Veröffentlicht am

«Es schadet sicher nicht, beim Welttheater mitzumachen»

«Es schadet sicher nicht, beim Welttheater mitzumachen» «Es schadet sicher nicht, beim Welttheater mitzumachen»

Marco Kälin spielt im Alter von 72 Jahren erstmals am Welttheater mit. Somit ist er im Jahr 2024 der älteste Neuling. Der Einsiedler Anzeiger hat sich mit ihm unterhalten.

Eigentlich kennen Marco Kälin alle. Vielleicht sagt ihnen der Name erst mal nichts, aber spätestens wenn der Begriff «Barfuss » fällt, dann ist alles klar. «Ich laufe einfach gerne mit nackten Füssen. Gesund ist es ja auch noch!», erklärt er zu Beginn des Gesprächs. Kälin kam im Jahr 1952 als vierter Sohn von Alice und Martin Kälin-Ochsner zur Welt. Sein Vater verstarb einen Monat vor seiner Geburt an einem Herzinfarkt. Fortan muss-te seine Mutter sich alleinerziehend und berufstätig um die vier Buben kümmern. Die vier waren Adolf «Dölfi», Martin «Sümmerli», Guido und Marco. Irgendwann war es zu viel für seine Mutter und so kamen sie 1954 ins Waisenhaus, dem heutigen Kulturund Kongresszentrum Zwei Raben. Bis 1966 war Marco Kälin im Waisenhaus. Gerne hätte er, aber auch andere, die Einsiedler Sekundarschule besucht. «Dies sei nicht möglich, die Schwestern im Waisenhaus könnten nicht bei den Hausaufgaben helfen », erinnert sich Kälin noch gut an die damalige Ausrede. Seine Erinnerungen an das Waisenhaus sind im Grossen und Ganzen positiv. Seine Brüder haben anderes erlebt. Erzählen wollten sie aber nie davon.

Umzug nach St. Gallen

Eine wohlhabende Cousine ihres Vaters aus St. Gallen erinnerte sich an ihre Einsiedler Familie und holte 1966 Marco zu sich. In St. Gallen durfte er die Sekundarschule besuchen. Sein damaliger Vormund ermöglichte ihm im Anschluss eine Lehre als Carrosseriespengler. Nicht in der alten oder neuen Heimat, nein, es zog ihn ans Rheinknie nach Basel. Dort lebte er in einem Lehrlingsheim, welches von einem Einsiedler Jesuitenpater geleitet wurde. Nach der vierjährigen Lehre kehrte er zurück nach Einsiedeln und arbeitete in seinem Heimatdorf bei verschiedenen Kollegen auf seinem Beruf. Als die Firma «Miniroll» in Bennau einen Monteur für Storen suchte, bewarb er sich. Ab diesem Zeitpunkt war er in diesem Beruf tätig. Nach dem Wechsel zur Firma «Wolf» in Sennwald war er oft im Tessin zum Arbeiten. Und dort bekam er den Namen Marco. Sie fragen sich jetzt, wieso bekam er dort den Namen? Getauft wurde er auf den Namen Markus. Im italienischen Teil der Schweiz konnten sie aber den Namen Markus nicht richtig aussprechen. So stellte er sich dort immer als Marco vor.

Der Lottogewinn

Währenddem Marco Kälin auswärts lebte und arbeitete, blieben seine Brüder in Einsiedeln. Dölfi, der älteren Generation als eifriger Plakettenverkäufer der Goldmäuder mit Traumumsätzen bekannt, fand eine Stelle als Hilfsarbeiter bei der Zimmerei/ Dachdeckerei Ochsner an der Kornhausstrasse. Beim Maler Bingisser wurde Guido als Hilfsmaler angestellt. Sümmerli erlernte den Beruf als Schreiner. Die Lehre startete er in der Schreinerei Lienert an der Langrütistrasse. Sein Lehrmeister war Anton «Sargtöneli» Lienert. Da er mit der Ausbildung nicht zufrieden war, wechselte er zur Schreinerei Schnüriger am Sagenplatz. Auf einmal schlug das Glück bei Dölfi zu. Mit einem Lottoschein gewann er knapp 327’000 Franken im Schweizer Zahlenlotto. Mit Hilfe von Toni Geiger bauten sie ein Haus an der Kornhausstrasse und hatten ab dann ein Eigenheim. Dieser Original-Lottoschein wird nächstens einem Archiv übergeben, damit er der Nachwelt erhalten bleibt.

Welttheater 2024 Irgendwann im Frühjahr 2024 kam die Idee auf, bei der 17. Inszenierung mitzuwirken. Er erzählt: «Ich habe einzig die Aufführung 1970 gesehen. Und das hat mir gefallen.» So kann Kälin noch heute Textstücke aus dem Kopf wiedergeben. Ausschlaggebend war dann ein Gespräch mit Rita Noser. Sie motivierte ihn mitzumachen. Als Barfüssiger sei er ja ideal in der Rolle als Bettler. So kam er im Frühling zum Spielvolk. «Ich wollte ja nicht früher dazukommen, sonst hätte ich noch die Hauptrolle bekommen!», erzählt er lachend. Anfänglich beschlich ihn etwas das Gefühl, er sei nicht willkommen. Das leg-te sich aber mit der Zeit und so kam er auch dort an. Das Theater nach Lukas Bärfuss, inszeniert von Livio Andreina, gefällt ihm. Er meint dazu: «Das ganze Stück habe ich aber nie gesehen. » Er würde es zwar begrüssen, wenn wieder einmal eine barocke Inszenierung, mit wuchtigen Kostümen, gemacht würde. Seine 16-jährige Tochter Alice hingegen ist hin und weg von der Version 2024. «Ihr gefällt vor allem die Welt, welche immer über die Bühne wirbelt », ergänzt Marco Kälin. Mit seiner neu gewonnenen Erfahrung beim Einsiedler Spielvolk meint er nur: «Es schadet sicher nicht, beim Welttheater mitzumachen.» Ob er es bei der 18. Spielsaison wieder machen wird, weiss er nicht: «Da bin ich 79 und niemand weiss, wie es mir dann geht.»

Foto: Archiv EA


So kennen die Einsiedlerinnen und Einsiedler Marco Kälin: Barfuss und mit Béret. Foto: René Hensler

Share
LATEST NEWS