Und sein Bruder machte gerade Ferien in Einsiedeln!
MAGNUS LEIBUNDGUT
Thomas A. Kaelin ist zu Gast im Hotel Linde am Klosterplatz in Einsiedeln. Wie fast in jedem Jahr besucht der 57-jährige Anwalt aus Woodbury im US-Bundesstaat Connecticut zusammen mit seiner Frau Linda Kaelin das Klosterdorf, um im Ybrig zu wandern.
«Komplett überrascht!» Am Montag erfuhr Thomas Kaelin am Sihlsee, dass der diesjährige Nobelpreis in der Kategorie Physiologie und Medizin an seinen Bruder William G. Kaelin verliehen wird: «Ich bin von dieser Nachricht komplett überrascht worden und hatte keine Ahnung davon.» Er freue sich über alles, dass sein Bruder diesen Preis gewonnen hat. Auch wenn er nicht viel davon verstehe, worüber sein Bruder forsche und wie Zellen Veränderungen in der Verfügbarkeit von Sauerstoff wahrnehmen würden und sich daran anpassen könnten.
Innig verbunden mit Bruder
Denn schliesslich ist Thomas A. Kaelin auch nicht Onkologe und Professor an der Harvard Medical School wie sein Bruder, sondern vielmehr Anwalt in Zivilrecht in Watertown, einer Stadt in der Nähe von Boston im Bundesstaat Massachusetts in den Vereinigten Staaten. Studiert hat Thomas Kaelin an der Washington University School of Law in St Louis (Missouri).
Weil Thomas A. Kaelin seinem Bruder sehr nahe steht, ist er erst recht überaus glücklich über den Umstand, dass William Kaelin der Preis verliehen wird: «Unsere Familienbande sind sehr stark. Wir sind sechs Geschwister und untereinander sehr verbunden.» Sein Bruder sei zwar vom Charakter her ein ganz anderes Wesen und ihm gar nicht ähnlich. Nichtsdestotrotz habe er seinen Bruder sehr gerne und freue sich mit ihm über diesen Preis. Dass die Familienbande bei Kaelins über alle Zeiten und Kontinente hinweg ausserordentlich stark sind, lässt sich alleine dadurch erkennen, dass der Anwalt von der US-Ostküste im Hotel Linde in Einsiedeln abgestiegen ist. Denn dieses Haus wird von Susanna Kälin Waldvogel geleitet, eine Cousine vierten Grades von Thomas und William Kaelin.
Aus purer Not ausgewandert
Der Urgrossvater von Susanne Kälin, Josef Anton Kälin, hatte nämlich einen Bruder namens Joseph Augustin Kaelin, der 1864 mit 14 Jahren nach New York ging, um dort für den Benziger Verlag Arbeit als Buchbinder und Ausläufer zu finden. Dieser Junge wanderte aus purer Not nach Amerika aus. Benziger zahlte damals hundert Franken Reisegeld, um Schweizer Arbeiter zu rekrutieren.
Thomas Kaelin kennt die Geschichte rund um seinen Ururgrossvater Josef August Kaelin, der damals wie viele andere Einsiedler die Schweiz verliess, um Armut und Elend zu entfliehen. Sein Ahne aus dem Klosterdorf habe denn in New York im Jahr 1865 gleich mal Fürchterliches erlebt, als er einer Menge von Leuten in New York folgte und dann auf die Leiche des eben ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln stiess.
Ein Leben im Klosterdorf Im Klosterdorf geht das Leben naturgemäss friedsamer über die Bühne. Weil Thomas Kaelin die Berge und Landschaften rund um Einsiedeln über alles schätzt, kann sich der Rechtsanwalt durchaus vorstellen, dereinst im Klosterdorf Wurzeln zu schlagen und hierzulande zu leben.
Allerdings sei ein Zügeln von Woodbury nach Einsiedeln derzeit fürs Erste nicht geplant, meint der 57-Jährige lachend. Schliesslich sei Woodbury ein gemütliches Städtchen mit knapp 10'000 Einwohnern und dementsprechend durchaus mit Einsiedeln vergleichbar.
Linda und Thomas Kaelin weilen derzeit im Klosterdorf und sind zu Gast im Hotel Linde in Einsiedeln. Foto: Magnus Leibundgut