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«Wir streben Lösungen an und keine Auseinandersetzungen»

«Wir streben Lösungen an und keine Auseinandersetzungen» «Wir streben Lösungen an und keine Auseinandersetzungen»

Im Interview mit unser Zeitung nimmt Regierungsrätin Petra Steimen pointiert Stellung zu den Vorwürfen und Bedenken rund um die geplante temporäre Flüchtlingsunterkunft Sonne.

Der Schaden ist angerichtet, lange bevor die ersten unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) ins Hotel Sonne einziehen können: Es läuft eine Unterschriftensammlung, ein politischer Vorstoss ist eingereicht, die lokalen Parteien von rechts bis links lehnen die Sonne fast geschlossen ab, ebenso der Bezirksrat. Was ist aus Ihrer Sicht schiefgelaufen? Mit kritischen Stimmen haben wir gerechnet, diese gibt es bei jedem Asylvorhaben. Nicht erwartet haben wir das Ausmass, zumal es sich um UMA handelt. Schade ist, dass sofort Positionen bezogen werden, bevor die Faktenlage vollständig bekannt ist. Die Vorwürfe an Ihr Departement wiegen schwer, bis hin zur Aussage, dass diese Art der Kommunikation «Irritation und Widerstand» geradezu provoziert – und damit das Gegenteil dessen bewirkt, was man zu erreichen versucht: die Inbetriebnahme einer neuen Flüchtlingsunterkunft. Ist die Kritik gerechtfertigt? Aufgrund des Vorgesprächs durften wir davon ausgehen, dass der Bezirk das Vorhaben mitträgt. Bezüglich der Kommunikation möchte ich mich bei der Bevölkerung entschuldigen. Diese verlief ungenügend – zumal es sich um einen Ort von nationaler Bedeutung handelt.

Standort und Kommunikation werden kritisiert. Positiv stimmt mich, dass allseits die Notwendigkeit gesehen wird, die UMA zu integrieren. Zum Standort: Dieser mag nicht ideal erscheinen, jedoch ist es derzeit der einzige verfügbare Standort, der uns gemeldet wurde.

Was spricht dafür, die unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) ausgerechnet im Hotel Sonne unterzubringen?

Das ehemalige Hotel verfügt über 37 einfache Zimmer, eine grosse Küche und zwei Aufenthaltsräume. Die Raumstruktur ist geeignet für eine engmaschige Betreuung und Beaufsichtigung der Jugendlichen. Die Liegenschaft kann für zwei Jahre genutzt werden, womit der hoffentlich vorübergehende Anstieg an Minderjährigen aufgefangen werden kann. Hat der Kanton das Hotel Sonne selber als geeignete Liegenschaft gefunden oder woher kam das Angebot? Der Bezirk Einsiedeln hat uns im April schriftlich auf dieses Objekt hingewiesen, nachdem er dafür keine Verwendung fand. Der Bezirk hat ebenfalls die Eigentümer darauf aufmerksam gemacht, dass der Kanton Bedarf für eine Zwischennutzung haben könnte und hat den Kontakt zwischen der Eigentümerschaft und dem Amt für Migration hergestellt. Vonseiten Bezirk tönt das aber anders: Er bemängelt, in den «Vorgang nicht involviert» gewesen, sondern «vor vollendete Tatsachen gestellt» worden zu sein. Was sagen Sie dazu? Wir können diese Aussagen nicht nachvollziehen, war es doch der Bezirk, der uns auf die Liegenschaft hingewiesen hat. Vor Vertragsunterzeichnung im Mai fand ausserdem eine Sitzung mit Vertretern des Bezirksrates statt. Ortsparteien und Bezirksrat fordern den Kanton auf, alternative Standorte zu suchen. Hat der Kanton dies getan? Das Amt für Migration ist stets auf der Suche nach zusätzlichen Standorten. Jeden Hinweis nehmen wir dankend entgegen und prüfen ihn. Der Bezirk sagt,dass die Umnutzung baubewilligungspflichtig ist. Sehen Sie das auch so? Gemäss unserem Kenntnisstand wohnten bereits früher Dauermieter in diesem Gebäude. Gestützt auf ähnlich gelagerte, rechtskräftig entschiedene Fälle teilen wir diese Auffassung nicht und suchen das Gespräch mit dem Bezirksrat. Das Verhältnis zwischen Kanton und Bezirk scheint angespannt. Was tun Sie konkret, um den Bezirk doch noch für Ihr Projekt zu gewinnen? In vielen Bereichen arbeiten der Kanton und der Bezirk Einsiedeln gut zusammen. Darauf gilt es aufzubauen. Sind Sie zuversichtlich, dass die Unterkunft Sonne per Anfang Juli bezogen werden kann? Wir streben Lösungen an und keine Auseinandersetzungen. Nur so können wir unseren Unterbringungs- und Betreuungsauftrag erfüllen. In diesem Sinne suchen wir weiterhin das Gespräch mit dem Bezirksrat. Warum plant Ihr Departement eine Anwohnerinformation erst nach der Inbetriebnahme? Bei neuen Unterkünften führt das Amt für Migration die Anwohnerinformation jeweils kurz vor oder kurz nach der Inbetriebnahme durch. Dann ist die Liegenschaft eingerichtet, betriebsbereit und das Organisationskonzept liegt vor. So geschehen ist das in den letzten Monaten in den provisorischen Asylunterkünften in Brunnen und Seewen. Die Anwohner konnten sich vor Ort ein Bild machen und sich mit der Zentrumsleitung austauschen. Moniert wird von Ihrer Partei, der lokalen FDP, dass sich bereits das Asylzentrum Biberhof in Biberbrugg im Bezirk Einsiedeln befinde und deshalb die Asylsuchenden besser auch auf andere Bezirke oder Gemeinden verteilt werden müssten. Welche anderen Standorte sind derzeit konkret in Abklärung? Der Kanton Schwyz verfügt über Durchgangszentren in Morschach, Biberbrugg, Brunnen, Ibach, Seewen, Goldau und Altendorf. Derzeit befinden sich keine zusätzlichen Standorte in Abklärung.

Bei Einsiedeln ist wichtig zu wissen, dass es sich um eine auf zwei Jahre befristete Lösung handelt, um die Spitze bei der Unterbringung von UMA abdecken zu können. Überdies wird Einsiedeln ab Inbetriebnahme der Liegenschaft bei den «normalen » Asylzuweisungen zusätzlich entlastet.

In Biberbrugg stösst der Kanton an die Kapazitätsgrenze. Warum nimmt die Zahl der UMA zu? Seit rund zwei Jahren verzeichnet die Schweiz einen hohen Zustrom an UMA. Der Kanton ist bestrebt, diese Personen bis zur Volljährigkeit in der kantonalen Obhut zu behalten, zu betreuen und zu beschulen. Damit werden die Gemeinden entlastet. Wie viele Plätze für UMA hat der Kanton Schwyz heute, wie viele benötigt der Kanton aktuell und in den nächsten Mona-ten, eventuell gar Jahren? Aktuell benötigt der Kanton rund 100 Plätze für UMA. Aus diesem Grund suchen wir zusätzliche Unterkünfte. Jedes Jahr wird ein Teil der Jugendlichen volljährig, gleichzeitig kommen neue UMA hinzu. Wie viele es sind, ist schwer abzuschätzen. Können Sie uns ein bisschen mehr über diese Jugendlichen, die zwischen 14- und 17-jährig sind, erzählen? Die meisten Jugendlichen stammen aus Afghanistan. Die Fluchtgeschichten sind teilweise dramatisch. Die jungen Leute sind interessiert daran, die Sprache zu lernen, eine Ausbildung zu machen und wirtschaftlich unabhängig zu werden. Darin müssen wir sie unterstützen. Die Chancen für eine erfolgreiche Integration sind bei jungen Menschen am grössten und dies ist auch für die Wirtschaft die sinnvollste Lösung. Stimmt es, dass manche Personen beim Alter tricksen und tatsächlich älter sind? Solche Fälle gibt es. Im Zweifelsfall führt der Bund in den Bundesasylzentren vorgängig eine medizinische Altersanalyse durch, bevor er die Personen den Kantonen zuweist. Welche Massnahmen treffen Sie für die Betreuung dieser Jugendlichen, um auch allfälligen Ängsten in der Bevölkerung entgegenzuwirken? Die Jugendlichen werden von der Caritas Schweiz eng und rund um die Uhr betreut. Die UMA-Zentren verfügen über eine strikte Hausordnung mit klar festgelegten Ruhezeiten. Das Einhalten solcher Regeln gehört zu einer erfolgreichen Integration. Tagsüber besuchen die Jugendlichen Integrationsklassen oder Brückenangebote in Goldau respektive Pfäffikon oder werden in Intensiv-Deutschkursen unterrichtet, mit dem Ziel, anschliessend eine Lehre oder Anlehre absolvieren zu können. Vor wenigen Wochen ist ein Anlauf gescheitert, in Unteriberg eine Integrationsklasse für unbegleitete minderjährige Asylbewerber zu eröffnen. Der Widerstand war zu gross. Wie gehen Sie im Thema der UMA weiter vor? Das Amt für Migration sucht unablässig nach Lösungen für diese Menschen – und wird dies auch in Zukunft tun müssen.

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