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Manche Zugreisende sehen sich zu gefährlichen Sprints genötigt

Knapper Bahnanschluss in Wädenswil: Ein Interregio der Südostbahn kommt häufig zu spät in Wädenswil an. So bleibt kaum Umsteigezeit für den Anschlusszug Richtung Einsiedeln. Das wird für einige Personengruppen zum Problem.

tm. An einem Mittwochmorgen: Der Interregio 35 Aare Linth der Südostbahn (SOB) ist in Rich-tung Wädenswil unterwegs. Plötzlich macht der Lokführer eine Durchsage: «Unser Zug hat bei der Ankunft in Wädenswil zwei Minuten Verspätung. Bitte steigen Sie rasch, aber vorsichtig um.» «Wie soll denn das gehen? », fragt eine ältere Frau ihren Reisepartner und schüttelt den Kopf. Jetzt ist der Zug in Wädenswil angekommen – und hat nicht nur zwei, sondern drei Minuten Verspätung. Es ist 8.34 Uhr. Das ist zugleich auch die Abfahrtszeit des SOB-Zuges S13 nach Schindellegi und Einsiedeln. Dann öffnen sich die Türen des Interregios. Einzelne Passagiere hechten geradezu hinaus. Denn der Anschlusszug steht nicht etwa auf dem Gleis nebenan. Um die S13 zu erreichen, müssen die Passagiere die Unterführung mit den steilen Treppen benutzen – oder den Lift.

Das ist die Definition von «pünktlich» Sie streben deshalb so rasch, wie es ihnen möglich ist, der Unterführung entgegen. Immer hoffend, dass sie doch noch ihren Anschlusszug nach Einsiedeln erreichen. Gerade Menschen, die nicht gut zu Fuss sind, aber auch Familien mit Kinderwagen oder Wintersportler mit entsprechendem Gepäck werden so zu nicht ungefährlichen Sprints verführt. Die beschriebene Situation ist kein Einzelfall. Dass der SOB-Interregio Aare Linth von Bern nach Chur mit Verspätung in Wädenswil ankommt, ist werktags eher die Regel als die Ausnahme. Bereits in Zürich fährt er kaum je zur angegebenen Zeit (8.12 Uhr) ab. Und bis Wädenswil kann die Verspätung meist nicht mehr aufgeholt werden.

Doch weshalb ist die SOB auf dieser Strecke so oft unpünktlich? Das mit der Pünktlichkeit ist offenbar vor allem eine Definitionsfrage. «In der Schweiz gel-ten Züge als pünktlich, wenn sie weniger als drei Minuten Verspätung haben», sagt SOB-Sprecher Conradin Knabenhans.

Mit anderen Worten: Wenn ein Zug mit zwei Minuten und 59 Sekunden zu spät in Wädenswil ankommt, dann gilt dies noch als pünktlich. «Es kann deshalb an gewissen Bahnhöfen der Eindruck entstehen, dass ein Zug zu spät abfährt oder eintrifft, obwohl er gesamtbetrieblich pünktlich fährt», sagt Knabenhans. «Im vergangenen Jahr verkehrten rund 96 Prozent aller SOB-Züge pünktlich.» Wenn es am HB Zürich zu Verzögerungen bei der Abfahrt des Interregios nach Wädenswil komme, dann habe das meist damit zu tun, dass bereits vorausfahrende Fernverkehrszüge verspätet unterwegs seien, sagt Knabenhans. Das wirke sich dann oft auch auf die Abfahrtszeiten der Züge der Südostbahn aus.

Kritik von Pro Senectute und Procap Der SOB-Sprecher macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die Züge auf der Strecke Bern–Zürich–Chur auf Bahntrassen der SBB unterwegs sind. Die SOB habe deshalb keinen Einfluss auf die Zuglenkung oder die Gewährung von Anschlüssen. Tatsache bleibt, dass es in Wädenswil insbesondere für Personen, die nicht gut zu Fuss sind, manchmal schwierig ist, den Anschlusszug nach Einsiedeln noch zu erreichen.

Der Stress entsteht wohl auch deshalb, weil sie nicht wissen, wie lange die S13 noch warten wird. «Während des Tages beträgt die Wartefrist der S13 in Wädenswil drei Minuten», sagt SOB-Sprecher Knabenhans. Der Zug fährt also statt um 8.34 Uhr (regulär) spätestens um 8.37 Uhr ab.

Im Bahnhof selber gibt es dazu aber keine entsprechenden Informationen und Durchsagen. Und genau das kritisieren sowohl Pro Senectute als auch die Behindertenorganisation Procap. «Wir würden es begrüssen, wenn am Bahnhof Durchsagen gemacht würden, wie lange die Züge noch warten», sagt Monica Flückiger, Sprecherin von Pro Senectute Zürich: Denn gerade die Ungewissheit führe bei älteren Menschen zu einem grossen Stress.

Auch Procap-Sprecherin Sonja Wenger meint: «Eine vorausschauende Kommunikation am Bahnhof wäre in einem solchen Fall sicher wünschenswert.» Die SBB winken ab. Und verweisen auf den elektronischen Weg. «Die gewünschte Information bietet die App SBB Mobile», sagt SBB-Sprecher Reto Schärli. «Wer bei einer Fahrplanabfrage die gewählte Verbindung speichert,erhält während der Reise Benachrichtigungen im Falle von Verspätungen.» Zudem macht er auf eine Fahrt-Alternative aufmerksam: «Zehn Minuten Umsteigezeit in Wädenswil bietet die schnelle Verbindung von der S25 auf die S13», sagt Schärli. Er weist darauf hin, dass die SBB den Bahnhof Wädenswil bekanntermassen ausbauen werden. «Bei der Reise nach Einsiedeln muss in Wädenswil zwar auch künftig das Perron gewechselt werden. Dank der neuen Unterführung wird das Umsteigen jedoch erleichtert.»

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