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Vereint im Gesang – der ukrainische Chor «Perespiv»

Vereint im Gesang – der ukrainische Chor «Perespiv» Vereint im Gesang – der ukrainische Chor «Perespiv»

Seit Kriegsbeginn versammeln sich Ukrainerinnen und Ukrainer im Chorprojekt «Perespiv» – im Kanton Schwyz und schweizweit.

In einer kleinen, gemütlichen Einsiedler Stube hat sich eine Gruppe von Sängerinnen und Sängern getroffen. Trotz der Enge ist die Stimmung heiter. Ukrainische Volkslieder werden geprobt, Lieder, die – mal romantisch, mal kämpferisch – von der Schönheit eines Landes, seinen Märchen und Mythen erzählen.

Unter das Dutzend Frauenstimmen mischen sich auch zwei Männer, beides Tenöre. Am E-Piano leitet Tatiana Loma-ka, die 2022 flüchtete, als ihre Heimatstadt Irpin von den Russen besetzt wurde. Immer wieder greift sie einzelne Passagen heraus und vertieft sie mit den einzelnen Registern. Freundlich ermahnt sie die Sängerinnen zur richtigen Atmung und Artikulation und formt die fidele Gruppe langsam zu einem harmonischen Klangkörper. Wie Tatiana erzählt, übernahm sie den Einsiedler Chor sowie die Sektion in Goldau 2023 von der ersten Leiterin Ester Rickenbach. Der Chor sei in erster Linie ein soziales Projekt. «Wir singen für unsere Seele», so Lomaka. Mittlerweile sei das Niveau der Regionalchöre auch dank der professionellen Gesamtleitung von Zorjana Mazko auf ein gutes Niveau gebracht worden.

Der Chor gibt Energie und Lebenswillen In der Pause wird geplaudert und gelacht, für viele ist der Chor, der im 2022 aus der Not gegründet wurde, zu einem Zuhause geworden. «Ich habe schon als Schülerin gerne getanzt und gesungen und singe heute noch bei jeder Gelegenheit », erzählt Natalia Kononowa aus Charkiv, die seit März 2022 zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Einsiedeln lebt. Mit dem Chor möchte sie den Schweizern ein Stück Ukraine näherbringen.

Genadi und Olga Skworzowy kamen 2023 aus Kiiv in die Schweiz und erfuhren über ihre Deutschlehrerin von dem Chor. Sie beschafften sich sofort die Nationaltracht, um mitzumachen. «Der Chor gibt uns Energie und Lebenswillen», erzählen sie begeistert. Die Universalsprache der Musik mache es möglich, die Sprachbarriere zu überwinden und den Schweizern von ihrem Land zu erzählen. «Dank den Auftritten des Chors haben wir die ganze Schweiz kennengelernt. »

Taras Schewtschenko – Begründer ukrainischer Kultur

Die Schülerin Sofia Chochlowa ist 2022 mit ihrer Familie aus Kiiv nach Einsiedeln gekommen und besucht heute das 10. Schuljahr in Pfäffikon. Sie spricht sehr gut Deutsch und singt auch im Perespiv-Jugendchor mit. Daneben macht sie Karate und Volleyball in den Einsiedler Vereinen und spielt in der Theatergruppe für ukrainische Jugendliche. Begeistert erklärt sie den nächsten wichtigen Event, an dem der Chor teilnehmen wird: «Tarases Weide ». Gemeint ist damit der Weidenbaum des ukrainischen Nationaldichters und -künstlers Taras Schewtschenko (1814– 1861, ohne den es laut Sofia die Ukraine nicht gäbe.

Schewtschenko wuchs in einer Familie von Leibeigenen in der Ukraine auf, die zu seinen Lebzeiten zum russischen Imperium gehörte. Aufgrund seiner Begabung konnte er studieren und wurde später freigekauft. Wegen seines Engagements für die ukrainische Nationalbewegung wurde er verhaftet, eingesperrt und für viele Jahre in die Verbannung geschickt. Der Legende nach steckte er eines Tages einen Stock in die Erde, aus dem eine Weide wuchs, in deren Schatten er sich erholte und die sein Heimweh linderte.

Von dieser Weide wurden in der Zwischenzeit Setzlinge nach Liviv geholt und weitergezüchtet, um Taras-Weiden in der ganze Welt zu pflanzen. Gerade jetzt, wo sich Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern als Flüchtlinge im Ausland befinden, hat diese (Heimweh-) Weide eine besondere Bedeutung bekommen. Am 27. Oktober wird im Bruno Weber Park in Dietikon feierlich eine weitere Taras-Weide gepflanzt, und sämtliche regionalen Sektionen des «Perespiv »-Chors werden gemeinsam mit Solisten den Anlass musikalisch umrahmen. Nebst weiteren Konzerten in Luzern und Zürich wird der «Perespiv»-Chor am 27. November in der reformierten Kirche Einsiedeln am «Tag der ukrainischen Kultur» teilnehmen, wo die Ukrainer den Einheimischen ihre Kultur, ihre Bräuche und ihre Küche vorstellen. In der Adventszeit sind weitere Auftritte geplant.


«Wir singen für unsere Seele»: Der ukrainische Chor «Perespiv» probt in einer Einsiedler Stube. Fotos: Eugen von Arb

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