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Schwyzer Bischof mit bestürzender kolonialer Vergangenheit

Schwyzer Bischof mit bestürzender  kolonialer Vergangenheit Schwyzer Bischof mit bestürzender  kolonialer Vergangenheit

Schwyzer Bischof mit bestürzender kolonialer Vergangenheit: Der aus Schwyz stammende Benediktiner Martin Marty war massgeblich an der tragischen Missionierung in Nordamerika beteiligt.

Im Schatten der Schwyzer Pfarrkirche aufgewachsen, im Schatten von kolonialen Verfehlungen wieder aufgetaucht. Das ist die unglaubliche und bestürzende Geschichte von Alois Marty (1834–1896), der Priester geworden ist, sich nach der Weihe Martin Marty genannt hat und schliesslich als «Schwyzer Missionar bei den Sioux» an den kolonialen Vergehen gegen die Indianer in Nordamerika massgeblich beteiligt gewesen ist.

Marty ist bei den Jesuiten ausgebildet worden. Nach den Sonderbundswirren mit dem Jesuitenverbot hat er zu den Benediktinern in Einsiedeln gewechselt. Von ihnen wurde er als 26-Jähriger nach Nordamerika geschickt. Zum einen, um dort eine neue Niederlassung aufzubauen, als Rückversicherung für den Schweizer Konvent. Zum anderen, um die indigene Bevölkerung zu missionieren.

«Das wilde Gesindel wie Wölfe jagen» Diese Emigration geschah in den Jahrzehnten des Kulturkampfs in der Schweiz, als der Liberalismus den neuen Staat gegründet und geprägt hat und die Ultrakonservativen nach wie vor nur gegen Rom geschaut ha-ben. In dieser Zeit sind zahlreiche Schweizer Niederlassungen in Nordamerika gegründet worden, New Bern, New Glarus, New Switzerland. Alle Neugründungen haben indigene Dörfer verdrängt und die native Bevölkerung dezimiert.

Die Schilderungen von Manuel Menrath, der zu dieser Thematik eines Schwyzer Missionars geforscht und publiziert hat, sind sehr beklemmend und machen betroffen. Schweizer Ansiedler hielten zum Beispiel wortwörtlich fest, dass dieses «wilde Gesindel wie im Gebüsch versteckte Wölfe gejagt werden muss». Die Folgen waren verheerend. Von einer indianischen Bevölkerung zwischen 12 und 15 Millionen Einwohnern um 1492, bei der Entdeckung Amerikas, waren 1890 nur noch 250’000 übrig geblieben.

Schweizer und Schwyzer war in diesem Sinne an der Ausrottung der indianischen Bevölkerung beteiligt. Autor Menrath zieht den Schluss, dass der Kulturkampf in der Schweiz direkte Auswirkungen auf den Genozid an der indianischen Bevölkerung in Nordamerika gehabt hat. Marty, inzwischen als «Indianermissionar » eingesetzt und schliesslich Bischof geworden, war aus seiner Sicht sehr erfolgreich. Er baute Dörfer auf, Schulen, ein Seminar und war auch der erste Abt im 1870 erbauten Kloster. Dieses besteht als St. Meinrad Indiana noch heute und ist so-gar grösser als das Stammkloster Einsiedeln selber.

Dieser «Apostle of the Sioux Indians» ist mit Unterstützung des Staates und der Armee gegen die indigene Bevölkerung vorgegangen. Die indianischen Kinder wurden den Eltern weggenommen, rund 120’000 Kinder wurden zwangsinterniert, in Internate gesteckt und «umerzogen». Indianern wurden die Haare geschnitten, sie wurden in westliche Kleidung gesteckt und so vermeintlich «zivilisiert». Gemäss Menrath handelt es sich um einen kulturellen Genozid, für den auch in den Pfarreien im Kanton Schwyz Opfer aufgenommen und Geld gesammelt worden ist.

Manuel Menrath, Historiker, Professor und Präsident der Historischen Gesellschaft Luzern, hat zu dieser tragischen Thematik doktoriert. Er hat die Geschichte des «Schwyzer Missionars bei den Sioux» aufgearbeitet. Damit hat er auch die bisherige Hagiografie, also eine Heiligenbiografie, über Martin Marty auf wirkliche Fakten gestellt und vor allem auch die Sicht der Betroffenen erfasst. Die Missionierung ist ganz anders zu beurteilen als noch vor fünfzehn Jahren. Die publizierte Geschichte über den Indianer-Bischof hat auch im Kloster Einsiedeln «sehr betroffen gemacht», bestätigte Menrath. Erstaunlich ist eher, dass diese belastete Geschichte bis-her zwar wohl in Kanada, aber in den USA noch gar nicht aufgearbeitet worden ist.

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