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Tote 16-Jährige an Drogenparty: Fünf Personen standen vor Gericht

Der Staatsanwalt verlangt Gefängnisstrafen, weil Mitfeiernde und Hausbesitzer in Lachen den Tod einer 16-Jährigen nicht verhindert hatten. Die Verteidigung pocht auf Freisprüche.

RUGGERO VERCELLONE

Einen tragischen Ausgang nahm am 2. August 2020 eine mehrtägige Party in einem Wohnhaus in Lachen. An der Feier, an der mindestens 15 Personen im Alter zwischen 15 und 44 Jahren teilgenommen hatten, starb ein damals 16-jähriges Mädchen. Sie verlor ihr Leben, nachdem sie nebst Alkohol, Medikamenten und Canna-bis auch eine Morphinmischung eingenommen hatte und nicht rechtzeitig in ärztliche Behandlung gebracht worden war.

Tödliches Morphingemisch

Die 16-Jährige hatte das Morphingemisch aus einer Petflasche getrunken, die vom Hauptangeklagten für den Eigenkonsum mitgebracht worden war. Wenig später wurde sie krank. Sie wurde bleich, zuckte beim Atmen, und Speichel lief aus ihrem Mund. Einige Mitfeiernde sahen das und kümmerten sich um sie, indem sie regelmässig ihren Puls kontrollierten. Weiteres unternahmen sie nicht.

Am Abend begab sich das Mädchen in die Gartenlaube, wo sie sich auf eine mit Decken und Kissen unterlegte Holzpalette legte und schlief. Nach einer mehrstündigen Agoniephase, bei der sie nicht mehr ansprechbar war, verstarb sie in den frühen Morgenstunden an einer zentralen Atemlähmung. Zum Zeitpunkt ihres Todes hatte sie eine Konzentration an Morphin intus, die tödlich war.

Hauptangeklagt wurde ein heute 25-jähriger Schweizer. Der damals stark Morphin konsumierende junge Mann hatte das tödliche Morphingemisch mitgenommen. Ihm warf der Staatsanwalt im Wesentlichen vorsätzliche, eventuell fahrlässige Tötung durch Unterlassung vor. Er habe es ermöglicht, dass das Mädchen das Gemisch aus der von ihm unbeaufsichtigten Petflasche getrunken habe. Zudem habe er es unterlassen, dafür zu sorgen, dass das Opfer in ärztliche Behandlung kam, obwohl er um die Gefährlichkeit der Droge gewusst habe und den kritischen Zustand des Mädchens erkannt habe. Massnahme statt Freiheitsstrafe von neuneinhalb Jahren Für den vorbestraften Mann, der sich in dieser Woche in einem weiteren Prozess wegen weiterer Delikte (vorwiegend gegen das Betäubungsmittelgesetz) zu verantworten hat, verlangte der Staatsanwalt eine Gesamtstrafe von neuneinhalb Jahren sowie eine Busse von 1000 Franken. Die Freiheitsstrafe soll zugunsten einer Massnahme für junge Erwachsene aufgeschoben werden, die er bereits angetreten hat. Dort absolviert er eine Lehre.

Er lebe inzwischen drogenfrei, sagte der Beschuldigte: «Was an diesem Abend passierte, ist eine Tragödie.» Er habe gesehen, dass sich viele um das Mädchen gekümmert hätten, damals aber selbst nicht reagiert. Heute bereue er das zutiefst. Angeblich nicht bemerkt …

Vor dem Strafgericht standen am zwei Tage dauernden Prozess auch die 46-jährige Hausbesitzerin, ihr gleichaltriger Ehemann, ihr heute 20-jähriger Sohn sowie ein 21-jähriger Partygänger. Die drei Italiener und der Schweizer wurden vor allem der Unterlassung der Nothilfe angeklagt. Alle Beschuldigten seien für den Tod des Mädchens verantwortlich, sagte der Staatsanwalt: «Sie alle haben trotz deutlicher Signale Hilfe verweigert – aus Angst vor unbequemen Fragen durch die Polizei.» Die Mutter und der Vater hätten das Opfer in der Gartenlaube in die Seitenlage gelegt, obwohl es bereits röchelte, nicht ansprechbar war und panikartig atmete. Ihr Sohn sowie der 21-jährige Schweizer hätten – beide unter Drogeneinfluss – ebenfalls nichts getan, obwohl sie sahen, wie das Mädchen Hilfe benötigte.

Laut Staatsanwalt soll die Frau mit einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten (18 davon bedingt auf zwei Jahre), ihr Mann mit einer auf zwei Jahre bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten und der Sohn mit einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 12 Monate bedingt auf zwei Jahre) sowie einer Busse von 300 Franken bestraft werden. Alle drei sollen zudem für fünf Jahre des Landes verwiesen werden.

Alle drei wollten sich zur Sache vor dem Strafgericht nicht mehr äussern. Sie verlasen einen Zettel, worin sie eine Schuld am Tod des Mädchens zurückwiesen, da sie nicht bemerkt hätten, wie schlecht es ihr ging. Laut Staatsanwalt habe man sehr wohl darüber geredet, ja sogar gestritten, ob das Mädchen ins Spital eingeliefert werden solle.

Schliesslich beantragte der Staatsanwalt für den 21-jährigen Schweizer eine auf zwei Jahre bedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten. Er selbst konnte sich nicht mehr gross an den Abend erinnern. Er habe die Ambulanz gerufen. Da war das Mädchen allerdings bereits verstorben. Verteidiger fordern Freisprüche

Am Freitag hielten im zweitägigen Prozess die Verteidiger der fünf Angeklagten ihre Plädoyers. In seinen Ausführungen erklärte der Verteidiger des Hauptangeklagten, sein Mandant habe die PET-Flasche mit dem tödlichen Morphingemisch allen Partyteilnehmern gezeigt und ihnen verboten, daraus zu trinken. Das Morphinmedikament habe er we-gen Rückenschmerzen ärztlich verordnet erhalten. Die PET-Flasche habe er immer bei sich und unter Kontrolle gehabt.

Das spätere Opfer habe trotz Verbots aus der Flasche einen grossen Schluck getrunken und somit eine Überdosis genom-men, woran sie Stunden später verstarb. Das Opfer habe vermutlich aus Liebeskummer selbstverantwortlich und in Kenntnis der Gefahr gehandelt, weshalb dem Hauptangeklagten keine Mitwirkung vorgeworfen werden könne. Er sei vom Vorwurf der vorsätzlichen oder fahrlässigen Tötung freizusprechen.

Sein Mandant habe sich an der Drogenparty in Lachen der Unterlassung der Nothilfe schul-dig gemacht, sagte der Verteidiger. Ihm sei vorzuwerfen, dass er sich nicht dafür einsetzte, die Ambulanz zu rufen. Zustand der akuten Lebensgefahr nicht erkannt Die Verteidiger des Hauseigentümer- Ehepaares, welches das Mädchen in der Gartenlaube unter Beobachtung schlafen liess, plädierten für Freisprüche. Einerseits bemängelten sie Verfahrensmängel, andererseits bestritten sie, dass ihre Mandanten wussten, in welch kritischem Zustand sich das spätere Opfer befand. Beide hätten angenommen, die junge Partygängerin habe lediglich ihren Rausch ausschlafen wollen. Dass diese ein Morphingemisch getrunken hatte, hätten die beiden nicht gewusst. Etliche Zeugen hätten bestätigt, sie hätten auch nichts von einem möglicherweise kritischen Gesundheitszustand des Mädchens bemerkt.

«Mein Mandant soll nun für seinen bekannt toleranten Umgang mit Alkohol und Cannabis gebüsst werden», sagte der Verteidiger des Ehemannes. Er habe sich aber stets gegen harte Drogen in seinem Haus gewehrt. Hätte er an jenem Abend von harten Drogen in seinem Haus gewusst, hätte er die Verantwortlichen so-fort aus dem Haus verwiesen.

Einen Freispruch vom Vorwurf der Unterlassung der Nothilfe forderte auch der Verteidiger des damals 18-jährigen Sohnes des Ehepaars, der selbst vom Morphingemisch getrunken haben soll – ohne schlimme Folgen. Der junge Mann soll einzig wegen seines Drogenkonsums mit einer Busse von 200 Franken bestraft werden. Alle Beteiligten seien an jenem Abend in einem Rauschzustand gewesen und hätten gar nicht erkennen können, ob und wann das Leben des späteren Opfers an einem seidenen Faden hing, wie es vom Bundesgericht für die Erfüllung des entsprechenden Anklagepunktes verlangt werde. Sein Mandant habe sich zudem nach dem Morphinkonsum in einem Blackout befunden, sodass er gar nicht in der Lage war zu erkennen, was los war.

Schliesslich forderte auch die Verteidigerin des fünften Angeklagten, eines heute 21-jährigen Schweizers, einen Freispruch vom Vorwurf der Unterlassung der Nothilfe. Ihr Klient sei dermas-sen stark unter Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden, sodass er nicht viel realisiert habe. Zudem sei er aufgrund seines Zustandes gar nicht in der Lage gewesen, entsprechend zu handeln.

Das Strafgericht wird seine Urteile später schriftlich eröffnen.

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