Sonnenschein und Gewitterfront
Die Silac blickt auf 80 erfolgreiche Jahre zurück – und sieht wegen der Energiekrise schwierige Zeiten auf sich zukommen
Der letzte Samstag bescherte der Silac AG ein Wechselbad der Gefühle: einen tollen Besuchstag sowie schlechte Nachrichten.
VICTOR KÄLIN
«Lässt die Schweiz ihre Firmen im Stich?» Diese Frage veröffentlichte der «Tages-Anzeiger» in seiner Samstagsausgabe auf der Frontseite des Wirtschaftsteils. Gestellt hat sie Peter Birchler (Foto), seines Zeichens Inhaber und Firmenchef der Silac AG in Euthal. Der Zufall wollte es, dass das traditionsreiche Familienunternehmen gleichentags zum Tag der offenen Türe lud. Den 80. Geburtstag wollte man zusammen mit Partnern, Lieferanten und der Bevölkerung feiern (siehe Box).
Doch beim Kunststoffhersteller Silac drohen Entlassungen, Kurzarbeit – und im schlimmsten Fall das Aus. Es ist nicht das einzige Unternehmen, das we-gen der Energiekrise ums Überleben kämpft. Dies die Analyse von Peter Burkhard, dem Leiter der Wirtschaftsredaktion von Tamedia.
«Zum dümmsten Zeitpunkt»
Und so war Birchler am letzten Samstag nicht nur zum Feiern zumute. Denn der hohe Strompreis gefährdet die Silac AG in ihrer Existenz. «Nicht heute», relativiert der 51-Jährige gegenüber dem Einsiedler Anzeiger. «Aber halten die hohen Strompreise zwei, drei Jahre an, dann ist die Firma gefährdet.» Bereits auf gestern Montag hat er eine Krisensitzung mit dem Kader einberufen. Einziges Traktandum: Wie geht es weiter, wenn der Strompreis so hoch bleibt? Die Antwort kennt Birchler schon jetzt: «Dann geht das an unsere Existenz. Ich muss Mitarbeitende entlassen und Kurzarbeit einführen.» Angelockt vom liberalisierten Strommarkt, entschied sich Birchler vor acht Jahren, von dessen Vorzügen Gebrauch zu machen: Sein Unternehmen profitierte von unschlagbar tiefen Energiepreisen von 6 Rappen pro Kilowattstunde (ohne Netzgebühren und sonstige Abgaben). In der Grundversorgung hätte sein Unternehmen das Dreifache bezahlt.
Doch jetzt explodieren auf dem freien Markt die Strompreise – vor allem, weil wegen Putins Krieg der Gaspreis unkontrolliert nach oben schnellte. Da in wichtigen Ländern wie Deutschland ein grosser Teil des Stroms mithilfe von Gas erzeugt wird, sind die Preise der beiden Energieträger miteinander verknüpft.
Ausgerechnet jetzt, laut Birchler «zum dümmsten Zeitpunkt », endet per Ende Jahr der Zweijahresvertrag der Silac AG mit dem Elektrizitätswerk Höfe, bei dem er den Strom für 6 Rappen bezieht. Der neue Preis wird rund 80 Rappen betragen – dreizehnmal mehr.
Mit normalen Marktbewegungen hat dies nichts mehr zu tun. Die Zunahme ist auch deutlich höher als bei einem durchschnittlichen Schweizer Haushalt. Dort beträgt sie 27 Prozent. Das mag für Menschen mit geringen Einkommen und Vermögen dramatisch sein, doch eine Verdreizehnfachung? Nun stehen deswegen bei der Silac AG die Arbeitsplätze auf dem Spiel. «Ja, wir haben profitiert vom freien Markt», räumt Peter Birchler gegenüber dem «Tages-Anzeiger» ein.
«Aber was jetzt auf uns als produzierenden Betrieb zukommt, sprengt alle Vorstellun gen.» Bei einem jährlichen Stromverbrauch von 1,8 Millionen Kilowattstunden bedeutet ein dreizehnmal höherer Preis Mehrkosten von 1,3 Millionen Franken. Bei einem Umsatz von 10 Millionen Franken kann man sich ausrechnen, wie katastrophal das ist.
«Können wir nicht stemmen»
«Das können wir schlicht nicht stemmen, das ist ruinös», sagt Birchler. Die Preise seiner Produkte seien knallhart kalkuliert. «Wenn wir diese Teuerung weiterverrechnen müssen, riskieren wir den Produktionsstandort. » Seine Auftraggeber würden dann nach günstigeren Produzenten im Ausland suchen. Mit diesem Alarmruf ist die Silac AG nicht allein. Der ebenso traditionsreiche Toilettenpapierhersteller Hakle meldete Zahlungsunfähigkeit an mit der Begründung, dass «die aktuellen Energie- und Materialpreise den Betrieb in die Enge treiben». Und so warnte der Schweizerische Gewerbeverband bereits letzte Woche, dass die Energiekrise für zahlreiche kleine und mittelgrosse Unternehmen das Aus bedeuten werde.
Zurück in Grundversorgung?
Eine solche Pleitewelle müsse in der Schweiz unbedingt verhindert werden, findet der Gewerbeverband. Zusammen mit dem Wirteverband Gastro Suisse will er eine Reihe von Forderungen an Bundesrat und Parlament aufstellen. Die wohl wichtigste lautet, dass Unternehmen, die Strom auf dem freien Markt kaufen, in die Grundversorgung mit ihren zurzeit deutlich tieferen Preisen wechseln dürfen. Gemäss den aktuellen Bestimmungen ist das nicht möglich.
Eine Rückkehr in die Grundversorgung würde seinem Unternehmen am meisten helfen, sagt Peter Birchler. Oder wenn der Staat die Strompreise künstlich tief halten würde.
Gänzlich vom Strommarkt abhängig ist die Silac jedoch nicht, setzt sie doch selbst auf umweltfreundliche Alternativen. Im Jahre 2020 liess der Kunststoffspezialist eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Produktionshalle erstellen. Die 432 Solar- Module produzieren pro Jahr 137’000 kWh Dies deckt 10 Prozent des benötigten Strombedarfs ab. LED und Wärmerückgewinnung sind weitere Stichworte, die in Euthal bereits eingeführt wurden. Und derzeit überlegt man sich, wie die Photovoltaik- Anlage weiter ausgebaut werden kann.
Doch heute macht sich Birch-ler wegen der Strompreisentwicklung grosse Sorgen – auch gegenüber Volkswirtschaftsdirektor Andreas Barraud: «Wir haben über Generationen und Jahrzehnte alles seriös erarbeitet, sind schuldenfrei, und nun dies. Ich weiss noch nicht, wie es nächstes Jahr weitergeht.» Er hoffe auch nicht, dass «die Firma untergeht. Aber es ist wirklich ernst», fasst Birchler gegenüber dem EA zusammen.
Bei rund 1000 Besuchern und Besucherinnen gab es da und dort ein Gedränge. Aber nur ein kleines.
Nur im Schutzanzug zu betreten: Für die neue Halle der Silac gelten besonders strenge Hygiene-Vorschriften.
Peter Birchler (links) konnte in Euthal auch den Schwyzer Volkswirtschaftsdirektor Andreas Barraud begrüssen.
Fotos: zvg
In der mechanischen Werkstatt flicken Nedzad Husic (links) und Josef Marty eine Werkzeugform für eine Spritzgussmaschine.
Schwerst- und Präzisionsarbeit: Walter Birchler und Defrim Durmishi (unten) beim Einbau einer Werkzeugform in eine Spritzgussmaschine.
Sie kommt in diesem Wirrwarr draus: Martina Birchler behebt eine Störung.
Fotos: Victor Kälin