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Auf den Spuren der Bedürfnisse von Mountainbikern

Auf den Spuren der Bedürfnisse  von Mountainbikern Auf den Spuren der Bedürfnisse  von Mountainbikern

Die Mountainbike-Trails am Höhronen gehen in die dritte Saison – mit klaren Regeln zum Wohl der Natur. Eine Umfrage soll Klarheit bringen, wie die Trails genutzt werden und was verbessert werden könnte.

Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, der Wald auf dem Höhronen bei Biberbrugg zeigt sich von seiner lauschigen Seite, an jenem Dienstagnachmittag. Ein kleines Holzschild mit einem grünen Velo und dem Wort «Go» zeigt an: Hier ist nicht nur Erholung, sondern auch Action erlaubt. Der Pfad hinter dem Schild fällt steil ab, Wurzeln und Steine wechseln sich auf dem Zickzack zwischen den Bäumen ab. Dies ist nicht etwa ein Wanderweg, sondern der Einstieg auf den Mountainbike-Trail «Magic Mushroom» – einer von insgesamt vier Naturtrails für Mountainbiker. Sie alle tragen klingende Namen wie «Jolanda », «Zickzack» und «Highway to Hell» – letzterer ist mit Sprung-Hindernissen bestückt und definitiv nichts für Angsthasen.

Studie soll Bedürfnisse erfassen Bis im Herbst werden im Bereich der Trails nicht nur wagemutige Mountainbike-Fahrerinnen und -Fahrer anzutreffen sein, sondern auch Studierende der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit Tablets. Sie werden Bikerinnen und Biker aber auch andere Waldnutzerinnen und -nutzer einladen, an einer anonymen Online-Befragung teilzunehmen, welcher von der ZHAW-Forschungsgruppe Umweltplanung aus Wädenswil gemeinsam mit der Korporation Wollerau und dem Kanton Schwyz durchgeführt wird. Ziel der Befragung ist laut Adrian Hochreutener, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe, die Bedürfnisse der Biker am Höhronen zu erfassen und herauszufinden, ob die Trails bekannt und die aufgestellten Infotafeln informativ sind. Zudem möchte die Forschungsgruppe erkunden, welcher Typ von Bikerinnen und Bikern im beliebten Naherholungsgebiet unterwegs sind. «Wir versuchen mit dieser Arbeit, die Trails zu verbessern und Erkenntnisse für andere Regionen zu gewinnen», so Hochreutener.

Wer im Wald nicht auf das Team der ZHAW trifft, kann auch übereinenQR-Codemitmachen– dieser findet sich auf Plakaten vor Ort oder auf Flyern. Infotafeln für korrekte Nutzung

Nicht ohne Stolz präsentieren Pirmin Schuler, Förster der Korporation Wollerau, und Adrian Hochreutener die grosse Infotafel am Eingang zu einem der Trails – eine von insgesamt fünf. Sie zeigt eine Karte des Gebiets – violett eingezeichnet sind die vier Korridore, in denen sich die offiziellen Naturtrails befinden. Daneben sind die Regeln für die Benutzung der Mountain-bike- Strecken aufgeführt – kurz und knackig, damit man sie sich auch beim Vorbeifahren einprägen kann. Die Infotafel mahnt zu Rücksicht und erinnert an das Verbot, die Trails im Winterhalbjahr zu befahren. Grün heisst «Go», Rot bedeutet «No». Auf den so bezeichneten Strecken ist das Fahren auch in der schneefreien Jahreszeit strikte verboten. Der Wald soll dort ungestört gedeihen können, die Tiere einen ruhigen Rückzugsort finden – für sie überlebenswichtig, wie der für diese Region zuständige Wildhüter Matthias Oechslin und einer der Mit-Initianten betont. Dies gel-te nicht nur für die stark gefährdeten und scheuen Auerhühner, die auf dem Höhronen noch vereinzelt zu finden sind, sondern für alle Wildtiere.

Illegale Trails

Dass dies lange nicht selbstverständlich war, zeigt die Entstehungsgeschichte der vier Trails, die nun in die dritte Saison gehen. Sie sind das Ergebnis eines langen Konflikts – und eines gemeinschaftlichen Kompromisses. «Immer wieder ha-ben Mountainbiker hier illegale Trails angelegt – teilweise so-gar mit Steilwandkurven und Sprungschanzen», erzählt Pirmin Schuler. Über einschlägige Apps wurden die illegalen Strecken beworben – Biker von nah und fern folgten dem Lockruf der attraktiven Topografie. Die Schäden am Wald waren aller-dings beträchtlich, das Wild aufgeschreckt.

Gemeinschaftlicher Kompromiss Es folgte ein ermüdendes Katzund Maus-Spiel zwischen Korporation und Bikern. Doch statt Strafen und Sanktionen entschieden sich die Verantwortlichen für einen runden Tisch (wir berichteten). «Wir stellten klare Bedingungen», erinnert sich Pirmin Schuler. Dazu gehört ein Betriebsreglement mit klaren Verhaltensregeln und konkrete Ansprechpersonen. Dafür wurde der Verein «Mad Grouse Trails» gegründet. Dieser übernimmt auch die Wartung und Instandhaltung der Trails. Die Korporation schied im Gegenzug in Absprache mit dem zuständigen Wildhüter vier Korridore aus, in denen die Trails angelegt werden durften. «Wir wollen den Bikern etwas anbieten», erklärt der Förster. «Es ist ein Geben und Nehmen. » Dem kann auch Matthias Oechslin beipflichten. Er hält die aktuelle Lösung für ein zukunftsträchtiges Modell. Denn es gibt sowohl den verschiedenen Freizeitsportlern wie auch den Wildtieren Raum. «Wichtig ist zudem, die Freizeitsportler für die Situation und das Verhalten der Wildtiere zu sensibilisieren», hält er fest. Viele Probleme entstünden nicht aus böser Absicht, sondern wegen Unwissenheit.

Die meisten halten sich an Regeln Pirmin Schuler wie auch Adrian Hochreutener betonen, dass sich der überwiegende Teil der Mountainbiker an die Regeln hält. Unrühmliche Ausnahmen gebe es allerdings immer. Um herauszufinden, wie viele der Mountainbiker die Strecken nutzen und ob die Winterruhe respektiert wird, wurden auf den Strecken Infrarot-Sensoren installiert. Diese zeigen: Der Trail «Jolanda» scheint am beliebtesten – er wurde 2022 von Juli bis Oktober knapp 1000 Mal befahren, im Durchschnitt rund zehn Mal pro Tag. «Magic Mush-room » schafft es im selben Zeitraum auf gut 600 Fahrten, gefolgt von «Highway to Hell» und «Zick Zack» (je rund 600). «Jolanda » ist laut Adrian Hochreutener eine beliebte Feierabendtour. Zum Vergleich: Auf den beiden Züritrails «Adlisberg» und «Antennentrail» wurden im sel-ben Zeitraum knapp 10’000 respektive rund 17’000 Fahrten registriert. Diese seien aber befestigt und mit einem Naturtrail wie auf dem Höhronen nicht vergleichbar. Dieser sei auch nicht für grosse Massen ausgelegt.

Rund 600 Winterpassagen Leider verzeichneten die Sensoren während der gesperrten Wintermonate rund 600 Passagen auf den Trails. Wird das Wild in dieser kargen Zeit aufgeschreckt, verliert es laut Matthias Oechslin auf der Flucht wertvolle Energie, die es zum Überleben braucht. Eine Folge davon: Es braucht mehr Futter, macht sich am Jungholz zu schaffen und schädigt damit den Wald. Das wäre unnötig, denn gerade Rehwild könne im Winter den Stoffwechsel so weit herunterfahren, dass es kaum Nahrung zum Überleben brauche. Die Voraussetzung dafür sei aber Ruhe.

Wer die offiziellen Wege verlasse oder im Winter die Trails nutze, müsse sich bewusst machen, dass sie oder er dieses zentrale Gleichgewicht störe. Kamera für bessere Erfassung

Allerdings möchten weder Pirmin Schuler, Matthias Oechslin noch Adrian Hochreutener die Biker zu Unrecht verdächtigen. Denn die Sensoren registrieren alle Bewegungen – es könnten also im Winter durchaus auch Wildtiere oder Wanderer auf den Trails unterwegs gewesen sein. Um hier genauere Daten zu erhalten, hat die Korporation Kameras aufstellen lassen. «Es handelt sich dabei im Prinzip um Fotofallen für Wildtiere», erläutert Pirmin Schuler. Sie wurden umgebaut und erfassen keine Personendaten – die Anonymität der Trailnutzer bleibe auf jeden Fall gewahrt.


Ein Bewegungssensor erfasst alle Bewegungen. Ergänzt werden diese mit Wildtierkameras, die Mountainbiker fotografieren, die sich auf illegalen Trails befinden.

«Go» heisst: Das Fahren ist erlaubt – wie hier am Eingang zum «Magic Mushroom»

«No» bedeutet: Keine Durchfahrt, auch wenn der Weg anfangs einladend aussieht …

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