Bischöfe beschliessen sechs Massnahmen
Im Fokus steht die Einrichtung einer nationalen Dienststelle zur Sammlung von Opfermeldungen
Im Anschluss an die Veröffentlichung der Pilotstudie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche hat die Schweizer Bischofskonferenz Massnahmen
beschlossen.
Die Ergebnisse des Pilotprojekts der historischen und unabhängig durchgeführten Studie, die von der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und den römisch- katholischen Ordensgemeinschaften der Schweiz (KO-VOS) bei der Universität Zürich in Auftrag gegeben und die im Rahmen der Pressekonferenz vom 12. September vorgestellt wurden, enthüllten eine grosse Anzahl an Missbrauchsfällen, die in den letzten siebzig Jahren in der katholischen Kirche stattgefunden haben. «Jeder einzelne Fall steht für immenses Leid, das Menschen und ihrem Umfeld angetan wurde», schreibt die Schweizer Bischofskonferenz in einer Medienmitteilung.
Erschüttert von diesen Erkenntnissen haben die Schweizer Bischöfe an ihrer dreitägigen Vollversammlung, die am Mittwoch in St. Gallen zu Ende gegangen ist, unverzüglich konkrete Massnahmen eingeleitet mit dem Ziel, den Betroffenen Gehör zu verschaffen und allen betroffenen Familien Unterstützung und Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Bestellung der Fortsetzung der Studie Die drei Auftraggeberinnen (SBK, RKZ, KOVOS) haben auf der Grundlage der Ergebnisse des Pilotprojekts bereits fünf Sofortmassnahmen beschlossen und zeichnen sich verantwortlich für deren Umsetzung.
Zum einen geht es um die nationale Studie, die von Monika Dommann und Marietta Meier, den Historikerinnen der Universität Zürich, welche die Pilotstudie durchgeführt haben, von 2024 bis 2026 weitergeführt werden soll. Die Finanzierung ist bereits gesichert und die Verträge stehen vor der Unterzeichnung.
Zum anderen geht es um die Einrichtung einer nationalen Dienststelle zur Sammlung von Opfermeldungen. Das Fachgremium der SBK «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» hat in seiner Sitzung vom 18. September eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche die Zusammensetzung, die Kompetenzen, die Ziele, die Verfahren, die Funktionsweise und den Standort der nationalen Dienststelle festlegen soll.
Dieses strategische Dokument wird im November vorliegen. Es wird im Anschluss den drei Auftraggeberinnen der Studie (SBK, RKZ und KOVOS) vorgelegt, um die Umsetzung des Projekts aufzugleisen. Die Umsetzung wird in Zusammenarbeit mit den Betroffenenverbänden CECAR, SAPEC, IG-M!kU erfolgen.
Zugang zu kirchlichen Archiven in der Schweiz Damit die Forscherinnen ihre Studie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche Schweiz in den nächsten Jahren weiter vertiefen können, haben alle Mitglieder der SBK eine persönliche Verpflichtung (im Widerspruch zum geltenden Kirchenrecht) unterzeichnet, um sicherzustellen, dass alle Archive unter ihrer Verantwortung, die Hinweise und Informationen zu Missbrauchsfällen enthalten könnten, weiterhin zugänglich sind und keine Dokumente vernichtet werden. Die SBK hat überdies beschlossen, ein gründliches psychologisches Abklärungsverfahren für Seminaristen und Noviziatskandidaten sowie für die Ausbildung von anderen Seelsorgerinnen und Seelsorgern einzuführen.
Das gibt es bereits in vielen Regionen, doch wird dieses Abklärungsverfahren nun schweizweit standardisiert und professionalisiert und ist überall obligatorisch. Die Konferenz der Regenten der Schweizer Seminarien hat das Mandat erhalten, diesen Beschluss in Zusammenarbeit mit kirchenexternen Fachpersonen umzusetzen.
Ein kirchliches Strafgericht für die katholische Kirche
Die SBK wird den Umgang mit Personaldossiers mittels Einstellung von Personal- und Datenschutzexpertinnen und -experten professionalisieren. Damit soll sichergestellt werden, dass die Akten aller pastoralen Mitarbeitenden stets umfassend sind und bei jedem Wechsel des Einsatzortes nach- und weiterverfolgt werden können. All diese Massnahmen werden bis spätestens Ende des kommenden Jahres umgesetzt.
Zusätzlich zu diesen Massnahmen beabsichtigt die Schweizer Bischofskonferenz, ein eigenes kirchliches Straf- und Disziplinargericht für die katholische Kirche in der Schweiz einzurichten. Vorrang haben weiterhin die zivilen schweizerischen Strafgesetze – die Strafverfolgungsbehörden werden bei allen Fällen von Missbrauch oder anderen Straftaten, die im kirchlichen Umfeld begangen werden oder begangen worden sind, zwingend eingeschaltet.
«Das kirchliche Gericht wird sich jedoch zusätzlich dazu mit Sanktionen befassen, die verhängt werden müssen, wenn ein Verstoss gegen ein Kirchengesetz vorliegt», teilt die Schweizer Bischofskonferenz mit.
Um die Einrichtung eines solchen nationalen Gerichts zu konkretisieren sowie Forschenden den Zugang zu den Archiven der Dikasterien des Apostolischen Stuhls zu ermöglichen, suchen die Schweizer Bischöfe in den kommenden Wochen das Gespräch mit den Verantwortlichen des Vatikans. Synodaler Prozess im Fokus
Die Schweizer Bischofskonferenz wird im Rahmen der Weltsynode der katholischen Kirche in Rom weitere Anliegen einbringen, die infolge der Pilotstudie zur Sprache gebracht wurden, wie etwa eine Veränderung im Ansatz der kirchlichen Sexual-moral, eine gleichberechtigtere Integration der Frauen in Entscheidungsprozesse und die Problematik der Machtkonzentration.
«Die Schweizer Bischöfe set-zen alles daran, die kirchlichen Strukturen zu verbessern und so das Zuhören und die Prävention zu stärken und den Betroffenen Gerechtigkeit zu verschaffen », ist der Medienmitteilung zu entnehmen: «Angesichts der verständlichen Empörung, vor allem seitens der Betroffenen, aber auch der pastoralen Mitarbeitenden, fühlen sich die Bischöfe verpflichtet, ihren pastoralen Auftrag seriös weiterzuführen, sich auf das Wesentliche der Botschaft des Evangeliums zu konzentrieren und konkrete Handlungsmöglichkeiten im Alltag ihrer jeweiligen Diözesen wahrzunehmen.» «Im Angesicht des geschehenen Missbrauchs und des daraus resultierenden Leids werden die Schweizer Bischöfe nie genug tun können», heisst es in der Medienmitteilung weiter: «Kirchliche Vorkehrungen kontinuierlich anzupassen, um den Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und dafür zu sorgen, dass Missbrauch nicht mehr begangen wird, hat für die SBK absolute Priorität.»