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«Den Chef der Stierämusig nennen wir ‹Oberstier›»

«Den Chef der Stierämusig nennen wir ‹Oberstier›» «Den Chef der Stierämusig nennen wir ‹Oberstier›»

Der pensionierte Lehrer Felix Ochsner ist seit 50 Jahren in der Einsiedler Stierämusig, die wiederum an der Viehausstellung auftreten wird. Im Inter-view erzählt der passionierte Klarinettist aus seinem Musikerleben.

50 Jahre sind Sie jetzt bei der Stierämusig dabei – wie sind Sie eingestiegen? Ich lief schon als Kind der Stierämusig hinterher, weil sie mich faszinierte. 1974 war ich junger Lehrer in Einsiedeln, als Arthur Schönbächler zu mir kam und mich bat, als Klarinettist einzuspringen, weil der damalige Klarinettist und Leiter der Stierämusig, Walter Kälin, auf einer Reise nach München krank geworden war. Ich erinnere mich noch gut an diesen Tag – es hatte bereits Schnee und man spürte die knirschende Eisschicht unter den Füssen bei unserem Auftritt. Welche Besetzung hat die Stierämusig – und hat sie sich jemals verändert? Es sind wie damals zwölf Musiker: zwei Klarinetten, drei Trompeten, zwei Waldhörner, ein Bariton und ein Tenorhorn, ein Bass, sowie Grosse Trommel/Becken und Kleine Trommel/Tschinelle. Verändert hat sich seit damals nur, dass heute zwei Waldhörner anstelle von zwei Es-Hörnern spielen, weil solche kaum mehr aufzutreiben sind. Sie spielen Klarinette – wie kam es dazu? Ich war Primarschüler und gehörte zu den ersten Kindern, die bei Schwester Antonella Blockflöte spielen lernen durften. Später, als ich an das Lehrerseminar in Rickenbach kam und ein Instrumente lernen sollte, ging ich für ein halbes Jahr bei Konrad Kälin in den Unterricht, für acht Franken die Stunde. Damals gab es noch nicht soviele Möglichkeiten wie heute. Am Seminar übte ich sehr intensiv und spielte später in der Militärmusik. Als ich später Lehrer in Einsiedeln wurde und beim Orchester Schwyz-Brunnen mitspielte, nahm ich Stunden bei Richard Schönenberger, einem jungen Profi. Ich gab auch Stunden an der Musikschule Einsiedeln. Woher hat die Stierämusig ihren Namen?

Das ist die Musik der Viehausstellung, und sie heisst überall gleich. Der Chef der Stierämusig wird «Oberstier» genannt. Woher kommt die Stierämusig?

Die Stierämusig entstand sicher tief im 20. Jahrhundert, wenn nicht schon im 19. Jahrhundert, als die ersten Viehausstellungen veranstaltet wurden. Walter Kälin war von 1948 bis 2015 dabei und nach Franz Hensler der Leiter. Jetzt teilen Markus Dobler und ich die Leitung – ich bin für die Musik und er für die Organisation zuständig. Bis heute hat die Stierämusig Mitglieder aus sämtlichen Blasmusikvereinen der Region – eigentlich sind wir eine richtige Bezirksmusik. (lacht). Wir wählen unseren Nachwuchs auf Empfehlung der Kollegen aus den Vereinen. Es ist eine Ehre, in der Stierämusig zu spielen.

Welche Traditionen pflegt die Stierämusig?

Das Musikmachen. Ausser dem Auftritt während der Viehschau und im Festzelt spielen wir den ganzen Tag an verschiedenen Orten in Einsiedeln, unter anderem auch in den Altersheimen. Grundsätzlich hat man früher auf dem Ausstellungsplatz mehr gespielt, heute gibt es viele Durchsagen. Am Abend nach dem Sennenmahl haben die Leute zu unserer Musik getanzt. Heute ist das nur noch wenig der Fall, denn man geht meistens schon früh nach Hause. Ich erinnere mich, dass wir früher bis spät in die Nacht Musik gemacht haben – obwohl ich am nächsten Tag wieder Schule geben musste (lacht).

Man sagt, das Repertoire der Stierämusig sei konservativ – stimmt das? Ja, das stimmt, weil die Marschmusik bei uns eine wichtige Rolle spielt. Aber wir sind durchaus offen für modernere Stücke, wenn sie sich für unsere Besetzung eignen. Wir haben 27 Nummern in unserem Notenbuch und spielen rund vierzig Stücke pro Tag – das braucht schon einen guten Ansatz. Sie waren lange Lehrer – haben Sie mit Ihren Schülern auch musiziert?

Ja, wenn viele Schüler ein Instrument spielten, habe ich ein Schülerorchester organisiert. Sonst habe ich einfach mit ihnen gesungen, Musik gehört und Instrumente vorgestellt. Die Stierämusig ist in die Jahre gekommen, was möchte sie weitergeben? Ich wünsche mir, dass unsere Tradition bestehen bleibt. Wir hatten niemals Querelen untereinander – man kann nur miteinander musizieren und nicht gegeneinander. Das möchte ich an die Jungen weitergeben. Die Blasmusik ist eher in der Krise, Klarinette wird immer weniger gespielt – welches Mittel gibt es dagegen? Vor allem fehlt es an Buben, die Klarinette spielen – die spielen vielleicht lieber Fussball (lacht). Dafür gibt es heute viel mehr Mädchen oder Frauen, die Klarinette, Flöte oder Saxophon spielen, aber das ist auch gut so. Sie spielen nicht nur in der Stierämusig, wo sind Sie noch aktiv?

Ich spiele in vielen verschiedenen Formationen: Zum Beispiel im «Müsigli», einer Sechserformation, mit der wir letzthin in der Kulturplatz-Sendung am Fernsehen gezeigt wurden. Ausserdem bin ich im Orchesterverein Einsiedeln, im Orchester Schwyz-Brunnen, in der Harmonie Freienbach und in der Seniorenbandmusik Freienbach und wenn gefragt, spiele ich da und dort als Aushilfe. In den Achtzigerjahren habe ich das Dirigenten-Diplom gemacht. Ich dirigierte den Musikverein Euthal, war seit der Gründung der Jugendmusik Einsiedeln 25 Jahre als Vizedirigent im Vorstand, davon acht Jahre als Dirigent. Wo treten Sie am liebsten auf?

An einem Ort, wo das Publikum mitmacht. Das Wichtigste ist, dass die Musik ankommt – dass der Auftritt nicht «für nichts» ist. Was beschäftigt Sie im Leben ausser der Musik? Ich bin viel in der Natur, arbeite im Wald und auf der Alp. Ausserdem wandere ich gerne zusammen mit meiner Frau und hüte unsere Grosskinder.

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