verwaltung an drei Standorten. Das ist einfach zu viel.

Rüegsegger: Auch hier geht es um notwendigen Platz und Effizienzgewinne. Die Idee, den Sicherheitsstützpunkt Biberbrugg auszubauen, geht auf Entscheide zurück, die der Kanton teilweise schon 2006 getroffen hat, und mit denen er eine Eigentums- sowie eine Zwei-Standort-Strategie festgelegt hat. Da sind die Eckpfeiler also schon vor langer Zeit gesetzt worden. Dank diesen Neubauten können wir beispielsweise auch das ehemalige Lehrerseminar in Rickenbach aufgeben und das Grundstück neuen Zwecken, voraussichtlich fürs Wohnen, zuführen. Man kann sagen, dass alles eigentlich vernünftig tönt, 140 Millionen Franken aber zu viel sind. Ginge es nicht auch günstiger?

Rüegsegger: Schon 2010 hat man für einen Ersatzbau an der Bahnhofstrasse von 115 bis 125 Millionen Franken gesprochen. Man kann also nicht sagen, dass die zurzeit gute Finanzlage des Kantons uns übermütig gemacht hat und eine Luxusvariante auswählen liess.

Beat Studer, Sie reden von einem Luxusprojekt, von einem «Palast», der erstellt werden soll. Studer: Ja klar. Es geht doch da-rum, dass man etwa eine Grossküche baut für mehr als fünf Millionen Franken und dann täglich 2000 Essen im ganzen Kanton verteilen will. Es ist doch keine Staatsaufgabe, eine so grosse Küche zu bauen. Oder man will für rund vier Millionen Franken einen Mehrzwecksaal einrichten, obwohl ein solcher im MythenForum bereits besteht. Auch das ist doch nichts als eine Konkurrenz durch den mit unseren Steuergeldern finanzierten Staat. Rüegsegger: Wir haben bereits heute im Kaltbach einen grossen Saal, der unter anderem der Ausbildung der Zivilschützer dient. Schon vor Jahren sollte er saniert werden. Jetzt bauen wir endlich den notwendigen Ersatz. Was die Mensa betrifft: Das ist keine Konkurrenz zu den Restaurants. Heute betreibt der Kanton insgesamt sieben Küchen, vor allem an seinen Mittelschulen. Das Kantonsgefängnis wurde bis vor Kurzem von Zürich aus beliefert. Statt dass wir in sieben Küchen alles kochen oder von auswärts kommen lassen, haben wir die Idee, alles selber in einer eigenen zentralen Küche zu produzieren. Wie soll es denn nun weitergehen im Fall, dass das Volk die Pläne der Regierung ablehnt? Studer: Wir sind nicht gegen die Zusammenfassung einzelner Dienste im Kaltbach, etwa die Blaulichtorganisationen. Aber das geplante Verwaltungszentrum ist einfach zu gross, zu luxuriös. Das ganze Projekt sollte nochmals überdacht werden. Man wollte das Projekt schnell über die Sommerpause an der Bevölkerung vorbei beschliessen. Schon der Kantonsrat machte den Fehler, dass er mit seiner Dreiviertelmehrheit eine Abstimmung verhindern wollte. Hätte er das nicht gewollt, hätte die Abstimmung im Rat anders organisiert werden können. Wir mussten nun mit viel Geld einen Urnengang erzwingen. Sonst wären die Bagger bestimmt schon aufgefahren. Nochmals neu überdenken: Das wäre doch ein Kompromiss?

Rüegsegger: Von «schnell» kann doch nicht die Rede sein. Der Kanton ist seit über zehn Jahren daran. Der Projektierungskredit wurde vor drei Jahren gesprochen, die Strategie vor bald 20 Jahren genehmigt. Man spricht viel von Effizienz, darum muss irgendwann ein Entscheid gefällt werden. Dass nun das Volk das letzte Wort hat, ist selbstverständlich in Ordnung. Aber nochmals: Es ist kein Luxusbau. Es werden hier zwölf Standorte zusammengefasst. Das braucht Platz, aber der Flächenbedarf pro Mitarbeiter ist künftig kleiner als heute.

Hat denn der Kantonsrat wirklich völlig unreflektiert zugestimmt?

Studer: Es sieht so aus. Wer dagegen ist, wurde von seiner Partei fast geächtet. Und ausgerechnet die SVP, die sonst immer gegen hohe Ausgaben ist und gegen die Bürokratie wettert, spricht sich fast einstimmig dafür aus. Sie hätte ja nicht Nein stimmen müssen, aber hätte dafür schauen können, dass das Volk das letzte Wort hat. Ihre Partei, die SVP, wollte also einfach Ihnen eine Freude bereiten, Herr Rüegsegger? Rüegsegger: Weder für mich als SVP-Regierungsrat noch für meine Partei ist das Verwaltungszentrum das dankbarste Geschäft. Beat Studer betont richtigerweise, dass es für mich und die Partei kritische Punkte zu diskutieren gab. Aber die SVP-Fraktion hat sich am Schluss klar dafür ausgesprochen, weil es mehr Vor- als Nachteile gibt. Man muss vorausschauen: Wenn man jetzt Nein sagt, und es später noch teurer wird, hätte die SVP ihren Grundsätzen schlecht Rechnung getragen. Herr Studer, Sie kritisieren die SVP und die Kantonsräte. Haben Sie Verständnis für das Gewerbe? Hier ist auch nur wenig Kritik zu hören? Studer: Das Gewerbe freut sich einfach auf Aufträge. Aber das ist eine einmalige Sache. Wenn die Verwaltungsgebäude gebaut sind, sind sie gebaut. Das Wachstum und die Bürokratisierung der Verwaltung aber schreiten voran. Klar, der Kanton hat im Moment viel Geld. Ich appelliere aber trotzdem dafür, das Projekt nochmals zu überdenken.

Wenn das AHV-Gebäude für die Verwaltung saniert oder neu gebaut werden müsste, bräuchte es eine Übergangslösung. Studer: Ich bin überzeugt, dass sich hier eine Lösung realisieren liesse. Deshalb wäre es wichtig, das Ganze nochmals zu überdenken, egal, ob es dann halt etwas teurer wird. Schwyz als bisheriger Standort im Zentrum hätte das verdient.

Rüegsegger: Es ist illusorisch, zu meinen, dass unter Betrieb ein Neubau realisiert werden könnte. Das sieht man derzeit beispielsweise auch beim Oberstufenschulhaus in Brunnen. Da brauchte es eine aufwendige Containerlösung. Auch das Provisorium für die Kantonsschule Ausserschwyz kostet uns etwa sieben Millionen Franken. Das Nein zum ursprünglichen Projekt dort bedeutet nun übrigens insgesamt etwa 40 Prozent höhere Kosten. Es kommt 40 Millionen Franken teurer zu stehen. Nicht zu vergessen ist schliesslich, dass neben dem Kaltbach mit dem Regierungsgebäude und dem Kollegi auch weiterhin rund 300 Kantonsmitarbeitende im Zentrum von Schwyz verbleiben. Braucht es denn in Zeiten von Digitalisierung und Homeoffice noch ein so grosses Verwaltungsgebäude?

Rüegsegger: In der Privatwirtschaft kommt man teilweise bereits wieder weg vom Homeoffice. Zudem sprechen gewisse Tätigkeiten beim Kanton ebenfalls eher gegen Homeoffice. Wir bieten im Kaltbach offene, flexibel nutzbare Flächen an, die den modernen Arbeitsformen und der Digitalisierung Rechnung tragen. Die Verwaltung wird trotz Effizienzgewinnen aber voraussichtlich auch in den nächsten Jahren noch moderat wachsen. Mit diesen flexiblen Strukturen können wir das auffangen. Zusammenfassend: Sie vom Referendumskomitee wollen, dass nochmals über das Projekt nachgedacht wird und dass die Arbeitsplätze im Zentrum von Schwyz bleiben. Studer: Ja klar. Dass die Blaulichtorganisationen im Kaltbach untergebracht werden, macht Sinn. Aber es wäre wichtig, die Verwaltung im Zentrum zu ha-ben. Gibt es ein Nein zum Kreditbegehren, sollten wir alle miteinander reden können. Wir bieten Hand und würden gerne mitmachen. Jedes Vorhaben kann noch verbessert werden. Ob es nun noch zwei Jahre länger dauert, ist bei diesem grossen Zentralisierungsschritt nicht entscheidend.

Wäre das so dramatisch, Herr Rüegsegger? Rüegsegger: Ich bin froh, dass wir einig sind, dass es Sinn macht, die Blaulichtorganisationen dort unterzubringen. Unserer Meinung nach drängt es sich aber geradezu auf, den neuen Stützpunkt für die Blaulichtorganisationen und das neue Verwaltungsgebäude in einem zu realisieren. Sonst haben wir zwei grosse Baustellen. Natürlich wäre das machbar, aber es würde noch teurer. Aus unserer Sicht lohnt es sich aber, jetzt einmal etwas Geld in die Hand zu nehmen und dafür langfristig Ruhe zu haben.

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