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«Melken ist eine schöne Arbeit»

«Melken ist eine schöne Arbeit» «Melken ist eine schöne Arbeit»

17 bis 18 Uhr auf dem Bauernhof: Silvan und sein Grossvater Hans Egli aus Trachslau melken ihre Kühe

TEXT UND FOTOS: GINA GRABER

Milchkühe werden zweimal täglich gemolken, frühmorgens und abends, wenn andere bereits ihren Feierabend geniessen. Es ist eine Arbeit, die ausnahmslos jeden Tag gemacht werden muss, bei jedem Wetter, immer zur selben Zeit. Das Melken auf Eglis Hof in Trachslau geht ruhig und routiniert vonstatten, jeder Handgriff sitzt, die Kühe geben das Tempo vor.

Ich fahre um viertel vor fünf mit dem Auto auf dem Hof der Familie Egli in Trachslau vor. «Gleich vis-à-vis vom Kieswerk», hat mir Silvan Egli am Telefon angegeben. Das Ziel ist nicht zu verfehlen. Draussen treffe ich niemanden an, ausser die dreifarbige Katze Gina, die mir neugierig um die Beine streicht. Die drei Namensschilder an der Haustüre lassen mich grad ein bisschen werweissen, wo ich läuten soll, da öffnet Lisbeth Egli schon die Türe und heisst mich herzlich willkommen.

Drei Generationen – eine Gemeinschaft Lisbeth und Hanspeter Egli sind die mittlere der drei Generationen, die auf dem Hof unter einem Dach leben und zusammen mit Silvan den Betrieb als Generationengemeinschaft bewirtschaften. «Silvan ist im Stall, er erwartet dich», weist mich Lisbeth freundlich in Richtung des Gebäudes neben dem Wohnhaus. Unterdessen kommt mir Jungbauer Silvan Egli (27 Jahre) auch schon entgegen und reicht mir die Hand. Ich fühle mich sehr willkommen.

Ich hole meine Gummistiefel aus dem Kofferraum und schlüpfe hinein, hänge mir die Kamera um den Hals und klemme den Notizblock mit meinen Fragen unter den Arm. Silvan führt mich in den hohen, zweistufigen Melkraum. Dort ist bereits Silvans Grossvater Hans Egli (86 Jahre) mit den Vorbereitungen fürs Melken beschäftigt. Sein Alter gibt man ihm nicht, so aufrecht und sicher, wie er seiner Arbeit nachgeht. «Abends melken wir meistens zusammen», erklärt sein Enkel. Die beiden sind ein eingespieltes Team und können sich ohne viele Worte aufeinander verlassen.

Die Melker arbeiten im ebenerdigen Bereich in der Mitte des hohen Raumes. Um diesen Arbeitsbereich führt auf etwa einem Meter Höhe ein breiter Gang rundherum, wo vier Melkplätze eingerichtet sind, zwei links, zwei rechts. Gang und Melkplätze sind mit stabilen Metallgittern gesichert. Hans und Silvan öffnen und schliessen die Gatter zu den Melkplätzen vom tiefergelegenen Arbeitsplatz aus und schleusen so die Kühe auf dem Weg vom Stall durch den Gang zum Melkstand und wieder zurück in den Stall.

Kühe sind Gewohnheitstiere

Nun kommen sie, die Hauptdarstellerinnen meines Berichts: Eine Kuh nach der anderen betritt gemächlich den hohen Gang und trottet zum nächsten freien Melkplatz. «Kühe sind Gewohnheitstiere », weiss Silvan Egli: «Sie möchten, dass immer alles gleich abläuft. Änderungen bringen sie aus dem Trott.» Die Kühe bewegen sich ohne Eile vorwärts, kennen den Ablauf.

Bevor die Melkbecher angesetzt werden, reinigen Silvan und Hans jeder Kuh zuerst mit einem Lappen die vier Striche, wie die Zitzen der Kuh im Fachjargon heissen, und spritzen ihnen die Klauen und den Bauch mit Wasser ab. «So säubern wir sie und halten gleichzeitig die Fliegen etwas ab», erklärt mir Silvan. Weil es ständig leise brummt und zischt, ist die Akustik für eine neugierige Reporterin denkbar ungünstig. Mehrmals muss ich nachfragen, aber Silvan und sein Grossvater Hans verlieren die Ruhe nicht, wiederholen ihre Ausführungen geduldig, ohne die Arbeit zu unterbrechen.

In Eglis Stall stehen dreissig Kühe der Rasse Original Braunvieh, kurz «OB» genannt. Das braungraue Vieh ist in unserer Region auf vielen Weiden anzutreffen, es eignet sich gut für die Haltung auf den voralpinen Hügeln. Fünf von Eglis Milchkühen sind momentan «trocken», das heisst, sie erwarten in den nächsten Tagen oder Wochen ein Kalb und werden deshalb vor der Geburt während zweier Monate nicht gemolken.

«OB» ist eine Zweinutzungsrasse Für die 25 Kühe, die heute Milch geben, dauert das Melkprozedere jeweils fünf, sechs Minuten. In dieser Zeit geben sie im Schnitt etwa 20 bis 22 Liter Milch, die direkt in den Kühltank im Nebenraum gepumpt wird. Man liest und hört doch immer von Hochleistungskühen, die 30 und mehr Liter Milch pro Tag geben, aber Silvan winkt ab: «Das Original Braunvieh ist eine Zweinutzungsrasse, das heisst, dass die Tiere sowohl als Milchkühe wie auch als Mutterkühe gehalten werden können. Deshalb brin-gen sie nicht die gleiche Leis-tung wie reine Milchrassen.» So liefert jede von Eglis Milchkühen im Jahr etwa 6000 bis 6500 Kilogramm Milch. Im Schnitt bleiben sie neun bis zehn Jahre auf dem Hof.

Bevor die Tiere zurück in den Stall entlassen werden, bekommt jede ein «Zitzenbad»: Jeder der vier Striche wird kurz in eine desinfizierende und gleichzeitig pflegende Lösung eingetaucht, um Zitzenentzündungen vorzubeugen. Hans und Silvan sind zufrieden mit ihrer Arbeit, alles ist gut gegangen, die Tiere sind gesund. «Melken ist eine schöne Arbeit», meint Silvan abschliessend.

Jeden zweiten Tag wird die Milch abgeholt Im Nebenraum beendet sein Vater Hanspeter (56 Jahre) den Melkvorgang und pumpt die restliche Milch aus dem Melkstand in den Milchtank. Der runde Tank aus Chromstahl fasst 1100 Liter Milch und kühlt diese auf vier Grad herunter. Bei dieser Temperatur kann die Milch zwei Tage lang unter Einhaltung der strengen Hygienestandards gelagert werden. Jeden zweiten Tag wird Eglis Milch von einem Tanklaster der genossenschaftlich organisierten Milchproduzentenorganisation «mooh» abgeholt und als Molkerei- oder Industriemilch vermarktet.

Zurück im Stall mampfen die Kühe schnaubend würziges Heu. Während der Sommerhitze halten sie sich tagsüber lieber drinnen auf, wo sie weniger von Fliegen und Bremsen belästigt werden. Dafür grasen sie nachts und in den frühen Morgenstunden auf den Weiden rund um den Hof. Das Futter von Eglis Vieh besteht zu 90 bis 95 Prozent aus Heu, Emd und Silage aus eigener Produktion. Wenig Kraftund Spezialfutter ergänzen den Menüplan der Wiederkäuer.

Es ist mittlerweile sechs Uhr am Abend, in Eglis Dreigenerationenhaus wartet Lisbeth mit dem Nachtessen. Eine letzte Streicheleinheit für meine Namensvetterin Büsi Gina – dann ist es Zeit, mich zu verabschieden.

Grossvater Hans Egli hilft auch mit 86 Jahren noch jeden Tag beim Melken.

Vater Hanspeter und Sohn Silvan bewirtschaften ihren Hof in Trachslau als Generationengemeinschaft. Grossvater Hans Egli hilft noch tatkräftig mit.

Skeptischer Blick zur Fotografin: Die Kuh Olive hat das Melken hinter sich und trottet selbstständig in den Stall zurück.

Hans und Silvan arbeiten ruhig und konzentriert: Eine Kuh nach der anderen wird gemolken.

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