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«Niemandem kommt es in den Sinn, eine Kapelle abzureissen»

Martin Killias, emeritierter Professor für Strafrecht und Präsident Schweizer Heimatschutz, steht Red und Antwort zum Haus Felsegg.

ANDREAS SEEHOLZER

Der Bauherr ist auf der Liegenschaft in Illgau aufgewachsen. Wie kann man einem Menschen verbieten, auf seiner Liegenschaft modern wohnen zu wollen? Sehr häufig haben Leute, die in einem solchen Objekt aufgewachsen sind, keine Freude da-ran: Das ist psychologisch verständlich. Aber das gibt doch niemandem das Recht, eine solche Baute abzureissen. Wer keine Freude daran hat, soll in eine moderne Wohnung ziehen und das Alte freigeben und verkaufen.

Verkaufen?

Das ist immer möglich, denn ich bin sicher, dass in dem Haus in Illgau jemand hätte wohnen wollen. Wir haben beim Schweizer Heimatschutz eine Seite im Internet für das Handeln von alten Häusern. Und es gibt viel mehr Leute, die denkmalgeschützte Bauten suchen, als solche, die sie anbieten. Auch für Häuser in den hinters-ten Tälern?

Ja, es ist nicht zu unterschätzen, wie hoch die Nachfrage für solche Bauten ist. Auch bei Raumhöhen von 1,8 Metern. All die Leute, die meinen, sie müssen ihren «alten Schopf» abreissen, liegen meiner Meinung nach falsch. Die hohen Kosten für die Sanierung sind immer ein Thema. Ja. Aber die Finanzierung von alten Bauten ist nur dann hoch, wenn beispielsweise in ein altes Holzhaus mehrere Wohnungen eingebaut werden sollen. Lässt man die Bauten in ihrem ursprünglichen Zustand, kostet eine massvolle Modernisierung deutlich weniger.

Die Schwyzer Regierung hat sich für einen Abbruch entschieden, weil genügend solche Bauten im Kanton erhalten seien. Warum müssen alle diese Bauten aus dem Spätmittelalter erhalten werden?

Diese Bauten machen den Reichtum einer Gegend aus. Der Kanton Schwyz hat im Gegensatz zu vielen Regionen in Europa das Glück, dass er viele Häuser aus dem Spätmittelalter hat. Das ist für Schwyz touristisch interessant. Nehmen wir die vielen Kapellen im Kanton Schwyz: Da kommt es doch auch niemandem in den Sinn, diese abzureissen. Oder Italien mit den in Europa weitaus meis-ten Kunstschätzen: Da könnten die Italiener auch sagen, dass sie zu viele solcher Bauten ha-ben und diese reduzieren. Das kommt aber niemandem in den Sinn, weil die Italiener genau wissen, dass dann auch viel weniger Touristen kämen. Zu den unrechtmässigen Gewinnen: Können Sie dazu etwas mehr sagen? Wenn zum Beispiel auf einer Liegenschaft mit tausend Quadratmetern ein altes Chalet steht, kann hier mit dem Abriss und durch die höhere Ausnützung der Fläche eine deutlich grössere Baute mit mehreren Wohnungen erstellt werden. In der Ausschöpfung der Ausnützungsziffer und damit dem verdichteten Bauen entsteht der Gewinn, der als unrechtmässiger abgeschöpft werden kann. Der Gewinn liegt also in der Ausnutzung der bestehenden Fläche und nicht in den Baukosten. Die sind bei Neubauten nämlich deutlich höher.

«All die Leute, die meinen, sie müssen ihren alten Schopf abreissen, liegen falsch.» «Der Kanton Schwyz hat das Glück, dass er viele Häuser aus dem Spätmittelalter hat.»

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