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Ein Spion aus dem Nordpol

Ein Spion aus dem Nordpol Ein Spion aus dem Nordpol

BRIEF AUS DEN USA

Die amerikanische Version des Christkindes heisst Santa Claus und sieht verdächtig ähnlich wie der schweizerische Samichlaus aus. Santa Claus ist für die Geschenke zuständig. Er lebt am Nordpol und hat viele Helfer. Santa Claus trifft die schwierige Entscheidung, welches Kind auf der netten oder frechen Liste landet. Und Santa Claus fliegt mithilfe eines von Rentieren gezogenen Schlittens am Weihnachtsabend um die Welt, um die Geschenke durch die Kamine auszuliefern.

Seit etwa zwanzig Jahren schickt er manchmal einen Spion in die Haushalte mit Kindern. Der Spion in Form einer roten Filzpuppe beobachtet tagsüber das Verhalten der Kinder. Der Kobold fliegt in der Nacht zum Rapport an den Nordpol zurück und hängt am frühen Morgen vom Lampenschirm oder versteckt sich unter der Zahnbürste.

Diese neue Tradition ist einem Buch mit der passenden Kobold-Puppe zu verdanken. Der Spass kostet über dreissig Dollar. Seit ein paar Jahren gibt es fast so teure Haustiere und Kostüme für den Kerl.

Manche Eltern lieben die neue Tradition und setzen sie gekonnt als Erziehungsmittel ein und leben ihre Kreativität aus.Andere Eltern ärgern sich über die zusätzliche Pflicht, denn wehe, der Kobold hat sich in der Nacht nicht bewegt. In so einem Fall erlischt das Glitzern der Kinderaugen. Der Spion darf sich alles erlauben. Als Warnzeichen für die frechen Kinder darf er eine Sauerei hinterlassen.

Unser Spion heisst Jack und er führte letztes Jahr im Dezember zu mancher Aufregung. Unsere Tochter begann schon vor vier Wochen von Jack zu sprechen. Er lag hinter zerknülltem Geschenkpapier in unserer Rumpelkammer. Der Sommer setzte ihm zu: Jack war staubig und musste ein Bad nehmen. Ich legte ihn daraufhin auf das Fenstersims an die warme Herbstsonne. Dies war einer meiner grössten Faux Pas als Mutter. Ich vergass Jack und unsere Tochter fand ihn fast zwei Monate zu früh. Seit vier Wochen ist Jack also ein fester Bestandteil unserer Tagesroutine. Sein Plüschhündchen namens Jerry kostete mich nur einen Dollar, hat aber kein magisches Halsband wie der Markenhund. Und Jack erhielt auch kein teures Kostüm. Ein paar angeklebte Filzresten dienen als Manschetten und Gürtel. Für unsere Tochter ist all dies momentan magisch genug. Und die Aufgabe des Versteckens führt ihr älterer Bruder gekonnt durch.

Regula Grenier-Flückiger « Die Einsiedlerin Regula Grenier- Flückiger (*1973) zügelte im Jahr 2007 nach Denver im amerikanischen Bundesstaat Colorado, am Fusse der Rocky Mountains. Seit dem Jahr 2011 wohnt sie im Nachbarort Thorn-ton. Dort kamen im Jahr 2011 Sohn Cody Frederick und im Jahr 2015 Tochter Stephanie Nova zur Welt.

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