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«Der Mittelstand kann sich den Kanton Schwyz bald nicht mehr leisten»

«Der Mittelstand kann sich den Kanton  Schwyz bald nicht mehr leisten» «Der Mittelstand kann sich den Kanton  Schwyz bald nicht mehr leisten»

Sie gilt als prominenteste linke Stimme im Bundeshaus. Im Interview erklärt die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, weshalb für sie der Kanton Schwyz ein Albtraum ist.

Ist der Kanton Schwyz ein Albtraum für Sie?

Wenn einer Juso-Initiative zur Transparenz zugestimmt wird, ist das für mich ein Highlight (lacht). Aber sonst: Ja, sicher ein wenig. Davon ausgenommen ist selbstverständlich die wunderschöne Landschaft. Der hohe SVP-Wähleranteil und die tiefen Steuern: Das muss doch für Sie ein Horror sein. Das widerspricht Ihren Überzeugungen diametral.

So einfach ist es nun auch wieder nicht! Die Frage ist ja, wes-sen Steuern gesenkt werden. Für Superreiche und Unternehmen oder für die normale Bevölkerung? Als SP sind wir nicht für Steuererhöhungen für den Mittelstand. Im Gegenteil. Aber mit federführender Mithilfe der SVP werden die Mehrwertsteuern erhöht. Das belastet genau jene, die täglich arbeiten gehen und schauen, dass die Schweiz funktioniert.

Schwyz gilt auch als Paradebeispiel für den Steuerwettbewerb. Ja, und das halte ich für sehr unschweizerisch. De facto kann der Steuerwettbewerb, wie ihn Schwyz, Zug und andere Kantone exzentrisch betreiben, auch anders genannt werden.

Wie?

Ich nenne das «z Leid wärchä». Das ist deswegen unschweizerisch, weil wir hier zusammenhalten. Wir nehmen aber anderen nicht nur Steuersubstrat weg. Das Geld wird zudem völlig vernichtet, da am Schluss die Bodenpreise steigen und der Mittelstand darunter zu lei-den hat.

Sie kritisieren auch die Migrationspolitik respektive das Wachstum der Schweiz hin zur Zehn-Millionen-Schweiz. Der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen ist ja nur das eine. Dazu kommt noch der internationale Wettbewerb, der sogenannte Standortwettbewerb. Wir ziehen Firmen an und senken für deren Teppichetagen und die Unternehmen seit dem Jahr 1998 die Steuern. Doch die Teppichetagen brauchen auch Wohnraum, Restaurants und andere Dienstleistungen. Pro CEO aus dem Ausland braucht es im Schnitt zehn zusätzliche Personen. Mit dieser Haltung brechen Sie ein linkes Tabu? Das ist kein Tabubruch, das sage ich schon seit zehn Jahren. Diese Politik ist schädlich, weil sie zu einem aufgeblähten Wachstum führt. Das Pro-Kopf-Wachstum, der Pro-Kopf-Wohlstand wird deswegen nicht grösser. Die Zuwanderung kommt ja von irgendwoher und nicht, wie es auch im Kanton Schwyz kolportiert wird, von der SP, die an der Grenze sämtliche Ausländer quasi an den Haaren in die Schweiz zieht. Wieso sollten wir das? Das macht keinen Sinn. Weil so Arbeitsplätze in der Schweiz entstehen?

Es entstehen tatsächlich Arbeitsplätze. Aber das BIP pro Kopf wird deshalb nicht grösser. Genau das wäre aber entscheidend. Das kritisiert ja auch die SVP. Sie ist gleichzeitig verantwortlich, dass das so läuft und kritisiert dann, wenn die Ausländer zu uns ziehen. Ich bin mit meiner Position also weit von der SVP weg. Das ist kein Tabubruch, sondern ein Frontalangriff.

War der Kanton Schwyz Ihr Ausgangspunkt für die Kritik an der Zuwanderung? Auch hier steigen Bodenpreise, auch hier nimmt die Bevölkerung stark zu. Das deckt sich eins zu eins wie auch im Kanton Zug. Die Bodenpreise und die Lebenskosten steigen. Je tiefer die Steuern, desto höher die Bodenpreise. So einfach ist das. Das heisst aber: tschüss Mittelstand! Er kann sich den Kanton Schwyz bald nicht mehr leisten. Das geht nicht, das ist inakzeptabel. Gerade im Kanton Schwyz müsste man das wissen.

Ich bin masslos enttäuscht vom Kanton Schwyz, was das Abstimmungsergebnis zur Wohnungsinitiative betrifft. Im Jahr 1315 kämpfte die Genossame Schwyz, die heutige OAK, gegen das Kloster Einsiedeln um das Bodenrecht. In Schwyz ist der Genossamen-Gedanke tief verwurzelt und älter als die Eidgenossenschaft. Es ist eine Erfindung der Urschweizer, dass man dem Adel, sprich den Klöstern, den Zehnten nicht abgibt. Der Boden sollte in der Form von Korporationen gemeinsam besessen und genutzt werden. Aber was machen wir? Wir führen überall wieder einen modernen Zehnten ein. Sie sind nachhaltig frustriert über das Urnenergebnis? Ausgerechnet Schwyz, das den Genossamen-Gedanken erfand, ausgerechnet Schwyz, wo der allgemeine Nutzen des Bodens, des gemeinen Nutzens, verwurzelt ist. Das gilt ja heute noch – von den Alpkäsereien bis zur Fenaco –, die ganze Wertschöpfungskette ist genossenschaftlich organisiert. Dass ausgerechnet dieser Kanton diese Vorlage ablehnte, halte ich für schwer verzeihbar. Wie geschichts- und traditionsvergessen kann man denn sein? Ich fasse es nicht. Jetzt findet man es toll, wenn die Immobilienfirma XY den Ausverkauf der Heimat huldigt. Das geht nicht! Danke schön, SVP. Die Mehrheitsverhältnisse im Kanton Schwyz geben Ihnen aber nicht recht. Die bürgerliche Politik ist akzeptiert, die SP hat in Bern und im Kantonsrat Mühe, auf einen grünen Zweig zu kommen.

Wenn die Leute nicht verstehen, dass die SVP ständig den Bückling vor dem Kapital macht – die modernen Gessler und Landvögte werden ja hofiert –, dann muss man sich nicht wundern. Das versteht ja niemand, hat aber auch mit dem «Boten der Urschweiz» zu tun, der den Linken nur wenig Stimme gibt. Das tut mir leid, aber es ist so. Wollen Sie jetzt zur Medienkritik ansetzen? Nein, aber es ist so, dass die SP dafür schauen will, dass es allen besser geht, dass Prämien und Mieten bezahlbar sind. Da findet eine ständige Umdichtung statt.

Von wem denn?

Unter anderem von der SVP. Der Aufstieg des Mittelstandes in den 40er- bis 80er-Jahren ist der SP zu verdanken. Dass das vergessen wird, verstehe ich nicht. Darüber hinaus hat die SP den Menschen auch die Befreiung von Existenzängsten gebracht. Jeder weiss heute, dass er im Alter über die Runden kommt. Darauf bin ich besonders stolz. Was müsste die SP ändern? Weniger Wokeness?

Jetzt kriege ich Schübe! Uns beschäftigen der Klimawandel,Steuerfragen und selbstverständlich auch die Gleichstellung. Das ist ein Ablenkungsmanöver. Ich war noch nie in einer Sitzung eines SP-Gremiums, wo das Gender-Sternchen ein Thema war. Das soll doch jeder machen,wie er will. Wir wollen und wollten immer die realen Lebensumstände der Bevölkerung verbessern. Sei es mit besseren Löhnen, unserer Kita-Politik, im Vorsorgebereich oder bei der Arbeitslosigkeit. Es gibt keine Partei, die lokal oder national so erfolgreich war wie die SP.

Weshalb?

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