Alice Weidel sorgt wieder einmal für Aufregung und Kontroversen
Die 44-jährige Alice Weidel hat sich ihren Zweitwohnsitz im beschaulichen Willerzell mit Bedacht ausgewählt: Hier lässt man die politisch polarisierende Chefin der Alternative für Deutschland mehr oder weniger in Ruhe. Und damit auch ihre aus Sri Lanka stammende Schweizer Lebenspartnerin, die Filmemacherin Sarah Bossard (41), sowie ihre zwei Buben, welche sich im Schulalter befinden.
Das «Recht auf Privatsphäre » und die «Niederlassungsfreiheit » wurden zum Grundprinzip erhoben, als der Einsiedler Anzeiger im September 2019 die hiesigen Parteipräsidenten zur Ankunft der AfD-Politikerin befragte (EA 70/19). Doch die Ruhe war offenbar trügerisch. «Sicherheitsrelevanter Vorfall»
Die dpa (Deutsche Presse-Agentur) berichtete am Dienstag, 3. Oktober, dass Alice Weidel einen Auftritt bei einer Kundgebung ihrer Partei kurz vor den Landtagswahlen in Bayern aus Sicherheitsgründen abgesagt hätte.
Auf Anfrage der dpa sag-te ein Sprecher der Politikerin: «Am vorletzten Wochenende gab es einen sicherheitsrelevanten Vorfall. Frau Weidel und ihre Familie wurden von Sicherheitsbehörden aus ihrer privaten Wohnung an einen sicheren Ort verbracht, da sich Hinweise verdichtet hatten, die auf einen Anschlag auf ihre Familie hindeuteten. » Aus Vorsichtsgründen habe sie daher auf öffentliche Auftritte verzichtet. Soweit die offizielle Stellungnahme aus Weidels Lager. «Können nicht mehr sagen»
Die «Sicherheitsbehörden» lies-sen sich unschwer als Kantonspolizei Schwyz identifizieren. Schwerer war es jedoch, von der Medienstelle der Kapo relevante Informationen zu erhalten. Selbst der Hinweis, dass es von öffentlichem Interesse sei, zu erfahren, ob in Willerzell allenfalls ein Mordanschlag oder eine Entführung geplant gewesen sei – was ja wirklich nicht unerheblich ist –, liess den Chef Kommunikation der Kapo unbeeindruckt: «Aus polizeitaktischen Gründen und zum Schutz aller Involvierten», so Florian Grossmann, «können wir nicht mehr dazu sagen.» Immerhin war die Kantonspolizei Schwyz gemäss Grossmann involviert. Auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte er «den Polizeieinsatz vom Samstag, 23. September, im Bezirk Einsiedeln». Zur Art der Bedrohung und zur mutmasslichen Täterschaft wollte oder konnte sich der Kapo-Sprecher nicht äussern.
Im Dunkeln tappen Wenig aufschlussreich blieben auch die Reaktionen aus Willlerzell: Niemand hat am besagten 23. September etwas Auffälliges wahrgenommen; der Einsatz, welcherart auch immer, muss tatsächlich sehr diskret durchgeführt worden sein. Unbeantwortet liess Grossmann auch die Frage, ob es zu Verhaftungen gekommen ist. Was wiederum Fragen zur Bedrohungslage nach sich zieht: Handelte es sich um eine abstrakte Bedrohung (im Sinne einer Ankündigung im Internet) oder eine ganz konkrete Bedrohung mit Personen oder Hand-lungen direkt vor Ort? Und was wollte man Frau Weidel überhaupt antun?
Ebenso ohne Antworten bleiben Erkundigungen nach der Täterschaft, nach der Nationalität (Schweizer, Deutsche…?), nach Motiven und Hinterleuten. Safehouse oder Herbstferien?
Gemäss Darstellung verschiedener Deutscher Medien seien Weidel und ihre Familie aus ihrer Privatwohnung in der Schweiz evakuiert und an einen sicheren Ort in ein Safehouse gebracht worden, das sie «aus Angst um ihr Leben bis auf Weiteres nicht verlassen» könne. An der Wahlkampfveranstaltung wurde deshalb eine Videobotschaft von Weidel abgespielt, in dem sie den Eindruck erweckte, sie befinde sich tatsächlich in einem solchen Safehouse. Sie bedauerte, den Wahlkampfauftritt nicht durchführen zu können. Norbert Kleinwächter, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, verkündete vor Ort und auf seinem YouTube-Kanal, dies entspreche Hausarrest für einen politisch missliebigen Kandidaten.
Bereits am 4. Oktober stell-te sich jedoch heraus, dass Alice Weidel sich stattdessen zusammen mit ihrer Familie schon seit dem 1. Oktober und auch zum Zeitpunkt des geplanten Wahlkampfauftrittes im Urlaub am Meer auf Mallorca aufhielt und sich nie in einem Safehouse befand. Sie ist zusammen mit ihrer Lebensgefährtin am Nachmittag des 3. Oktobers an der mallorquinischen Ostküste in einem Strandrestaurant gesehen worden.
Da die Bezirksschulen Einsiedeln vom 30. September bis 15. Oktober Schulferien haben, würde eine Hotelbuchung auf einer Mittelmeerinsel sich mindestens zeitlich jedenfalls nicht widersprechen.
Keine Empfehlung des BKA Und so bestätigte Weidels Büro auf Anfrage deutscher Medien im Nachhinein den Urlaubsaufenthalt auf der Ferieninsel. Seit wann der Mallorca-Urlaub geplant gewesen sei, wollten ihr Büro und ihr persönlicher Sprecher nicht beantworten. Das für den Personenschutz von Politikern zuständige Bundeskriminalamt (BKA) teilte auf Mediennachfrage mit, die Absage des Wahlkampfauftrittes am 3. Oktober sei jedenfalls nicht auf Veranlassung oder Empfehlung des BKA erfolgt.
Ist aus Willerzell polizeilich evakuiert worden: die AfD-Politikerin Alice Weidel. Foto: ZDF