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Ein Retter, der vom Himmel kommt

Ein Retter, der vom Himmel kommt Ein Retter, der vom Himmel kommt

Grosses Interesse am Kundenanlass der Raiffeisenbank Einsiedeln-Ybrig

240 Personen tauchten am letzten Donnerstagabend in die Welt eines Helikopter-Rettungsspezialisten ein. Marc Ziegler aus Grindelwald liess das Publikum an seinen packenden Einsätzen teilhaben.

WERNER BÖSCH

Marcel Birchler, Vorsitzender der Bankleitung, schaut jeweils gebannt an den Einsiedler Himmel, wenn er einen REGA-Helikopter sieht. «Einerseits hoffe ich, dass es um die verunfallte Person nicht allzu schlimm steht, andererseits bin ich stolz, dass diese Organisation schnelle und wirksame Hilfe leisten kann.» Birchler erwähnt kurz die «Alpine Rettung Schweiz ARS» mit ihren über 80 Rettungsstationen. Einen der alpinen Retter, den 57-jährigen Marc Ziegler – seines Zeichens Grindelwaldner Rettungschef – darf er ganz herzlich begrüssen. Er bezeichnet den Gast als wahres Multitalent: gelernter Maschinenschlosser, technischer Kaufmann, Bergführer, Betriebsökonom, Canyoningführer, hauptberuflich aber Leiter des Ausbildungszentrums Seilbahnen Schweiz in Meiringen BE. Schon nach Zieglers ersten Sätzen wird klar: Da erzählt – in sympathischem «Grindelwaldner- Ditsch» – ein absoluter Insider dieses Metiers. Er möchte mit seinem Vortrag das Publikum zum Schmunzeln bringen, ihm aber auch die ernste Seite der alpinen Rettung näherbringen. «Wenn ich auf Pikett bin, holt mich der REGA-Heli entweder vor meinem Haus oder irgendwo unterwegs ab. In zehn Minuten muss ich einsatzbereit sein.» Weitere Minuten später ist die Rettung, zum Beispiel an der Eiger-Nordwand, voll im Gange. Er ist dann als Rettungsspezialist Helikopter RSH Teil der Crew, die nebst dem Piloten auch einen Rettungssanitäter (zugleich Windenoperateur) und Arzt umfasst. Die 2005 von der REGA und dem SAC ins Leben gerufene Stiftung «Alpine Rettung Schweiz» zählt an die 3000 Bergretter, die allermeisten davon sind Hobby-Alpinisten. Regelmässig werden Bergung, Transport und Versorgung von Patienten trainiert. Als Marc Ziegler um 19.16 Uhr via App einen (Test-)Alarm erhält, meint er locker: «So tönt es etwa, wenn ich zu einem Einsatz aufgeboten werde.» Man kann sich gut vorstellen, dass dann auch bei einem routinierten Retter der Adrenalin-Spiegel ins Steigen gerät. Es ist nicht immer möglich, dass die Heli-Crew unmittelbar bei der verletzten Person landen kann. Im steilen Gelände kommt in über 800 Fällen pro Jahr die Rettungswinde zum Einsatz. Ein kurzer Video-Ausschnitt zeigt, wie das bei einer Übung abläuft: Die am rechten Teil des Helis angebrachte Winde besteht aus einem 90 Meter langen Stahlseil und ist für zwei Personen und maximal 270 Kilogramm Last ausgelegt. Dieses Seil kann auf rund 200 Meter zur «Longline» erweitert werden. Vier Meter über Boden gibt der Arzt oder Rettungsspezialist Helikopter ein Zeichen: Klare Kommandos sind ein Muss, man spricht, wie auch in der Fliegerei, von den «Standard Operation Procedures» SOP. Der Pilot verlässt sich zu 100 Prozent auf die Angaben der Retter. Wie der Einsatz in überhängendem Gelände mit der «Jelk-Stange» (Bruno Jelk war Chef der Bergrettung Zermatt), einer Teleskopstange, funktioniert, zeigt ein weiterer kurzer Film. Marc Ziegler erzählt, dass ihm auch immer wieder Verblüffendes widerfährt: So «erlebte» ein Bergsteiger einen 20-Meter-Sturz in eine Gletscherspalte. Rasches Handeln war gefragt. Der Pilot entschied sich spontan, den Gestürzten mittels Winde aus seiner miss-lichen Lage zu befreien. Marc Ziegler: «Eine erstmalige Meisterleistung des Piloten, Chapeau für diese Aktion!» Seilbahnrettungen gehören beinahe zu den Klassikern. Marc Ziegler erlebt dabei oft besondere Situationen. So galt es, eine Frau mit Burka und deren vier Kinder zu evakuieren. «War das ein Krampf, dieser Dame das Berge-Dreieck zu verpassen, mit dem Personen in aufrechter Haltung gerettet werden können!» Bilder zu solchen Aktionen zeigen: Die Gesichtsausdrücke der zu Rettenden sind oft alles andere als entspannt! Evakuierungen von Sesselliften und Gondel- sowie Seilbahnen gehören ins x-fach geübte Repertoire der verschiedenen Rettungsstationen schweizweit.

Suchaktionen sind für Retter und Angehörige eine besondere Belastung. Marc Ziegler erzählt, wie an seinem Hausberg, dem 3970 Meter hohen Eiger, im März 2009 zwei junge Alpinisten nach der Besteigung der Eiger- Nordwand auf dem Rückweg via Eigerjoch in einen Sturm gerieten und darum nicht sofort gerettet, sondern nur noch tot geborgen werden konnten. In solchen Situationen sind die Medien oft gnadenlos. Als Beteiligter denkt man bei derartigen Rettungsversuchen stets an «100 diverse Modelle». Rettungen bei Lawinenunfällen ha-ben gemäss Marc Ziegler eine besondere Dynamik, sind allermeistens gut durchgetaktet, doch vor allem: Da müssen – im Wettlauf mit der Zeit – alle Vollgas geben.

Die Eiger-Nordwand, auch «Mord-Wand» genannt: Was ist in dieser 1800 Meter ho-hen Wandflucht nicht schon alles passiert! 1971 konnten die ersten Rettungen mit dem Heli- Typ «Lama» durchgeführt werden. Gerettet wird heute auch nach Einbruch der Dunkelheit; unter anderem machen das Nachtsichtgeräte möglich. Retter Marc Ziegler erinnert sich an einen besonderen Einsatz in dieser Wand: Eine Basejumperin stürzte sich vom sogenannten «Pilz» die Wand hinunter. Nach dem Öffnen des Schirmes verfing sich dieser an einem Felsen. Wie durch ein Wunder blieb die Frau hängen. Nach einer nicht ungefährlichen Erlösung hing sie mit Retter Marc Ziegler an der Winde, schaute fragend nach oben zum Heli und meinte: «Is this safe?» Die Frage wird Marc Ziegler häufig gestellt: Warum Bergretter? Er hat viele Antworten im Köcher und spricht vom Helfer-Syndrom und von der Faszination, im Team zu arbeiten, dies mit einem High-Tech-Gerät wie dem Helikopter. «Vieles nimmt einen mehr her, als man von aussen denkt», meint der Referent. Das spürte er einmal hautnah, als er unmittelbar nach einem Einsatz auf dem Golfplatz «überhaupt nichts mehr traf». Und Ziegler schätzt die top ausgebildeten Mitarbeiter, wo er als «Laie» mitarbeiten dürfe. Ganz zu schweigen von der wichtigen «Debriefing- Kultur». Nebenbei: Insider bezeichnen Marc Ziegler als «Koryphäe auf seinem Gebiet». Die anschliessenden Fragen aus dem Publikum, noch vor dem feinen Apéroriche,beantwortetMarc Ziegler souverän. Auf die Fahrt hinauf nach Grindelwald, zu später Stunde, darf er einen Korb – gefüllt mit diversen Einsiedler Spezialitäten – mitnehmen.

Marc Ziegler (rechts) mit Tamara Schober, Leiterin Marketing der Raiffeisenbank Einsiedeln-Ybrig, sowie Marcel Birchler, Vorsitzender der Bankleitung.

Foto: Thomas von Rohr

Der zweimotorige Rettungsheli Agusta Da Vinci bei einem Windeneinsatz. Foto: zvg

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