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«Der Umgangston hat sich verschärft, Grenzen werden öfter überschritten»

«Der Umgangston hat sich verschärft,  Grenzen werden öfter überschritten» «Der Umgangston hat sich verschärft,  Grenzen werden öfter überschritten»

Marco Zürcher war bis vor Kurzem oberster Schwyzer Personalchef: Er steht Red und Antwort über die grösser werdende kantonale Verwaltung und weshalb es ein neues Verwaltungszentrum brauche.

JÜRG AUF DER MAUR

Sie waren seit 2006 kantonaler Personalchef. Was war für Sie das Schlimmste in Ihrem Job? Waren Sie als Personalchef faktisch oberster Kummerkasten? Manchmal harte Entscheide treffen zu müssen, welche einerseits unumgänglich und nötig sind, aber andererseits massive Konsequenzen für Betroffene mit sich bringen können. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass ich als Kummerkasten herzuhalten hatte. Ich glaube auch, dass sich durch Rückmeldungen, seien es positive oder negative, immer auch Chancen ergeben.

Wie hat sich das Personal verändert? Wurden die Leute aufmüpfiger oder «einfacher» im Umgang? Die Gesellschaft und damit auch das kantonale Personal hat sich in den letzten Jahren schon verändert. Heute sind gewisse Einflüsse – zum Beispiel durch die sozialen Medien – schneller spürbar, und dadurch, glaube ich, sind die Menschen auch anspruchsvoller geworden. Was hat sich geändert in Ihrer Amtszeit? Es ist alles viel hektischer, aber dafür auch oberflächlicher geworden. Auch der Umgangston hat sich verschärft. Es ist heute viel einfacher, jemanden öffentlich zu kritisieren, und immer öfter werden mit solchen Aktionen auch Grenzen überschritten. Was machen Sie jetzt und weshalb? Wollten Sie einfach in die Privatwirtschaft? Ich habe die Chance erhalten, eine neue Herausforderung im HR in der Privatwirtschaft anzutreten. Nach mehr als 15 Jahren im öffentlichen Umfeld habe ich mich entschieden, diese auch anzunehmen. Der Kanton ist der grösste Arbeitgeber im Kanton Schwyz. Für viele Leute ist das ein echtes Problem, das zeige, dass die Verwaltung um sich greife. Für Sie auch? In den meisten Kantonen ist die kantonale Verwaltung die grösste Arbeitgeberin – zumindest kantonal. Ich glaube auch nicht, dass die Mehrheit der Bevölkerung der Meinung ist, dass die Verwaltung um sich greift. Wich-tig ist, dass die Arbeit der Verwaltung transparent und bürgerfreundlich gestaltet wird. Aber die Verwaltung ist immer grösser geworden. Gibt es eine Grenze beim kantonalen Wachstum?

Die kantonale Verwaltung wächst weniger schnell als die Bevölkerung. Das zeigt, dass Wachstum zwar stetig vorhanden ist, dies aber kontrolliert geschieht. Schwyz rühmt sich, eine schlanke Verwaltung zu haben. Hätten wir Kantonsspitäler, sähe es doch schlechter aus? Der Kanton Schwyz hat im Vergleich zu anderen Kantonen eine absolut schlanke Verwaltung. Wichtig ist aber auch, dass diese Vergleiche mit den gleichen Kennzahlen durchgeführt werden. Ist der Kanton überhaupt personell fit genug? Homeoffice sei beim Kanton arg im Hintertreffen, heisst es. Hat man also die Digitalisierung verschlafen? Ich glaube, man darf «personell fit» nicht mit Homeoffice respektive der Digitalisierung gleichsetzen. Der Kanton Schwyz hat beim Personal eine gute Durchmischung in allen Bereichen. Wir haben immer wieder Mitarbeitende, welche aus der kantonalen Verwaltung einen Karriereschritt machen können. Dies zeigt, dass der Arbeitgeber dem Personal auch die nötige Zeit für Entwicklungsmassnahmen einräumt und unterstützend wirkt.

Das heisst?

Im Bereich der Digitalisierung ist es weniger die Verwaltung, welche die Entwicklung hemmt, sondern die gesetzlichen Grundlagen, die der digitalen Entwicklung nicht standhalten können. Während der Corona-Pandemie hat mehr als die Hälfte des Verwaltungspersonals seine Arbeit im Homeoffice erledigt. Die Arbeitsform wird auch nach der Pandemie für das Büropersonal möglich sein. Braucht es denn tatsächlich so ein grosses neues Verwaltungszentrum? Homeoffice ginge doch auch? In der Privatwirtschaft werden deshalb viele Büroräume gar nicht mehr gebraucht.

Das neue Verwaltungszentrum dient als Ersatz für den Stand-ort an der Bahnhofstrasse 15 und führt zahlreiche Mietlösungen zusammen. Damit können die internen Abläufe verbessert und die Kosten gesenkt werden. Bei der Planung werden auch Arbeitsmodelle der Zukunft berücksichtigt. Homeoffice ist aber nicht für alle Tätigkeiten geeignet.

Ganz allgemein gefragt: Was würden Sie im Personalbereich tun, wenn Sie beim Kanton einfach so frei entscheiden könnten?

Im Grossen und Ganzen bin ich der Meinung, dass der Kanton Schwyz im Personalbereich sehr gut aufgestellt ist und dass er gute Leistungen erbringt. Weitere Verbesserungsmöglichkeiten wären etwa im Bereich der Personalentwicklung und beim betrieblichen Gesundheitsmanagement denkbar.

Der Kanton rühmt sich jedenfalls, eine schlanke Verwaltung zu haben, kommt aber immer mehr an die Grenzen. Das hat gerade die Pandemie gezeigt, etwa im Bereich Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Der Kanton Schwyz ist mehrheitlich geprägt von konservativen Werten. Unter anderem gilt der Schwyzer als bescheiden. Daher hatte ich nie das Gefühl, dass der Kanton seine effektiv schlanke Verwaltung medial rühmend darstellt. Die letzten zwei Jahre waren für alle Unternehmungen, Verwaltungen und vor allem auch für die Bürger eine grosse Herausforderung. Auch die Verwaltung wird bestrebt sein, diese Erfahrungen in weiter verbesserte Dienstleistungen umzusetzen. Welches sind die grössten Herausforderungen, die personell auf den Kanton zukommen? Was ist in Sachen Digitalisierung zu tun?

Der digitale Wandel ist sicher eine der grössten Herausforderungen, nicht nur für den Kanton, sondern auch für die Gesellschaft. Weitere Herausforderungen sind sicher der Fachkräftemangel, die anhaltende Spezialisierung sowie die steigende Zahl von psychisch indizierten Langzeiterkrankungen.

Kann der Kanton mit den Löhnen mithalten? Wie viel verdienen im Durchschnitt Verwaltungsangestellte?

Der Kanton Schwyz zahlt adäquate Löhne, die sich durchaus mit der Privatwirtschaft vergleichen lassen können. Einzig bei wenigen Fachspezialisten und im Kaderbereich liegen die Löhne unter den Lohnansätzen in der Privatwirtschaft. Was wird für Gleichberechtigung gemacht?

Die Gleichberechtigung ist absolut zentral. Beispielsweise hat der Kanton Schwyz im Rahmen der Lohngleichheitsanalyse feststellen dürfen, dass nicht einmal andeutungsweise eine geschlechterspezifische Lohndiskriminierung vorhanden ist. Auch in der Personalselektion wird Wert darauf gelegt,dass die richtige Person und nicht ein spezifisches Geschlecht rekrutiert werden kann.

Trotzdem sind es nur wenige Frauen in Kaderfunktionen. Es gibt zum Beispiel keine einzige Frau, die ein Departementssekretariat führt. Was ist zu tun? Der Anteil an Frauen im Kaderbereich konnte in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert werden. Damit ist der Kanton Schwyz auf dem richtigen Weg.

In der Privatwirtschaft ist der Fachpersonalmangel derzeit das grosse Problem: Kennt das der Kanton auch? In gewissen Arbeitsbereichen – zum Beispiel im Ingenieurbereich – ist der Markt in der ganzen Schweiz ausgetrocknet. Davon ist der Kanton Schwyz selbstverständlich auch betroffen. Aber in den meisten Fällen können die offenen Stellen ohne grössere Probleme besetzt werden.

Er hat den neuen Job in der Privatwirtschaft schon in Angriff genommen: Marco Zürcher, bis vor kurzem oberster Schwyzer Personalchef.

Foto: zvg

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