«Die Kinder integrieren, denn sie sind die Zukunft!»
Theaterspektakel am 25. Mai zum 100-Jahr-Jubiläum des Welttheaters
In gut zwei Wochen findet das Theaterspektakel mit 1600 Schülerinnen und Schülern aus der ganzen Region Einsiedeln statt. Nina Halpern ist eine der Hauptverantwortlichen für das gigantische Projekt.
Nina Halpern ist 36, wohnt in Luzern und ist freischaffende Theaterpädagogin. Als ihre Hobbys bezeichnet sie Handwerkeln, Flicken, Lesen und Kleider nähen. Dafür bleibt ihr aber aktuell nicht viel Zeit, denn sie ist nicht nur als Regieassistentin des Welttheaters im Einsatz, nein sie leitet auch das theaterpädagogische Projekt, das sie gemeinsam mit Livio Andreina und Rita Lang entwickelt hat. Das Theaterspektakel findet am 25. Mai auf dem Klosterplatz statt. Sie beantwortete einige Fragen zum Projekt. Was genau dürfen die Zuschauerinnen und Zuschauer am Samstag, 25. Mai, in Einsiedeln erwarten? Eine Farbenpracht an Figuren und ganz viele begeisterte Kinder, die sich mit einer der sieben Welttheater-Rollen auseinandergesetzt haben. Eine farbige, lebensfrohe Prozession zum 100. Geburtstag des Welttheaters. Konkret gibt es um 9.30 Uhr den Sternenmarsch auf den Klosterplatz, wo alle miteinander das Welttheaterlied singen, gefolgt von einem riesigen Umzug durch das Dorf. Und nicht zu vergessen der Auftritt der Theatergruppe Sapperlot auf dem Klosterplatz. Wie sind Sie zu diesem Projekt gekommen? Ich kannte Livio bereits aus Luzern, haben aber vorher noch nie zusammen gearbeitet. Wir sind beide im gleichen Genre tätig und da kennt man sich. Zuerst wurde ich von ihm für die Regieassistenz fürs Welttheater angefragt, das theaterpädagogische Projekt kam später dazu. Livio fragte mich, ob ich das theaterpädagogische Konzept ausarbeiten würde für dieses Spektakel und wir holten Rita Lang als Bindeglied zwischen Schule, Dorf und Theater ins Boot. Übrigens: Schon 2020 wäre das Projekt geplant gewesen. Teile waren auch bereits umgesetzt, ein Teil erst geplant, aber es wäre damals in einer ganz anderen Form gewesen! Wann haben Sie mit der Planung und Organisation angefangen?
Für das jetzige Projekt erstellten wir im Frühjahr 2023 das Konzept. Bis im Sommer konnten sich die Schulen anmelden. Anschliessend klärten wir bis zum Schulstart alle Daten und Rita erstellte bis zu den Herbstferien das theaterpädagogische Begleitmaterial, das Livio und ich mit Wünschen zu den Umsetzungen der Figuren ergänzten. Im Januar war der definitive Startschuss mit den Projekttagen. Rechneten Sie bei der Erstellung des Konzeptes damit, dass 1600 Kinder beim Projekt teilnehmen würden? Nein, niemals! Wir rechneten mit 800. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl mussten wir das Projekt dann auch noch etwas anpassen.
Wie erklären Sie sich den enormen Zulauf?
Die 100-Jahr-Feier des Welttheaters ist ein Grossereignis. Man spürt die Verbundenheit der Menschen mit der Tradition des Welt-theaters. Das gilt aber nicht unbedingt für die Schulkinder, denn diese haben noch keine Verbindung zum Welttheater. Schliesslich kamen allesamt noch nie mit dem Welttheater in Verbindung, da es nun elf Jahre nicht stattgefunden hatte. Unsere Anbindung läuft über die Erwachsenen. Aber das Ziel ist es, die Kinder zu integrieren, denn sie sind die Zukunft! Es half sicher auch, dass unser Projekt niederschwellig aufgebaut war mit kleinem Aufwand für die Schulen.
Wie sah die Vorbereitung auf das Theaterspektakel aus? Durch die Schulhausverantwortlichen wurden die Lehrpersonen gebrieft. Wir gaben das Begleitmaterial ab und stellten das Welttheaterlied zur Verfügung, welches selbständig einstudiert wurde. Der eigentliche Startpunkt für die jeweiligen Schulhäuser waren die abgemachten Projekttage zwischen Januar und Mai – je nach Grösse auch nur einen. Wir arbeiteten mit den Schülerinnen und Schülern zum Thema Bewegung, Gruppendynamik und Choreografie. Ab den Projekttagen ging es konkret in die jeweiligen Rollen und im Unterricht wurde fleissig weiter gebastelt und geübt. Aus den Projekten mit der Stiftsschule entwickelte sich die Idee, dass nun 14 Schülerinnen und Schüler beim Spektakel mit ihren selber kreierten Plakaten den Abschluss der Prozession bilden werden. An der Hauptprobe vom 24. Mai wird der Sternenmarsch, das Singen auf dem Klosterplatz und das Einfädeln zum Umzug geübt. Und anschliessend werden wir bereit sein für das grosse Spektakel am Samstag, 25. Mai! Wurden Sie überall mit offenen Armen empfangen? Ja, das Interesse und die Zusammenarbeit mit allen Verantwortlichen war sehr schön. Wir sandten die Konzepte an die Schulleitungen der Region. Die Schulhausverantwortlichen konnten sich selber bei uns anmelden. Dabei spürten wir sehr unterschiedliche Motivationen und Begeisterungen der Lehrpersonen, das ist aber auch ok. Mit den Eltern hatten wir gar keinen Kontakt, da das Projekt in den Regelunterricht integriert war. Nur die Teilnahme am Theaterspektakel selber ist freiwillig für die Schülerinnen und Schüler, da es an einem Samstag stattfindet. Die meisten möchten aber mitmachen. Den Lehrpersonen wurde ein Dossier abgegeben zur Vorbereitung für die Projekttage. Wussten die Lehrpersonen, was damit anzufangen?
Die meisten nutzten die Übungen erst nach unseren Projekttagen. Viele Lehrpersonen kennen die theaterpädagogische Arbeit, denn an der PH gibt es auch Kurse dazu. Die Übungen und Spiele, die wir eingebunden hatten, kannten einige schon, wie beispielsweise den Klatschkreis. Sie gaben einen Teil der Vorbereitung in die Hände von weiteren Theaterpädagoginnen und -pädagogen. Wie funktioniert diese Zusammenarbeit? Sehr gut, denn ich suchte alles Leute aus, die ich kenne und denen ich vertraue! Ich hatte auch schon mit allen acht Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet. Ich habe sie alle auch instruiert, was ich am Schluss des Projektes möchte, bei der Methodik liess ich ihnen aber freie Hand. Leiteten Sie schon ähnliche Projekte? Ich habe schon sehr viele theaterpädagogische Projekte geleitet und durchgeführt, aber noch nie in dieser Grösse! Das ist schon speziell, denn es sind sehr viele Menschen involviert, die ich koordinieren muss. Und das Projekt brachte auch eine sehr grosse Dauer mit sich: Über ein Jahr lang musste das Projekt am Laufen gehalten werden Es gab noch die Idee, mit richtigen Tieren und Traktoren zu arbeiten. Was wurde daraus? Wir wollten mit unserer Idee sagen: Wenn jemand Lust hat, das zu machen, dann soll er es tun! Und Manuel Schuler, Lehrperson Sek Brüel, wollte gerne mit 50 Ziegen und drei Traktoren kommen. Das ist sehr schön, da es super zum Bauernvolk passt.
Es werden über 1400 Personen während des Umzuges unterwegs sein. Auf was muss da alles geachtet werden? Es sind wahnsinnig viele Leute. Wir müssen schauen, dass wir niemanden verlieren und dass zeitlich alles klappt! Ich erstellte unzählige Listen und Pläne, aber die sind im Moment halt alle noch sehr theoretisch. Wir liefen die Wege mit Stoppuhren ab – und versetzten uns dabei in die Kindergärtler. Der ganze Tag basiert auf Annahmen. Vor Ort werden wir «Schleusen» ha-ben, die die rechtzeitige Ankunft auf dem Klosterplatz sicherstellen. Dass keine Kinder verloren gehen, muss auf Klassenebene sichergestellt werden. Die Lehrpersonen überlegten sich ein System, wie die Kinder zusammenbleiben, zum Beispiel indem die Kinder in Kleingruppen zueinander schauen. Zum Glück hat mich Claudia Capecchi bezüglich Sicherheit, Bewilligungen und Strassensperrungen unterstützt – und zum Glück ist sich Einsiedeln solche Anlässe gewohnt. Wir erwarten nämlich bis zu 10’000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Klosterdorf! Weshalb wurden Sie Theaterpädadogin?
Ich schloss zuerst ein Studium der Kunstgeschichte und Religionswissenschaften ab. Aber mich hat das Theater schon immer begleitet. Als Jugendliche spielte ich im Spielclub selber Theater und lernte dort durch unseren Leiter den Beruf des Theaterpädagogen kennen. Mich interessierte Schauspiel oder Regie, aber ich merkte schnell, dass die Theaterpädagogik alles verbindet, was ich gerne mache. Ich kann sowohl mit Laien als auch mit Profis arbeiten und bin somit nahe beim Menschen. So habe ich das Studium in Heidelberg absolviert und bin seither total happy mit meinem Beruf! Sie galten schon früh als eine der umtriebigsten Theaterschaffenden in der Zentralschweiz. Wie schaffen Sie es, ihre Work-Life-Balance im Griff zu haben? (überlegt) Meine Arbeit ermöglicht mir eine freie Organisation meiner Zeit. Da ich freischaffend bin, kann ich mir meine Projekte aussuchen. Ich arbeite sicher viel, kann meine Arbeitszeiten aber nach der Familie ausrichten. Denn die Familie und die Arbeit unter einen Hut zu bringen ist eine Frage der Koordination. Sie sind Mutter eines vierjährigen Sohnes. Wie hat die Geburt Ihres Sohnes Ihre Arbeitsweise verändert? Seine Geburt hat dazu geführt, dass ich effizienter arbeite! Ich organisiere meine Woche nach den fixen Betreuungstagen von meinem Sohn und plane entsprechend um 17 Uhr Feierabend zu machen, wenn es geht, oder ich verlege Proben auf den Abend. Ich habe meine gesamte Koordination darauf ausgelegt, dass mein Sohn seine Regelmässigkeiten hat. Und er kennt es ja nicht anders, als dass Mama manchmal abends weg ist – dafür ist ja mein Partner dann da. Sie sind Regieassistentin beim Welttheater. Ist das Ihr bisher grösstes und spannendstes Projekt? Gross und spannend ist bei mir nicht zwingend miteinander verknüpft. Für mich ist es speziell, bei diesem Projekt «nur» als Regieassistentin zu arbeiten. Sonst leite ich ja selber Theaterprojekte. Aber ich wollte unbedingt mit Livio Andreina und AnnaMaria Glaudemans zusammenarbeiten. In diesem speziellen Fall passt das, denn die ganze Organisations-Dimension ist enorm bei dem grossen Spiel-volk. Da hilft meine Erfahrung mit unzähligen Theaterprojekten sicher, den Anlass mitzuplanen. Und es ist auch ein besonderes Erlebnis, für einmal nicht in der Leitung zu sein, sondern zudienend und unterstützend zu arbeiten. Das gibt mir eine gewisse Demut, dass Menschen auf mich zählen. Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Einsiedeln? Zuerst kommt Anfang Oktober, kurz nach der Derniere, unser zweites Kind auf die Welt – wenn es bis dann warten kann! Ich arbeite gleichzeitig an einer weiteren Inszenierung, die Ende September Premiere feiert. Danach werde ich mich meiner Familie widmen und habe für 2025 und 2026 bereits wieder einige Projekte aufgegleist.